Paraforce Band 43
Amanda McGrey
Paraforce 43
PARAFORCE SONDEREINSATZ
Raunächte
Mysteriöse Ereignisse
»Du willst aufs Land?«
Sandras Gesicht stellte ein einziges Erstaunen dar.
Sheila Cargador lehnte sich in ihrem beigen Schreibtischsessel zurück. Sie legte die Hände hinter den Nacken und schob die blonde Löwenmähne etwas hoch.
»Tante Agathe hat mich zu Weihnachten eingeladen.« Fröhlich leicht tönte die Stimme der SCT-Chefin durch das Büro in dem altehrwürdigen Haus in der Park Lane.
Hier von London aus hatte das Team schon die brisantesten Fälle in aller Welt gelöst. Oftmals im Regierungsauftrag.
Sheila Cargador, die man nur die Lady nannte, warf den Blick aus dem Fenster in den verschneiten Vorgarten. Heller Dunst lag über der Stadt und der Wetterbericht hatte für die nächsten Tage noch weiteren Schneefall angesagt.
Sandra Collins, die zierliche Irin, Büroleiterin und Profilerin des Teams, setzte sich auf die Schreibtischkante. Sie warf einen Blick durch die Glasplatte auf Sheilas wie üblich nackte Füße und bemerkte: »Dann empfehle ich Mylady aber mal Schühchen. Sonst gibt’s blaue Zehchen.«
Sheila lachte auf. »Habe ich heute etwa keine Stiefel getragen, als ich vom Yard zurückgekommen bin?«
Sandra nickte. »Oh ja, und dann bist du in deine Wohnung oben verschwunden und hast die Dinger nebst den Socken gleich wieder in eine Ecke gefeuert.«
Die Lady seufzte. »Ich mag’s halt nicht.«
Sheila Cargador, eine der ungewöhnlichsten Frauen des Britischen Empire, tauchte immer mal wieder zu passender und auch unpassender Gelegenheit barfüßig auf. Im Freundeskreis hieß sie die »Barfüßige Lady« oder eben einfach nur Lady.
Sandra blickte auf den hochwertigen Kunstdruck-Kalender. In fünf Tagen war Heiligabend. Die meisten Mitglieder des Teams befanden sich schon im Weihnachtsurlaub. Es war Ruhe in die Park Lane 22 eingekehrt.
Lediglich Sandra sowie Olivia und Maureen hielten sich noch in der Hauptstadt auf. Die letzteren beiden wollten übermorgen zu den Malediven fliegen.
»Ich brauche Sonne!«, hatte Olivia mit ausladenden Armbewegungen gerufen.
Maureen hatte mehr dazu gelächelt.1
»Wo wohnt denn deine Tante Agathe? Oder ist es eher ein Onkel Henry?«
In Sandras Augen spielte der Schalk.
Die Lady sprang auf und knuffte sie in die Seite. »Kleines Biest!«
Dann ging sie leichtfüßig zur Hausbar und nahm sich einen irischen Whiskey.
»Es ist eher eine Ersatzmutter. Sie hat mich mehr oder weniger …«, sie stockte kurz, »… groß gezogen.«
In diesem Moment schlug das Telefon in der Zentrale an. Sandra eilte hinüber und nahm über PC das Gespräch an. Es kam über die geheime Leitung. Nur ganz wenige Menschen kannten diesen Anschluss.
»Planquadrat Q7 in einer Stunde«, sagte eine seelenlose Stimme nur.
Sandra unterbrach die Verbindung. Sie wusste, was das bedeutete. Sheila lehnte abwartend im Türrahmen, die bloßen Füße mit den perfekt in Pink lackierten Zehennägeln gekreuzt, das Glas lässig in der Hand.
Sandra grinste gespielt bösartig. »Denke, dein Tantchen muss warten. Du hast ein Rendezvous mit dem Foreign Office.« Sie gab der Lady die Koordinaten.
»Ach herrje!«, kam es nur. »Brennt das Empire wieder mal ab?«
Sie trank den Whiskey in einem Zug aus und angelte ihre Felljacke von Versage vom Haken im Besprechungsraum.
Die kleine Irin hielt ihre Chefin und Freundin am Arm fest. »Stopp Darling! Du willst dir doch nicht noch ein Hüstelchen holen, oder? Barfuß-Wetter ist nun wirklich nicht.«
Die Lady stieß die Luft aus. »Oh Lord!« Dann raste sie in den versteckten Aufzug und fuhr in ihre Wohnetage im ersten Stockwerk.
*
Peter Grennshore, einundvierzigster Lord of Limewood, drehte die edle Einladungskarte in der Hand. Er stand am Panoramafester seines Büros in der achtzehnten Etage des Finanzministeriums. Sein Blick glitt über die weißen Dächer Londons. Hinter ihm öffnete sich die schallgedämpfte Tür. Eine große, schwarzhaarige Frau von vielleicht Mitte dreißig, sehr modisch gekleidet, betrat auf High Heels fast geräuschlos über den dicken Teppich den kostbar eingerichteten Raum. Grennshore sah ihr Spiegelbild in der Fensterscheibe. Er wandte sich um und lächelte.
»Hallo Elvira«, sagte er leise und warm. »Schön, dass du kommst.«
»Was Besonderes, mein Herz?«, erkundigte sich die Frau und gab dem Sprecher einen zarten Kuss auf die Nase. Elvira McArthur und Peter Grennshore waren seit zwei Monaten verlobt. Die reiche Lady, Millionenerbin einer Juwelierfamilie, hatte den gut aussehenden Finanzmagnaten auf einer Yacht bei Marbella kennengelernt. Bei beiden war es, so sagten Eingeweihte, Liebe auf den ersten Blick. Allerdings, da sie vorher ein Techtelmechtel mit dem Waffenhändler Ali Akban ben Melek hatte, dem auch die Yacht gehörte, hatte es beiden nicht nur Freunde eingebracht. Akban war kein Mann, der sich kampflos etwas wegnehmen ließ. Aber die selbstbewusste Elvira McArthur hatte ihm unmissverständlich klar gemacht, dass die Hoffnungen nur auf seiner Seite bestanden hätten.
Dass Grennshore überhaupt auf der Party war, lag daran, dass das Außenministerium manchmal auch mit etwas zwielichtigen Personen Geschäfte machte. Aus rein politischen Vorteilen in gewissen Weltregionen. Schließlich musste auch der Staatshaushalt florieren.
Grennshore zeigte seiner Verlobten die Einladung.
»Von Lady Agathe Simons … na, so was. Ich denke, deine Tante wollte mit dir nichts zu tun haben?«
Der Lord zuckte die Achseln. »Ein alter Streit mit meinem Vater, den sie eine Zeit lang wohl auf mich übertrug. Scheinbar hat sie die Unsinnigkeit eingesehen. Vielleicht will sie über Weihnachten mit mir Versöhnung feiern.«
Elvira McArthur verzog das Gesicht. »Statt in das kalte Cornwall würde ich viel lieber mit dir nach Hawaii fliegen.«
Grennshore lachte leise. »Das können wir doch über Silvester und Neujahr machen.«
»All right, mein Schatz.« Sie gab ihm einen weiteren Kuss. »Ich muss noch in die Stadt. Kannst du mir deinen Wagen leihen? Meiner ist noch zur Inspektion.«
Grennshore nickte und griff die Schlüssel des Ferraris von einem kleinen Schränkchen. »Kein Problem. Ich lasse mich von Ferguson fahren. Wir treffen uns um acht im Marks Inn.«
Elvira nickte.
Nachdem sie das Büro verlassen hatte, warf Grennshore die Einladung auf den modernen Schreibtisch. Dann griff er zum Telefonhörer.
Er tippte eine Nummer ein und wartete. Als der Teilnehmer sich meldete, sagte er: »Ich habe es mir überlegt. Das Geschäft können wir durchführen.«
Der Gesprächsteilnehmer schien zufrieden zu sein. Man wechselte noch ein paar belanglose Worte, dann beendete Grennshore das Gespräch.
Das leise kratzende Geräusch nahm er erst gar nicht wahr. Er widmete sich diversen Tabellen, die auf seinem Schreibtisch lagen, um sie mit einigen anderen Aufzeichnungen zu vergleichen.
Dann sah er das Kästchen auf der Schreibtischecke.
»Holla!«, rief er. »Wo kommt das denn her?«
Das waren seine letzten Worte auf dieser Welt.
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