Deutsche Märchen und Sagen 139
Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845
181. Der hölzerne Gott zu Paschendale
Der Weg von Paschendale nach Moorslede führt durch ein klein Gebüsch. In demselben fand einmal ein Holzhacker auf einem Baumstumpf ein hölzernes Bild in Gestalt eines Ecce homo. Der gute Mann wagte nicht dasselbe wegzunehmen, sagte es aber dem Pfarrer. Der meinte erst, das Bild gehöre der einen oder anderen Kirche und erkundigte sich allenthalben darum, doch nirgends vermisste man ein Bild. Da nahm er es und setzte es in seine Kirche zu Paschendale hinter den Altar. Doch damit war das Bild nicht zufrieden und am anderen Morgen fand man es wieder auf dem Baumstumpf. Als man dies dem Pfarrer meldete, erkannte der, dass das Bild eine bessere Stelle verdiene und setzte es dem Hochaltar viel näher; doch er gewann nichts damit, denn am folgenden Morgen stand es wieder auf dem Eichenstumpf.
Nun holte man es mit vieler Feierlichkeit von da ab und setzte es auf den Altar des heiligen Cornelius, welcher der Schutzpatron der Kirche ist, doch alles vergebens; der folgende Tag sah das Bild wieder im Wald.
Da ließ der Pfarrer öffentliche Gebete halten, dann reihte sich das Volk zu einer Prozession zusammen und in deren Mitte trug er das Bild abermals von der Eiche zu der Kirche, wo man es dem Hochaltar gegenüber auf ein hölzernes Fußgestell setzte. Die Eiche aber ließ er fällen.
Seitdem war das Bild dem Scheine nach zufrieden; sein Geist aber spukte noch lange danach in der Gegend der Eiche, wo ihn mancher Wanderer in den abscheulichsten Gestalten sah.
So trat er unter anderen einem betrunkenen Hirten in Gestalt eines großen, schwarzen Hundes mit glühenden Augen entgegen. Der Hirte war nicht links, sondern sprach kühn: »Kommst du von Gott, dann sprich; kommst du vom Teufel, dann gehe, woher du gekommen bist.«
Da sprang der Hund auf die andere Seite des Weges und verwandelte sich in ein Totengerippe.
Als der Hirte das sah, da wurde er nüchtern, lief, was er konnte, nach Hause und starb in wenigen Tagen.
Mit der Länge der Zeit ist das Bild immer mürber geworden und endlich halb verfault. Da hat man es von dem Gestell genommen und verbrannt. Seitdem sah man keine Geister mehr, der Wald aber behielt von dem Bild den Namen Houtengodbosch, das heißt Hölzerngottsbusch.