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Ein Ostseepirat Band 2 – Kapitel 1

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer Roman
Zweiter Band

I. Eine kleine Jagd

Es gibt nichts Imposanteres, als eine an sich schon pittoreske Gegend, besonders ein Wasser in der Nähe durch Leuchtkugeln der größeren Art, wie sie eigentlich nur zu militärischen Zwecken verwendet werden, erhellt zu sehen.

So klar und genau in ihrem Lichtkreis eine solche Beleuchtung ist, behält sie doch immer noch einen magischen geisterhaften Anflug.

In solcher Weise erschien nun das Kap Dornbusch, massig und drohend. Die Wogen rollten wie eine bewegte Tuchdecke gegen dasselbe an. Am Rand wie auf dem Wasser erkannte man jeden einzelnen Gegenstand.

Fast bis an den Gürtel im Wasser befindlich, stand Wardow mit gezogenem Degen da. Wut und Kampfbegierde lag in seinen Augen ausgedrückt.

Seine etwas wasserscheuen Soldaten standen am Strand, teils ihre Musketen wendend, teils auch zu weiterem Gebrauch in Bereitschaft setzend.

Mit vollen Segeln steuerte der alte Klassen, sein Antlitz trotzdem dem Feind zugewendet, dem Strand näher. Die Seeleute der Schaluppe, einige halb nackt, schauten gleich ihm nach jenen Booten hinüber, die leicht nach Norden glitten.

In dem einen dieser Fahrzeuge stand Jacobson auf der Steuerbucht, einem zürnenden Meergott gleich.

So fast frei in der Luft schwebend, erschien der Bau seines Körpers und seine Haftung fast doppelt so kühn und kräftig als sonst. Sein Blick folgte erst dem Geschoss, wahrscheinlich um zu berechnen, wie lange sein Licht brennen werde, dann fiel er scharf auf den Lotsen und endlich auf den Major. Die Frauen sahen mit Scheu zu dem kühnen Mann empor, der nun mit zitternder tiefer Stimme sagte: »Sie tun Unrecht, Major von der Grieben. Sie werden es bereuen, sich in die Gewalt dieses Knaben zu geben, wie in die der Schweden überhaupt. Sie sind frei, sobald wir den nächsten Strand erreicht haben, wenn es Ihnen beliebt, aber bedenken Sie , was Sie tun!«

»Tun Sie Ihre Schuldigkeit!«, hatte der Major vorhin dem Fähnrich zugerufen und damit gemeint, dass derselbe das Feuer fortsetzen solle, was jedoch nicht geschah. »Ich habe keine Gemeinschaft mit Euch, Herr!«, erklärte der Major heftig auf die Rede des Kapitäns. »Feuer, Wardow, Feuer, solange es noch Licht gibt!«, rief er.

Doch die Kugel sank und erlosch. Rabenschwarze Finsternis trat an die Stelle des Lichtes, Flüche und Kommandos schallten von drüben, in den Piratenbooten war es still. So mochten vielleicht zehn Minuten vergangen sein.

»Holla!«, rief plötzlich der Major über das Wasser hin. »Holla, hierher!«, wiederholte er und andere Stimmen antworteten von hinterwärts.

»Still!«, rief nun Jacobson dem Major zu. »Herr, Sie scheinen einem Edelmut trauen zu wollen, den Sie doch nicht Lust haben, anzuerkennen!«

Der Major antwortete nicht, wohl aber ließ er aufs Neue seine Rufe ertönen. Inzwischen waren einige Boote, welche vermutlich sofort vom Entendorn aus abgelaufen waren, den Piraten in die Flanke gekommen.  Es erfolgten Schüsse von denselben, einzelne Kugeln schlugen gegen die Planken der fliehenden Fahrzeuge.

»Legt euch!«, rief Jacobson, »haltet eure Waffen bereit, Jungen!«

Doch es kam nicht zum Kampf. Die Verfolger hatten wahrscheinlich nicht ganz die Richtung der Flüchtigen aufgenommen. Ihre Boote erreichten den Bug und legten an. »Schafft die Herrschaften schonend hinaus, Männer!«, befahl Jacobson. »Herr Major, ich verzeihe Ihnen, denn jetzt habe ich zu verzeihen. Ich wünsche Ihnen alles Gute und besonders, dass Sie nicht bereuen, mir kein Vertrauen geschenkt zu haben!«

Statt der Antwort ließ der Major von Neuem seine Signalrufe ertönen, während man ihn, seine Gemahlin und die jüngste Tochter an Land trug. Auf den Arm des Kapitäns legte sich indessen eine leichte Hand.

»Ich bleibe!«, flüsterte eine sanfte Stimme.

»Bei Gott!«, erwiderte Jacobson, »doch ich habe es fast erwartet – abgestoßen , Jungen!«

»Clara …!«, ertönte es vom Ufer her, »Clara, Clara, um Gotteswillen, wo bist du!«

Es erfolgte keine Antwort auf diese Rufe und Fragen. Die Boote verschwanden in der Nacht und jammernd blieben die drei Personen am Strand zurück . Doch bald erschienen andere Boote, um sie aufzunehmen.

Wardow zeigte sich bei dieser Gelegenheit in seiner ganzen Ritterlichkeit und schwor, als er hörte, dass Clara dennoch entführt sei, die Beute dem kecken Räuber abzujagen. Drei Boote waren im Ganzen angelangt und in einem derselben sollten der Major und die seinen zurückgebracht werden, die beiden anderen jedoch die Verfolgung fortsetzen.

Mit möglichster Eile wurde alles Nötige verrichtet und Wardow eilte weiter nach Norden, während Grieben südwärts geführt wurde. Eltern und Tochter trafen wieder in ihrem Haus ein; der Major war erzürnt. Am Morgen erschien auch der Junker, man hatte gleich von Anfang die weitere Spur des Piraten verloren.

»Sie werden mir bezeugen!«, sagte der Major immer noch aufgeregt, »dass ich mein Möglichstes getan habe, den verwegenen Freibeuter in Ihre Hände zu liefern!«

»Freilich, freilich, Herr Major!«, entgegnete Wardow, »und ich bin glücklich, es zu können!«

»Melden Sie auch der Kommission, dass ich jetzt zu jeder Auskunft bereit bin!,« fuhr jener eifrig fort, »ich sah ein, dass ich unrecht hatte, ich will mein Benehmen von früher wiedergutmachen!«

Wardow verbeugte sich und versicherte nochmals, alles zu tun, um den Major vor den Folgen der Bekanntschaft mit einem Mann zu schützen, der ja auch ihn sonst an den Rand des Abgrundes gebracht hatte.