Paraforce Band 44
Mike Bauser
Paraforce 44
Woronosch, der Monstermacher
Die Frau saß direkt neben dem Fenster. Sie hatte die Beine angezogen und hielt mit beiden Händen den gerippten Kunststoffgriff einer langläufigen Makarow-Pistole umklammert.
Das Fenster war gekippt und die Gardinen blähten sich, trotzdem brachte der Abendwind keine Abkühlung. Der sibirische Sommer zeigte sich seit Tagen von seiner heißesten Seite und selbst jetzt bewegte sich die Temperatur immer noch in tropischen Regionen, obwohl es bereits dämmerte.
Die Schweißperlen auf der Stirn der Frau wirkten im grellen Licht der Straßenreklame, das draußen auf der Straße in unregelmäßigen Abständen durch die Dunkelheit zuckte, wie ein feinmaschiges, glitzerndes Netz. Obwohl der Stoff ihres dunkelblauen Kostüms inzwischen wie eine zweite Haut auf ihrem Körper klebte, saß sie weiterhin beinahe reglos in dem ledernen Ohrensessel.
Sie rührte sich erst, als draußen jemand einen Schlüssel in das Türschloss des Büros steckte, in dem sie sich bereits seit dem späten Nachmittag verborgen hielt.
Langsam, beinahe behutsam nahm sie die Pistole hoch.
Sekunden später wurde die Tür aufgerissen, eine Hand klatschte auf den Lichtschalter, und während an der Decke eine Lampe nach der anderen aufflammte und den Raum mit grellem Neonröhrenlicht durchflutete, platzte eine stämmige, rothaarige Frau in das Büro.
Ohne ihrer Umgebung auch nur einen Blick zu schenken, stürmte sie, kaum dass sie die Tür mit dem Absatz ihres rechten Lederslippers hinter sich ins Schloss gedrückt hatte, zielstrebig auf einen der beiden Aktenschränke zu, die fast die Hälfte der daneben liegenden Wand einnahmen. Die Frau öffnete den größeren davon, ging in die Knie und zerrte hastig einen Ordner nach dem anderen aus dem untersten Regalfach.
Achtlos warf sie alle neben sich auf den Boden.
Ihr ganzes Tun wirkte dabei seltsam hektisch und zerfahren.
Sie hielt erst inne, als sie die schmale Tür eines Tresors freigelegt hatte, der an dieser Stelle mit in die Wand eingebaut war. Die Frau verharrte einen Moment, wobei sich ihr kantiges, von unzähligen, seltsamen Schnittwunden entstelltes Gesicht1 zu einem selbstgefälligen Grinsen verzerrte, und begann augenblicklich am Zahlenschloss des Wandsafes zu drehen, bis sie ein leises Klicken vernahm.
Sie beugte sich vor, öffnete die Tür und erstarrte …
*
Ljudmilla Tajenkowa war nicht nur Ärztin, sondern auch eine Agentin des GRU.
Sie kannte das Geräusch, wenn jemand den Hahn einer Makarow spannte, zur Genüge, schließlich war diese Pistole die Dienstwaffe des russischen Militärgeheimdienstes.
Langsam, jedwede hastige Bewegung vermeidend, drehte sie den Kopf in die Richtung, aus der dieser ihr so vertraute Laut gekommen war.
Ihre Augen weiteten sich jäh, als sie sah, wer sie da mit einer Pistole bedrohte.
»Du?«, zischte sie ungläubig, während sich ihre Haltung allmählich entspannte. »Was zum Teufel hast du denn hier zu suchen?«
»Kannst du dir das nicht denken?«
Ljudmilla Tajenkowa lächelte kalt.
Nun, nachdem sie ihr Gegenüber erkannt hatte, verflog auch ihre Unsicherheit wieder.
Ihr Pulsschlag beruhigte sich und nach und nach begannen auch wieder jene Mechanismen zu greifen, die man ihr während der Ausbildung bis zum Erbrechen eingetrichtert hatte.
Wie immer genügten ihr auch diesmal zwei, drei schnelle Blicke, um die Situation wie auch ihr bewaffnetes Gegenüber einschätzen zu können.
Auf ihrem Gesicht, das bis vor wenigen Sekunden noch dem einer zu Tode erschrockenen Frau glich, machte sich so etwas wie Zufriedenheit breit.
Na, warte du kleine Fotze, schoss es Ljudmilla durch den Kopf, dir werde ich helfen.
»Nein, und ich will es auch gar nicht wissen«, antwortete sie stattdessen und richtete sich auf. »Das hier ist das Büro von Oberst Sokolow, einem der ranghöchsten Mitarbeiter des GRU und ich bin seine Assistentin. Du hingegen bist nichts als eine Schlampe.«
»An deiner Stelle würde ich mir überlegen, was ich sage. Ich bin immerhin die Ehefrau von Leonid.«
»Ehefrau?«, antwortete Ljudmilla und lachte schrill. »Die Bezeichnung Hure dürfte wohl eher zutreffen. Oder willst du etwa leugnen, dass du mit Wladimir ins Bett gestiegen bist, kaum dass er hier im Institut die Stelle als Leiter der Sicherheitsabteilung angetreten hatte?«
Mit einem wütenden Fauchen riss Karina Sokolow die Pistole hoch.
»Rede nicht so über Wladimir, du hast ja keine Ahnung. Du weißt doch gar nicht, was Gefühle sind! In dieser Hinsicht bist du genauso wie Leonid, ihr kennt nur Arbeit, Arbeit, Arbeit und das Tag und Nacht. Dass sich der Partner an eurer Seite aber vielleicht nach Liebe sehnt, nach Geborgenheit und Zärtlichkeit, das interessiert euch nicht. Wladimir hat mir all das gegeben, wonach ich mich so gesehnt habe, und was habt ihr getan?«
Karina Sokolows Stimme überschlug sich beinahe vor Hass.
»Ihr habt ihn umgebracht, erst verhaftet und dann totgeschlagen wie einen tollwütigen Hund!«
Die Tonlage in ihrer Stimme wurde mit jedem Wort eisiger.
Mit einem Ruck stand sie auf und zielte mit der Makarow auf den Kopf der rothaarigen Ärztin. Erneut machte sich in Ljudmilla so etwas wie Unsicherheit breit, als sie bemerkte, dass die Hände der Frau dabei nicht im Geringsten zitterten.
»Woher willst du denn das wissen?«
Karina lächelte kalt. »Ich bin, oder besser gesagt ich war die Ehefrau von Oberst Leonid Sokolow, oder hast du das etwa schon wieder vergessen? Ich weiß deshalb so einiges, wahrscheinlich sogar mehr, als dir und dem verdammten GRU lieb sein kann.«
»Du bist ja verrückt! Wenn du dich mit dem GRU anlegst, bist du schon morgen tot«, keuchte Ljudmilla, die von der Entschlossenheit von Sokolows Witwe immer mehr verunsichert wurde.
»Du scheinst mich da etwas missverstanden zu haben. Ich will mich nicht mit dem Geheimdienst anlegen, ich will nur, das Wladimirs Mörder zur Rechenschaft gezogen werden, mehr nicht. Leonid hat ja bereits bekommen, was er verdient hat, wenn auch leider nicht durch meine Hand. Aber es gibt da ja noch andere, die daran beteiligt waren, nicht wahr, Ljudmilla?«
In den Augen der Angesprochenen blitzte es kurz auf. Die Ärztin war lange genug Mitglied des militärischen Geheimdienstes, um den drohenden Unterton aus Karinas Stimme herauszuhören.
Instinktiv wollte sie zur Tür laufen.
Karina machte zwei schnelle Schritte nach rechts, um ihr den Weg zu versperren. Als sie bemerkte, wie Ljudmillas Rechte unter die Jacke ihres Hosenanzugs fuhr, streckte sie den Arm aus, sodass sich die Mündung ihrer Makarow nur ein paar Zentimeter vor Ljudmillas befand, und drückte ab. Der schon gespannte Hahn schlug zurück und ein Schuss bellte auf, dessen Detonation fast völlig von dem großen Schalldämpfer verschluckt wurde, der auf dem Pistolenlauf steckte.
Ljudmilla Tajenkowa zuckte unter dem Einschlag der Kugel zusammen, machte einen Schritt nach hinten und starrte beinahe ungläubig auf das Blut, das langsam aus dem kreisrunden Loch in ihrer Brust sickerte.
Sie bemerkte dabei nicht, dass Karina erneut auf sie zielte und abdrückte.
Sie spürte nur noch den Einschlag.
Die vollständige Story steht als PDF, EPUB, MOBI und AZW3 zum Downloaden zur Verfügung.
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Bisherige Downloads AZW3: 236
Dieser Roman hat mir nicht soo gefallen, wie die anderen.