Die Gespenster – Dritter Teil – 7. Erzählung
Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Dritter Teil
Siebente Erzählung
Ein Geist wird Spießruten gejagt
Um Weihnachten 1791 starb zu Halle der Böttchermeister H., ein arbeitsamer Bürger und guter Vater von sieben ihm ähnlichen Kindern. Die beiden Jüngsten, ein Sohn von 13 und eine Tochter von 17 Jahren, welche diesen Verlust auf das Schmerzlichste fühlten, blieben mit einem Paar Mietsleuten allein im väterlichen Haus. Nach einiger Zeit erhob sich in der Nacht ein fürchterliches Poltern auf dem Boden; auch warf und stieß es oft an die Türen. Nahe Blutsfreunde beteuerten, dies sei der Vater. Er habe keine Ruhe usw.
Bald danach sprach ein Nachbar zu dem anderen: »Meister H. geht spuken!«
Diese Sage betrübte die gebeugten Kinder noch mehr; nicht, weil sie daran glaubten – denn dazu hatten sie viel zu gesunde Begriffe von ihrem Vater und ihren Lehrern – sondern weil sie ihren rechtschaffenen Vater kindlich geliebt hatten und ihm nicht gern so etwas nachsagen hörten. Doch die beherzte Mietsfrau machte dem Spuken ein Ende. Sie passte dem Poltergeist unbemerkt auf, sprang, als der Lärm abermals begann, mit dem Licht vor die Haustür und rief Nachbarn herbei. Man kam ungesäumt. Dennoch war der Geist bereits verschwunden und alles Durchsuchen vergeblich. Endlich sah noch jemand in den Hofbrunnen und entdeckte zwei Soldaten darin. Einige Unteroffiziere zitierten die Geister bald herauf; der eine zwei, der andere einen Tag Spießruten gejagt. Der Rädelsführer war ein Schwager des Verstorbenen, welcher mit seinem Gehilfen die Kammer der Waisen schon ziemlich ausgeleert hatte.