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An der Indianergrenze – Band 1 – Kapitel 3.3

Friedrich Armand Strubberg
An der Indianergrenze
Band 1
Hannover, 1859
Kapitel 3.3

Während der Tafel wartete die Quadrone den Speisenden auf, bewegte sich flink und graziös von einem zum anderen, bewachte ihre Blicke, um rasch ihren Wünschen nachzukommen, und verwendete dabei die größte Aufmerksamkeit auf ihre Herrin, der sie ungeheißen die Speisen zutrug, welche dieselbe besonders liebte.

Die Sklavin war zur Küche gegangen, um dort etwas für Madame Morrier zu bestellen, als diese sagte : »Dieses Mädchen allein ist über tausend Dollar wert, und wenn ich nicht schon Domestiken in New Orleans hätte, so würde ich sie mit mir nehmen. Sie ist eine vortreffliche Köchin; keine andere näht so fein und flink, sie versteht zu waschen und zu bügeln; sie kann lesen und schreiben, was ich ihr alles meist selbst gelehrt habe. Dabei ist sie gut und fromm, klug und verständig und von erprobter Treue und Anhänglichkeit. Ich wünsche auch, dass es ihr recht gut gehe. Sie glaubt, ich würde sie nicht mit den anderen Sklaven verkaufen, bei welchem Glauben wir sie lassen wollen, um unnötige, unangenehme Szenen zu vermeiden. Das Mädchen ist sehr leidenschaftlich.«

Den Abend verbrachten die Freunde zusammen, indem sie sich in der Umgebung des Hauses ergingen, welche mit blühenden Kreppmyrten, Granatbäumen, Kapjasmin und vielen anderen Blütenbäumen begrenzt war, dem Hengst Farnwalds und dem angeketteten Joe einen Besuch abstatteten und sich dann unter der luftigen Veranda der Kühlung erfreuten, die frisch und duftgewürzt darüber hinzog.

»Hören Sie, Renard, eine Bedingung stelle ich Ihnen, für den Fall, dass ich den Handel für Sie zustande bringe«, sagte Farnwald zu seinem Freund.

»Und die wäre?«, fragte dieser.

»Dass Sie mir Milly, die Quadrone, für einen mäßigen Preis verkaufen. Schon lange habe ich mir ein solches Mädchen gewünscht; tüchtig und geschickt genug, um ihr die Führung meines Haushalts zu übertragen, zuverlässig und verständig, um ihr die Aufsicht über das Haus während meiner öfteren Abwesenheit anzuvertrauen, und dabei anmutig und gebildet, um sie zu meiner unmittelbaren Bedienung zu verwenden. Sie, lieber Renard, haben es nie gefühlt, was es heißt, mit seinem Umgang ganz und gar auf sich selbst beschränkt zu sein; es ist eine harte Stellung im Leben, in der man nach und nach für die Außenwelt abstirbt. Ein talentvolles Mädchen, wie diese Quadrone, bedarf nur wenig Mittel und Hilfe, um sich eine solche Bildung anzueignen, wie sie zu dem täglichen Umgang mit einem Mann von unseren Ansprüchen unbedingt notwendig ist.«

»Darauf sollte ich nicht eingehen, denn meine Pläne, bald eine Frau an Ihre Seite zu bringen, würden dann scheitern. Haben Sie erst eine solche Haushälterin um sich, dann bleiben Sie gar für immer Junggeselle.«

»Nein, im Ernst, lieber Renard, Sie müssen es mir versprechen.«

»Nun, wenn Sie nicht anders wollen, so mag es darum sein. Sie sollen sie billig haben.«

Das erste Grauen des folgenden Morgens rief Farnwald gewohnter Weise hinaus in das Freie, und wenn er auch nicht zum Grab seiner teuren Geliebten eilen konnte, so war er doch mit seiner ganzen Seele bei ihr, denn nun war er noch ungestört und allein. Die feierliche Stille, die ihn umgab, tat seinem kranken Herzen gut, und die Schauer des Dämmerlichts harmonierten mit seinen trüben Gefühlen. In sehnsüchtigem, schmerzlichem Andenken stand er unter einer mächtigen Zypresse, die ihre Äste weit über den Strom hinaushängen ließ, und sah dessen Fluten er bei sich vorübereilen; meinte, er müsse die Blutstropfen sehen können, die von der Geliebten in die Wogen gefallen waren. Er dachte der seligen Gefühle, womit er die Wellen so oft durcheilt hatte, um in die Arme des teuren Mädchens zu fliegen, und er glaubte, er sähe Hargo, ihren Mörder, mit zerschossenem Schädel vorübertreiben.

Da klopfte ihm Renard auf die Schulter.

»So in Gedanken, alter Freund?«, sagte er lächelnd, »wenn ich nur wüsste, was Sie so ernsthaft gemacht hat; ich habe ja noch nicht einen Scherz, nicht eine Ihrer tausend Anekdoten von Ihnen gehört. Wenn ich erst hier wohne, muss ich Sie einmal auf längere Zeit bei mir haben, damit meine Damen die Schatten von Ihrer Stirn verscheuchen können. Kommen Sie, lassen Sie uns zur Plantage gehen, ehe die Herden zur Weide ziehen, damit wir eine ungefähre Übersicht bekommen, was für ein Bestand davon vorhanden ist.«

Hiermit nahm er Farnwalds Arm und wanderte mit ihm zu den Hütten, unweit welchen das Rindvieh, die Pferde, Maultiere und Schweine neben der Einzäunung teils im Staub lagen und teils ihrer Nahrung nachgingen; denn nur die Arbeitstiere wurden innerhalb Einzäunungen zurückgehalten und dort von den Bediensteten mit Futter versehen. Das Hornvieh war von reiner Durham- Rasse, fett und glänzend, als ob es gestriegelt und gebürstet sei; die Pferde waren gemischt, doch von edlem Blut, die Maultiere sämtlich groß und schwer, wie man sie in Kentucky zieht, und die vielen hundert Schweine waren von guter englischer Zucht.

Dann wanderten die Freunde in dem breiten staubigen Weg zwischen den zwei langen Reihen alter vermoderter Blockhäuser, den Wohnungen der Sklaven, hin, aus deren niedrigen, von Lehm aufgeführten Kaminschornsteinen hier und dort eine leichte Rauchwolke aufstieg.

Wie vor Bienenstöcken deren Bewohner, so hatten sich vor den Türen dieser Hütten die Sklaven zusammengedrängt. Ihrer Kleidung nach hätte man glauben sollen, es sei heute ein Festtag für sie; doch ihre bangen ernsten Gesichter zeugten vom Gegenteil, und mit scheuen, forschenden Blicken sahen sie zu den vorübergehenden beiden Fremden hin, an welche sie, wie sie gehört hatten, von ihrer alten Herrin sämtlich verkauft werden sollten. Sie blickten bald auf Renard, bald auf Farnwald, als suchten sie zu erforschen, was sie von ihnen, ihren neuen Herren, wohl zu erwarten hätten. Die Mütter zogen ihre Kinder zu sich heran und drückten sie ängstlich an sich, als bäten sie die Vorübergehenden, sie nicht voneinander zu trennen; doch niemand sagte ein Wort, als wüssten sie, dass es ja doch nicht beachtet werden würde.

Weiter machten die Freunde einen Gang zu den Feldern hin und kehrten zum Wohngebäude zurück, wo schon das Frühstück aufgetragen war. Madame Morrier empfing sie im Speisezimmer in ihrem großen Armstuhl vor dem Tisch, bat sie Platz zu nehmen und sagte, sie habe den Befehl an die Sklaven erlassen, dass sie sämtlich zu Hause bleiben sollten, damit sie nach dem Frühstück den Herren zur Besichtigung vorgeführt werden könnten.

Das Essen war vorüber; Madame Morrier erhob sich mithilfe der jungen Quadrone und schritt, von dieser geleitet sowie von Renard und Farnwald gefolgt, zur Veranda vor dem Haus, wohin sie sich den großen Schaukelstuhl bringen ließ, um der Musterung ihrer Sklaven beizuwohnen.

Diese erschienen nun in einem langen hin- und herwogenden Zug und stellten sich den Winken ihrer Herrin gewärtig, familienweise auf dem Grasplatz vor dem Haus auf. Ihre Namen wurden nun einzeln nach einer Liste, welche Madame Morrier an Renard gegeben hatte, von diesem aufgerufen; der jedes Mal Genannte trat zu der Veranda hin, um über sein Alter, seine Fähigkeiten, seine Gebrechen und Fehler Auskunft zu geben, die in die verschiedenen Rubriken der Schätzungsliste eingetragen wurden.

Diese Menschen bekundeten bei ihrem Herantreten die allerverschiedensten Gefühle. Einige von ihnen kamen sehr danieder gebeugt, traurig und schweigend heran, andere gleichgültig, mit höhnisch lachenden Mienen, als wollten sie sagen, dass ihnen der Wechsel ihres Herrn einerlei wäre, da sie sowieso Sklaven blieben und nicht tiefer erniedrigt werden könnten. Wieder andere kamen mit trotzigem, finsterem und verwünschendem Blick herbei; noch andere wankten weinend und laut wehklagend heran, kaum fähig, bei ihrem Schluchzen die Fragen zu beantworten, die man an sie richtete.

»Ihr bleibt alle beisammen«, bemerkte Madame Morrier wiederholt zu diesen, ihr so nahe stehenden, langjährig treuen Dienern, die sie meist alle als Kinder auf ihrem Schoß gehabt, die sie sämtlich Mutter genannt hatten, und die in ihrer unmittelbaren Nähe groß geworden waren. Sie wollte sie durch diese Worte aufmerksam darauf machen, welch ein großes Glück es für sie sei, dass sie zusammen verkauft und nicht auf den Markt nach New Orleans und dort Vater, Mutter und Kind, ein jedes allein, unter dem Hammer öffentlich ausgeboten werden sollten.

Sie saß hart und fühllos da, wie die Verkäuferinnen auf Märkten bei ihren Waren zu sitzen pflegen, und machte für sich selbst mit Bleistift auf einem Papier Notizen über den Wert jedes einzelnen vorgeführten Sklaven. Es kam ihr aber nicht in den Sinn, dass ihre eigene Mutter eine Negerin gewesen war, und dass sie selbst in diesem Land nicht einmal berechtigt sei, unter ihrem Namen auch nur für einen Dollar freies Eigentum zu haben, indem nach dem daselbst geltenden Gesetz einem jeden freien Farbigen ein weißer Vormund bestellt wird, ohne dessen Einwilligung er keine Geschäfte treiben, Grundeigentum besitzen und Sklaven halten darf.

Milly, die Quadrone, stand bleich und betrübt hinter der Alten und wischte, indem sie den Pfauschweif über derselben hin- und herschwang, oft mit ihrer kleinen Hand die Tränen von ihren Wangen, die ihren großen schönen Augen entquollen. Sie hatte zwar keine Verwandte unter den Sklaven, denn ihre Mutter, eine Mulattin, von Herrn Morrier in New Orleans gekauft hatte, als sie Milly unter ihrem Herzen trug, war bei deren Geburt hier auf der Plantage gestorben. Wer aber der weiße Vater Millys war, wusste man nicht. Dennoch besaß das Mädchen eine große Anhänglichkeit zu vielen dieser ihrer Gefährten und hatte oft durch ihren Einfluss bei Madame Morrier schwere Strafen und Peitschenhiebe von ihnen abgewendet, welche die schwarzen Aufseher über sie verhängt hatten.

Eine Familie nach der anderen wurde vorgeführt und gemustert, wobei einzelne dieser feil gebotenen Menschen sich durch Worte, durch Mienen und Gebärden bemühten, Umstände aus vergangenen Zeiten der alten Witwe ins Gedächtnis zurückzurufen, in denen sie ihr einmal als begünstigte Diener, als Vertraute oder durch aufopfernde Anhänglichkeit näher gestanden hatten; doch umsonst, die Antwort war nur ein Wink mit der Hand, abzutreten und den Folgenden Platz zu machen.

»Da ist auch noch der lahme Guillaume, der vor vielen Jahren Sie und Herrn Morrier aus dem Fluss rettete, als Ihr Boot umgeschlagen war. Er steht nicht auf der Liste«, sagte der schwarze Aufseher, seinen Strohhut abnehmend, zu der alten Frau.

»Wird mit verkauft«, antwortete diese, »er ist immer noch etwas wert«, worauf sie dem alten Diener winkte und derselbe auf seiner Krücke herangewankt kam, um sich gleichfalls untersuchen und schätzen zu lassen.

Die Musterung war vorüber; Madame Morrier ließ sich von Milly zurück in ihr Wohnzimmer führen, wohin Renard und Farnwald ihr folgten, und wo nun die Unterhandlungen wegen des Verkaufs begannen. Die Neger waren von Farnwald auf 80.000 Dollar geschätzt, das Land auf 20.000 Dollar und das Vieh mit dem sonstigen Inventar auf 10.000, wodurch sich ein Gesamtpreis von 110.000 Dollar herausstellte, den Renard zu geben bereit war. Doch Madame Morrier war weit davon entfernt, auf dieses Gebot einzugehen, sondern bestand auf ihrer Forderung und erklärte abermals, dass sie die Neger lieber in New Orleans auf dem Markt verkaufen würde. Renard wurde leidenschaftlich und heftig, sagte ihr zuletzt, sie möge tun, was ihr beliebe, und verließ aufgebracht das Zimmer, während Farnwald seine Ruhe behielt und unterhandelnd bei der Alten zurückblieb. Er legte ihr nun die einzelnen Abschätzungen vor, setzte ihr auseinander, dass dieselben in richtigem Verhältnis zu dem wirklichen Wert der Neger ständen, und versuchte sie zu überzeugen, dass sie in New Orleans nicht mehr dafür bekommen würde, wobei sie noch Gefahr liefe, dass Krankheit unter die Sklaven käme, und dass sie eine große Zahl derselben durch den Tod verlieren könne. Außerdem machte er sie auf die bedeutenden Kosten aufmerksam, welche durch die Reise sowie durch den Aufenthalt der vielen Menschen in New Orleans entstehen würden und bemerkte dann noch zuletzt, dass die Neger, wenn man sie dort verkaufte, voneinander getrennt, ihre Familien zerrissen würden und Madame Morrier durch das viele Herzeleid, welches sie dadurch über die Unglücklichen brächte, eine schwere Verantwortlichkeit auf sich lade.

Die alte Mulattin sah Farnwald bei dieser Bemerkung groß und verwundert an, als verstände sie nicht, was er damit sagen wolle.

»Neger zu verkaufen, ist doch wohl nichts Unrechtes?«, sagte sie darauf, »Neger haben ja keine Familien, sie sind ja nicht verheiratet.«

Farnwald schwebte es auf der Zunge, sie daran zu erinnern, dass ihre Mutter wahrscheinlich auch nicht verheiratet gewesen sei, und dass sie selbst in diesem Land sich niemals hätte verheiraten können, sowie dass ihre in Westindien geschlossene Ehe hier ja gar nicht gültig sei. Doch er bemeisterte sich, da möglicherweise der Abschluss des ganzen Geschäfts dadurch zerschlagen worden wäre und beleuchtete nur den Geldvorteil, der der Alten durch einen Verkauf hier an Ort und Stelle erwachsen würde, wobei er all seine Beredsamkeit und Überzeugungsgabe aufbot.

Es war kurz vor dem Mittagsessen, als Madame Morrier endlich in das Gebot einwilligte, Farnwald einen vorläufigen kurzen, jedoch bündigen Vertrag aufsetzte und dann seinen Freund herbeirief, damit derselbe zugleich mit der Verkäuferin ihn unterzeichne, worauf auch Farnwald als Zeuge seinen Namen daruntersetzte.

»Nun meinen Glückwunsch, lieber Renard«, sagte jener zu ihm, als sie nach beendetem Geschäft hinaus unter die Veranda getreten waren.

»Und Ihnen, mein bester Farnwald, meinen innigsten Dank für Ihre Bemühung, denn ohne Sie würde ich mit dem alten Weib niemals zurecht gekommen sein«, antwortete dieser.

»Morgen müssen wir nun ein genaues Inventar aufnehmen und dann sobald wie möglich den Kauf dem Gericht anzeigen, denn meine Gegenwart zu Hause ist dringend nötig.«

»Ich hoffe, Sie werden mich nach New Orleans begleiten, um meine Familie hierherzuholen und meine junge Frau kennen zu lernen.«

»Das geht nicht, so gern ich es auch tun möchte. Sie wissen, ich habe niemanden zum Schutz meines Hauses, auf den ich mich völlig verlassen könnte, und die Indianer haben in letzter Zeit sich mir sehr feindselig gezeigt«, erwiderte Farnwald, indem sich ein düsterer Ausdruck auf sein Gesicht legte.

»Die Indianer machen Sie noch ganz zum Grillenfänger. Ich wollte, Sie könnten hier in meine Nähe ziehen, da sollte es bald wieder heiterer Himmel bei Ihnen sein. Ich hoffe, es werden einige junge Freundinnen meine Frau hierher begleiten, um ihr den Unterschied zwischen dem Stadt- und Landleben erträglicher zu machen. Sie müssen mich wenigstens bald, nachdem ich mich hier häuslich niedergelassen habe, besuchen«, sagte Renard, in seiner unerschöpflich guten Laune nicht bemerkend, dass Farnwald, in Gedanken versunken, gar nicht hörte, was er zu ihm sprach.