Ausschreibung
Sternenlicht-Anthologie

Download-Tipp
Band 6

Heftroman der Woche

Archive
Folgt uns auch auf

Der berühmte Sandwirt Andreas Hofer … – Teil 1

Der berühmte Sandwirt Andreas Hofer aus Passeier in Tirol und der Tiroler Freiheitskampf im Jahr 1809
Verlag der J. Lutzenbergerʼschen Buchhandlung, Altötting und Burghausen, 1860

1. Das Land Tirol und seine Bewohner

Tirol ist ein wildschönes Land von etwa 445 Quadratmeilen, mit ungefähr 600.000 Bewohnern, das hier einem irdischen Paradies und dort dem Ort ewiger Verdammnis gleicht. Den Namen hat es vom Bergschloss Tirol am linken Ufer der Etsch. Felsmassen wechseln mit blühenden Tälern, sodass die Schweiz oft nicht reizendere Kontraste, gewaltigere Ansichten bietet. Hier türmen sich eisige Ferner in den Wolken auf und von ihnen rauschen Wasserfälle herab und werden zu reißenden Strömen; dort beleben das Mittelgebirge düstere Wälder und am Fuße von dieser wie von jenen blühen fruchttragende Bäume aller Art oder der Mais, der Weizen und andere Getreidearten bedecken weit sich hinziehende Felder und Fluren. Auf großen Alpen weiden zahlreiche Herden an den Bergen hoch hinauf, wie in der Schweiz, diese belebend, und nur von einsamen Hirten oder Hirtinnen bewacht, die die meiste Zeit ihres Lebens auf den Bergen verbringen.

Um Meran und Bozen, das Paradies, wie es die Tiroler nennen, wächst der Weinstock bis zur Höhe der Mittelberge und gibt einen gesunden leichten Wein; der Feigen- und Pfirsichbaum wachsen ohne Pflege und jener gibt zwei-, auch dreifache Früchte. für Brustkranke ist Meran der herrlichste Aufenthalt und sie werden dort genesen, wenn ihr Übel erst im Entstehen ist.

Groß ist die Anzahl von Schlössern, welche die Höhen der Tiroler Berge zieren. Sie find größtenteils aus dem Mittelalter, doch gut erhalten und in sehr bewohnbarem Zustand. Unweit von Meran liegt das Stammschloss Tirol, zu dem ein Weg durch Weingärten und gesprengte Felsen führt. Unter dem alten Schloss liegen die malerischen Ruinen der Brunnenburg. Nach Passeier hin erhebt sich die Zenoburg und so steigen auf jedem Berg andere Burgen empor, dass sie eine Kette zu bilden scheinen, die sich bis zur Grenze der Lombardei erstreckt und in der Tiefe von reizend gelegenen Tälern durchflochten wird.

Die Alpen, welche das Land durchziehen, bilden viele Engpässe, die an den Grenzen durch sogenannte Klausen eingeschlossen sind. Unter ihnen gibt es mehrere, deren Namen einen Ruf erlangten wie so manche in der Schweiz. · Mit ewigen Eis bedeckt erhebt sich der große Glockner an der Grenze von Salzburg und Kärnten; über den Brenner führt die Hauptstraße von Deutschland nach Italien. Zwischen vielen fürchterlichen Gletschern lagern oft nicht minder ungangbare Eisfelder und einer der höchsten Berge, der Ortler, wurde von einem Pseirer Jäger, Joseph Pichler, am 27. September 1804 zum ersten Mal, seitdem aber nicht oft wieder bestiegen.

So eigentümlich das Land ist, so Eigentümliches haben auch die Bewohner desselben von jeher gehabt. Sie haben diesen Boden durch ihrer Hände Fleiß sich erschaffen; den alten Wald, der sonst der Bären wilde Wohnung war, zu einem Sitz für Menschen umgewandelt. Sie sprengten den harten Fels und über den schauerlichen Abgrund bauten sie Brücken, den Wandersmann sicher zu geleiten. Es erfüllt mit Grausen, was die Älpler von ihren Wagefahrten sich erzählen; wie oft sie, im wildem Eisgebirge verirrt, den Felssprung von einer Klippe zu der anderen wagen; wie nicht selten eine Windlawine sie verschüttet; wie unter ihnen trügerisch der Firn einbricht und sie da lebendig begraben, versinken in die schauerliche Gruft. Und doch, sie können einmal nicht anders; rastlos müssen sie ihr flüchtiges Ziel verfolgen, dann erst genießen sie des Lebens recht. Wer frisch umherspringt mit gesundem Sinn, auf Gott vertraut und auf seine gelenke Kraft, der ringt sich leicht aus jeder Gefahr oder sonstigen Not; ihn schreckt der Berg nicht, auf dem er geboren wurde.

Ein Volk, mit solchen Eigenschaften ausgerüstet, muss notwendig von anderen, denen die Natur ihre freien und offen daliegenden Gefilde entgegenbrachte, sehr verschieden sein, und so finden wir auch die Tiroler als einen vorzüglich kräftigen, mutigen Menschenschlag, der sich durch Biederkeit und Treuherzigkeit, strenge Religiosität, die nicht selten ans Abergläubische grenzt, Ehrlichkeit und Redlichkeit, heiteren Sinn, ja sogar auch durch luftiges Wesen auszeichnet; aber freilich nicht selten auch heftig, streitsüchtig und raufluftig erscheint; der hartnäckig an dem hält, was ihm einmal recht und gut zu sein bedünkt. Im Ganzen erscheint der Tiroler als ein schöner Mann von gutem Wuchs und offenen Gesicht. Was das weibliche Geschlecht betrifft, lauten die Urteile verschieden.