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Das Buch vom Rübezahl – Teil 2

Das Buch vom Rübezahl
Neu erzählt von H. Kletke
Breslau, 1852

3. Wie Rübezahl mit den Wurzelgräbern verfährt

I

Es war einmal ein Wurzelmann, der allezeit Kräuter und Wurzeln in die Apotheken trug. Dieser Mann wusste den Weg zu Rübezahls Garten, der in einem tiefen Grund liegt, welcher der Teufelsgrund heißt.

Dort hat der Berggeist seine absonderlich schönen Kräuter und Wurzeln, aber kein Mensch bekommt sie, welchem sie Rübezahl nicht gutwillig gibt.

Wollte sie einer gleichwohl durch Gewalt oder Beschwörung erhalten, der müsste seiner Sache sehr sicher sein, wenn ihm Rübezahl nicht den Hals brechen oder sonst großes Unglück zufügen sollte.

Einmal, als jener Mann etliche Wurzeln in die Apotheke nach Liegnitz brachte, ließ ihn die Frau des dortigen Kommandanten zu sich kommen und versprach ihm viel Geld, falls er ihr die rechte Weißwurzel brächte, welche in Rübezahls Garten wächst.

Der Mann verspracht es, machte sich gleich auf den Weg nach Hause und von da in den Teufelsgrund.

Als er eben dabei war, die versprochene Wurzel auszugraben, kam Rübezahl und fragte ihn, was er grabe. Der Wurzelmann entschuldigte sich damit, dass er ein armer Mann sei, viel unerzogene Kinder habe und sie vom Kräuter- und Wurzelsuchen ernähren müsse. Aber der Geist versetzte, dergleichen finde er genug oben im Gebirge und solle ihm seinen Garten in Frieden lassen. Was er gegraben habe, möge er mitnehmen, aber nicht wiederkommen.

Die Frau des Kommandanten, welche die Wurzel gut bezahlte, wollte noch mehr haben. Der Mann also ging zum zweiten Mal hin und grub.

Rübezahl kam wieder und spracht: »Was machst du? Hab ich dir nicht verboten, wiederzukommen, und tust es doch? Geh, sonst wirst du erfahren, was ich mit dir anfange!«

Der Wurzelmann ging, ohne dass ihm ein Leides geschah. Als er die Wurzeln ablieferte, versprach ihm die Frau noch viel mehr Geld, wenn er zum dritten Mal hinginge. Wirklich das Geld verlockte ihn, dass er zum dritten Mal hinging und grub.

Der Geist kam wieder und fragte ihn, was er da mache. Ob er ihm nicht das Wiederkommen verboten habe? Damit nahm ihm Rübezahl die Hacke aus der Hand.

Der Mann war dreist genug, sie wieder zu ergreifen und weiter zu hacken.

Er solle aufhören, rief der Geist, es sei Zeit.

Aber jener kehrte sich an nichts, sondern hackte immer frisch zu. Hierauf entriss ihm Rübezahl die Hacke und warf sie fort.

Als der verblendete Mann aber aufs Neue nach ihr langte, nahm ihn der Geist beim Kopf, führte ihn mit sich in die Luft und zerriss ihn so in Stücke, dass nichts mehr von ihm übrig blieb als ein Pelzärmel.

Diesen hatte sein vierzehnjähriger Sohn, der mit dabei gewesen war, nach Hause gebracht.

 

II

Ähnlich erging es etlichen Wallonen, die im Gebirge nach der Springwurzel suchten. Der Führer, welcher sie dahin geleitete, hatte sie treulich gewarnt, die Springwurzel in Frieden zu lassen, denn der Herr des Gebirges gebe sie keinem, als welchem er wolle.

Sie entgegneten ihm aber, deswegen hätten sie eine weite Reise unternommen und wollten es auf ihre Gefahr wagen.

Er warnte sie nochmals, aber sie folgten ihm nicht, sondern einer von ihn nahm die Hacke. Als er den ersten Hau tat, fiel er stracks nieder, war kohlschwarz und des jähen Todes.

Da erschraken die anderen, begruben ihren Gefährten und begnügten sich damit, nach Edelsteinen zu suchen.

 

III

Ebenso liest man von einem Alchimisten, der aufs Gebirge gekommen war, die rechte Lunariam zu suchen, welche zum Goldmachen sehr dienlich sei. Als er nun im Begriff war, das Gewächs aus der Erde zu heben, sah er plötzlich Rübezahl neben sich stehen, der ihn zornig fragte, was er da zu tun habe. Er solle sich rasch auf den Weg machen und das Kraut stehen lassen, welches er, Rübezahl , für sich allein gebrauche.

So musste er unverrichteter Dinge wieder abziehen, vergaß aber das Wiederkommen nicht und fand sich nach Verlauf eines Jahres zum zweiten Mal dort ein.

Als er an der alten Stelle das Erdreich mit dem Spaten aufzugraben begann, stand alsobald auch Rübezahl bei ihm, ließ ihn hart an und warnte ihn, zum dritten Mal wiederzukommen.

Der Alchimist aber konnte es nicht lassen und begab sich kurz darauf noch einmal in den Teufelsgrund, wobei nicht viel gefehlt hatte, dass ihn der Berggeist diesmal in tausend Stücke zerriss.