Jim Buffalo – 5. Abenteuer – Kapitel 1
Jim Buffalo,
der Mann mit der Teufelsmaschine
Veröffentlichungen aus den Geheimakten des größten Abenteurers aller Zeiten
Moderner Volksbücher-Verlag, Leipzig, 1922
Eine teuflische Milliardärin
Jim Buffalos 5. Abenteuer
1. Kapitel
Grausige Taten
»Die Welt ist rund!«, knurrte New Yorks tüchtigster Polizeiinspektor und schritt in schlechter Laune in seinem Büro im Gebäude der Detektivzentrale auf und nieder.
»Ich habe nie daran gezweifelt«, entgegnete eine andere Stimme, die aus der Tiefe eines Clubsessels drang.
»Und trotzdem hat sie Ecken«, fuhr Inspektor Dufferin grimmig fort. »Ecken, an denen man sich den Schädel einrennt!«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel der Fall Dealer!«
Jim Buffalo richtete sich im Sessel auf.
»Sie haben recht«, nickte er. »Es ist zum Schädeleinrennen!«
Inspektor Dufferin beendete plötzlich seinen Spaziergang und lauschte zur Tür hin.
Es klopfte.
»Come in!«
Dawson trat ein. Als der Inspektor sein Gesicht sah, lachte er hart auf.
»Wieder nichts?«
»Leider. Die Spur war falsch.« Dufferin ließ einen seiner ellenlangen Flüche vom Stapel.
»Da rasen wir nun seit 14 Tagen dem Mörder Frank Dealers nach, und das Resultat? Vier falsche Verhaftungen. Es ist zum Verzweifeln!«
Das waren die Worte, die nach einer Weile aus des Inspektors Mund dem Fluch folgten.
»Ich habe einen Verdacht – einen neuen Verdacht«, ließ sich Dawson hören.
Dufferin machte eine abwehrende Handbewegung.
»Hören Sie auf, Mensch«, stöhnte er. »Es gäbe bloß eine fünfte Verhaftung, und die ist wieder falsch.«
Dawson schwieg. Er war einer der befähigtsten Kriminalbeamten der New Yorker Detektivzentrale. Doch diesmal versagte sein Scharfsinn, wie der seines Vorgesetzten.
Frank Dealer war vor zwei Wochen in seinem Palast durch einen Revolverschuss in den Rücken ermordet worden. Dealer war einer von jenen gewesen, die als Laufjunge angefangen hatten, vom Glück verfolgt und schließlich durch klugen Geschäftsgeist und eisernen Fleiß die Leiter emporgestiegen waren, die zu unendlichem Reichtum führte.
Man schätzte Frank Dealers Vermögen auf mindestens zwei Milliarden.
Nun war er tot, und dieser Tod war ein grausiger gewesen. Er hinterließ Frau und Kinder, die ihn tief betrauerten. Mrs. Ellen Dealer war noch eine verhältnismäßig junge Frau. Sie zählte vierzig Jahre, sah jedoch wie dreißig aus. Man konnte es dieser Frau nicht ansehen, dass sie einen 21-jährigen Sohn besaß. Dieser, Norbert Dealer, hatte nun das väterliche Geschäft, eine gewaltige Schiffsreederei, übernommen.
Außer diesem Sohn existierte noch ein kleiner Nachkömmling, und das war der niedliche Eddie, ein lustiger Bengel, der vor zwei Jahren noch angekommen war.
Diesen drei Menschen war Frank Dealer durch einen gewaltsamen Tod entrissen worden.
Alle Nachforschungen nach dem Täter waren resultatlos verlaufen. Verfiel man auf eine Spur, glaubte man, endlich nun auf der richtigen Fährte zu sein, so stellte sich heraus, dass alle Verdachtsmomente falsch waren.
Dufferin, der gewohnt war, seine Feldzüge gegen die Verbrecherwelt meist mit Erfolg gekrönt zu sehen, befand sich in einer begreiflichen Missstimmung.
»Haben Sie denn keinen vernünftigen Gedanken?«, wandte er sich jetzt an seinen Besucher. »Ha! Wozu, zum Teufel, haben Sie eine Teufelsmaschine?«
»Meine Teufelsmaschine wird in diesem teuflischen Mordfalle wohl verteufelt wenig zu tun bekommen«, entgegnete Jim Buffalo mit leisem Lächeln.
Doch der Inspektor hatte sich schon in seine Idee verrannt.
»Die Teufelsmaschine besitzt doch fabelhafte Fähigkeiten!«
»Das tut sie!«
»Sie fährt als Automobil 200 Kilometer in der Stunde!«
»Stimmt!«
»Als Motorboot 160 Kilometer!«
»Richtig!«
»Als Tauchboot 120 Kilometer in der Stunde!«
»Allerdings.«
»Das Teufelsdings kann in die Zukunft fahren!«
»Auch das!«
»Ebenso in die Vergangenheit!«
»Jawohl.«
»Na, also!«, konstatierte Dufferin und lächelte befriedigt. »Damit wäre ja der Fall Dealer schon gelöst.«
»Wieso?«
Dufferin schüttelte den Kopf.
»Gott, wie Sie sich schwerfällig anstellen. Das ist doch höchst einfach! Sie setzen sich in Ihren Teufelskasten und fahren in die Vergangenheit, das heißt, nur 14 Tage zurück. Dann begeben Sie sich an den Tatort und verbergen sich. Vor Ihren Augen wird sich der Mord abspielen! Sie sehen den Mörder mit eigenen Augen! Dann setzen Sie sich wieder in Ihre Teufelskutsche und reisen in die Gegenwart zurück, kommen zu mir, sagen mir, wer der Mörder ist. Ich gehe hin und verhafte ihn – und damit haben wir diesen vermaledeiten Fall aus der Welt geschafft.«
»Sie sind ein schlauer Fuchs«, erwiderte Jim Buffalo. »Aber diesmal müssen wir doch wohl die Teufelsmaschine aus dem Spiel lassen!«
»Aber warum denn bloß?!«
»Weil die Maschine von der Gegenwart an, von der Zeit also, in der wir leben, nur erst vom 100. Jahr an beginnt, in Tätigkeit zu treten!«
»Das kapier ich nicht.«
Buffalo richtete sich höher im Sessel auf.
»Das heißt mit anderen Worten, wenn ich mich heute, im Jahre 1922 also, in die Zeitmaschine setze und will in die Vergangenheit fahren, so rast sie durch ein Jahrhundert, ohne dass ich sie zum Stehen bringen kann. Vom Jahre 1822 also an gerechnet könnte ich feststellen, was in der Vergangenheit vor sich gegangen ist. Genauso ist es mit der Zukunft. Will ich in die Zukunft fahren, so muss ich notgedrungen hundert Jahre überspringen und könnte demnach erst vom Jahre 2022 an sehen, wie es in der Zukunft aussieht!«
»Lassen Sie sich mit Ihrer Teufelskiste einpökeln!«, knurrte Dufferin trostlos. »Was nützt eine Vergangenheitsmaschine, wenn man mit ihr nicht in die Vergangenheit fahren kann? Ich gebe Ihnen den guten Rat: Schaffen Sie das Ding so schnell wie möglich ab. Zehn Dollar wird Ihnen wohl jeder Lumpenhändler dafür bezahlen.«
Jim Buffalo lachte schallend auf.
»Sie sind ein komischer Mensch, Inspektor. Aber ich kenne Sie zu gut, um Ihre Worte für ernst zu nehmen.«
Kaum hatte Buffalo geendet, als draußen polternde Schritte erklangen. Ein hastiges Anklopfen – dann stürzte ein Policeman herein.
»Soeben wird vom Dealer-Palast die Meldung gebracht, dass ein furchtbares Verbrechen geschehen sei!«
»Wo?«
Von drei Lippenpaaren klang die Frage.
»Vom Dealer-Palast!«
»Jetzt platzt die Bombe!«, schrie Dufferin. Dann jagten sie hinaus.