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Deutsche Märchen und Sagen 131

Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

171. Hecke und Alene

In der Zeit, als noch die Heiden in Brabant waren, wohnte zu Dilbeek, einem zwei Stunden von Brüssel gelegenen Dorf, ein grausamer Heidenkönig, der hieß Hecke, und hatte eine überaus schöne Frau, die er auch innig liebte, und die hieß Alene. Diese hörte eines Tages erzählen von einem Christenprediger, der auf der anderen Seite von Brüssel, im Forst, das Wort Gottes verkündigte. Sie beschloss zur Stunde, einmal den Predigten des Apostels beizuwohnen. Das wurde ihr umso leichter, als ein unterirdischer Gang von ihrem Schloss aus unterhalb Brüssel hinlief und im Forst mündete. Den benutzte sie und begab sich jeglichen Sonntag zu der Christenversammlung. Bald ließ sie sich selbst taufen und mochte nun immer der Messe der Christen beiwohnen.

Es dauerte nicht lange und Herr Hecke hörte von diesen heimlichen Gängen und verbot Frau Alene aufs Allerstrengste, noch nach Forst zu gehen. Sie ließ sich das aber nicht anfechten und setzte ihre Besuche der Christenversammlungen fort, wie sie es früher getan hatte. Als Hecke das erfuhr, passte er ihr eines Sonntages mit einem seiner Vertrauten auf, um sie zurückzuhalten. Alene entschlüpfte ihnen aber und wollte in dem Gang weiterlaufen. Da hob Herr Hecke sein Waffenbeil und schlug ihr den rechten Arm ab. Alene schien den Schmerz nicht zu fühlen und tief weiter und weiter bis nach Forst, wo sie die anderen Christen schon versammelt fand. Als der Priester aber während der heiligen Handlung die Hostie aufheben wollte, da erschienen plötzlich zwei Engel über dem Altar und die brachten Alenes abgehauenen Arm, der sich von selbst wieder zu ihrem Leib fügte, sodass keine Spur einer Verletzung mehr übrig blieb. Als sie zurückkehrend ihrem Gatten begegnete und der das Wunder schaute, da fühlte er sich so sehr ergriffen, dass er ihr zu Füßen fiel und sie um Verzeihung bat.

Wie gern Frau Alene ihm die gewährte, das brauche ich wohl nicht zu sagen. Sie nahm ihn auch mit in die Christenversammlung. Da gefiel es dem rauen Heiden so sehr, dass er sich taufen ließ.

Andere sagen, nicht Herr Hecke, sondern einer seiner Diener, den er dazu abgesandt hatte, habe Frau Alene den Arm abgeschlagen, während sie sich an einen Baum festgeklammerte.

Noch heute nennt man jenen Gang Sinte-Lenes-loop und einen in der Nähe desselben liegenden Born, dessen Wasser als heilkräftig von nah und fern geholt wird, Sinte-Lenes-borre.