Der Langbogen – Mythos Wunderwaffe
Die ältesten bekannten Bögen wurden als Felsbilder und durch einige Funde bei Heath und Holmegard entdeckt. Die Funde werden zwar als Langbögen bezeichnet, haben aber keine Gemeinsamkeit mit dem englischen Langbogen. Erst im 13. Jahrhundert wurde in Westeuropa der Langbogen zur besten und effektivsten Fernkampfwaffe. Da die meisten Fernkampfwaffen von mehreren Leute bedient werden mussten, hatte der Langbogen natürlich den Vorteil, dass er nur von einem einzigen Menschen bedient wurde. Der Einsatz des Langbogens wurde erstmals von dem Engländer im europäischen Mittelalter als Kriegswaffe eingesetzt.
Das beeindruckendste Ereignis war wohl der Sieg der Engländer, die durch das Einsetzen der Langbogenschützen gegen das weit überlegene französische Ritterheer gelang. 1339 fiel König Edward III. mit zahlreichen Rittersöldnern in die Normandie ein, aber die Franzosen vermieden die Entscheidungsschlacht. Auch die Engländer konnten keine Städte einnehmen, sie verwüsteten nur kleinere Dörfer. Mittlerweile hatten die Franzosen imposantes Heer zusammengebracht die sie Edward beim Hügel Crecy entgegenschickten. Die französischen Ritter waren sich des Sieges so sicher, dass ihre eigenen Truppen richtig zu positionieren oder geschweige ihre genuesischen Armbrustschützen vernünftig zum Einsatz zu bringen. 15- bis 16-mal griffen die Franzosen die Engländer an, aber die Langbogenschützen der Engländer schossen die französischen Ritter zusammen. Aber war der Langbogen für den Sieg der Engländer ausschlaggebend, nein das war er nicht. Die Franzosen waren einfach zu überheblich und hatten einfach die falsche Strategie. Der Langbogen wurde zwar seit dieser Schlacht als Wunderwaffe bezeichnet. Und manche behaupteten, ein Langbogenschütze könnte im Kampf Hunderte, wenn nicht sogar Tausende Gegner töten. Andere glauben zudem, dass die Pfeile Kettenhemden und sogar Plattenpanzer durchschlagen, auch wenn das ab und zu geschah. Die meisten Pfeile trafen ihr Ziel nicht, den der Großteil der Bogenschützen waren ungeübt im Umgang mit dem Bogen. Erst durch jahrelanges Üben konnte man richtig mit den Langbogen umgehen, deswegen verzichteten einige Heerführer auf Langbogenschützen in ihrer Armee und setzten nur Arkebusen, eine im Spätmittelalter erfundene Handfeuerwaffe, ein. Dennoch steht fest, dass der Langbogen zu seiner Zeit eine sehr effektive Waffe war.
Im Jahre 1590 verteidigte der englische Adlige Sir John Smythe den Nutzen des Langbogens gegenüber den Feuerwaffen. Denn der Bogen brauchte keinen Mechanismus wie die Arkebusen und Musketen, um abgefeuert zu werden, die häufig den Dienst versagten. Smythe wies darauf hin, dass ein Bogen über keinen Mechanismus verfügt, versagen könnte. Auch die Feuerrate des Bogens sei im Vergleich zu Feuerwaffen besser. Aber das sollte sich bald ändern. Mitte des 17. Jahrhunderts wurde noch im englischen Bürgerkrieg der Langbogen verwendet, aber der Siegeszug der Musketen war nicht mehr aufzuhalten. Dann wurde der Langbogen endgültig verdrängt. Denn die Musketen erreichten eine höhere Feuerkraft und konnten Panzerungen leichter durchschlagen.
Achim Reutlinger
Bauanleitung
Notwendiges Werkzeug:
- Werkbank oder fest montierter Schraubstock
- Ziehmesser
- grobe und mittlere, flachrunde Raspel
- Rundfeile 4 mm Durchmesser
- Ziehklinge oder scharfes Messer
- Schleifpapier diverser Körnungen
- Stahlwolle
- Handhobel
Holzauswahl:
Für das erste Mal wäre mein Vorschlag, es mit Esche zu versuchen. Besonders geeignet ist ein Stamm von ca. 15 cm Durchmesser. Esche und auch Ulme sind ringporige Hölzer. Das heißt, die Poren konzentrieren sich im Frühholzring, dem ein Spätholzring mit wesentlich festerem Material folgt.
Wichtig bei der Holzauswahl: Wenn möglich nehme man einen Stamm mit breiten Spätholzringen. Dies ist leicht an der Schnittfläche zu erkennen. (Skizze 1)
Die sogenannten Gras-Eschen, Standort freies Feld oder Waldrand, bieten die bessere Auswahl als Wald-Eschen. Wenn kein Stammholz zu bekommen ist, besorge man sich im Holzhandel eine Kernbohle, mindestens 50mm stark. (Skizze 2)
Behandlung des Stammes:
Nachdem man einen schönen, geraden, astfreien Stamm von etwa 2 m Länge bekommen hat, sollte man ihn sofort entrinden.
Dies sollte recht vorsichtig gemacht werden.
Da die oberste Holzschicht schon den Bogenrücken darstellt, der dann unter Zugbelastung steht, darf sie auf keinen Fall beschädigt werden!
Am besten nimmt man mit dem Ziehmesser nur das Gröbste der Rinde weg und schabt dann mit dem Messer den Rest vorsichtig ab.
Spalten und Lagerung:
Aus einem Stamm von 15 cm Durchmesser kann man bei optimalem Wuchs 4 Bögen machen.
Also vierteln wir ihn. Hierzu wird ein möglichst breiter Keil mittig in das Hirnholz (Schnittfläche) getrieben.
In den entstandenen Spalt schlagen wir von der Seite, fortlaufend wechselseitig weitere Keile ein. Da Esche sehr leicht und glatt spaltet, kommt man in der Regel mit 2 Keilen aus. Auf gleiche Art spaltet man nun die erhaltenen Hälften.
Nun spannt man die Viertel in den Schraubstock. Einzeln, versteht sich. Hierbei lege man immer ein Brettchen Weichholz zwischen Außenseite des Stammes und Schraubstockbacken, um den äußersten Jahresring nicht zu verletzen.
Wir ziehen nun mit dem Ziehmesser die scharfen Kanten des dreieckigen Viertels ab, und zwar so, dass hier neue Flächen von 2-3 cm Breite entstehen ( Skizze 4). Nun werden die Enden und die Hirnfläche mit Holzleim eingestrichen, etwa 5 cm breit. Wenn man so einen Stab etwa ein halbes Jahr lang in der Wohnung lagert, ist er in der Regel trocken genug. Man kann die Feuchtigkeit auch von einem Tischler messen lassen. Der Stab sollte 9-11% Feuchtigkeit haben.
Der Bogen:
Der Einfachheit halber bauen wir einen flachen, geraden Bogen mit steifem Griff.
Ist der Stab trocken genug, längen wir ihn auf 1,80 m ab. Es ist möglich, einen wesentlich kürzeren Bogen zu bauen, aber zu Anfang ist eine längere Bauart einfacher.
Mit einem geraden Strich von einem Ende zum anderen markieren wir nun die Längsmitte des Stabes auf der Außenseite.
Jetzt zeichnen wir die Umrisse wie auf Skizze 5 gezeigt.
Den Griff platziert man zu ¾ unterhalb der Stabmitte, ¼ über der Mitte.
Nun wird mit dem Ziehmesser, Hobel und Raspel von den Seiten des Stabes Holz abgenommen, bis zu den aufgezeichneten Linien.
Sorgfältig werden die Seiten mit einem Messer glatt gezogen, zum Bogenrücken hin leicht gerundet und sauber geschliffen. Man arbeite immer vom Griff zum Ende des Wurfarms, da in entgegengesetzter Richtung schneidendes Werkzeug in den Bogen schneiden würde.
Auf die entstandenen seitlichen Flächen zeichnet man nun die Profilansicht des Bogens, wie auf Skizze 6 ersichtlich.
Nun arbeite man auf diese Linie hin, in gleicher Weise wie an den Seiten. Wir haben jetzt einen Bogenrohling und nun beginnt die eigentliche Arbeit.
Da Holz nicht am Lineal wächst, ist es äußerst wichtig, dass die Bogeninnenfläche, der Bauch, jeder Unregelmäßigkeit auf dem Bogenrücken folgt.
Sonst entstehen dickere, steifere Zonen. Die Verdünnung zu den Tipps (Enden der Wurfarme) muss absolut gleichmäßig sein, um eine ebenmäßige Biegung zu erreichen. Nun können wir an den Tipps (Skizze 7) mit einer kleinen Rundfeile die Sehnenkerben anbringen.
Das Tillern, die hohe Kunst:
So, nun fängt die eigentliche Arbeit an. Blut, Schweiß und Tränen – für Euch, und auch für mich schreibenderweise, da präzise Anweisungen in diesem Bereich sehr schwierig sind.
Die Arbeit, die der Wurfarm leistet, ist nämlich nicht gleichmäßig. Der Wurfarm soll sich ebenmäßig biegen, aber nicht in einem Kreisbogen, sondern in einem elliptischen Bogen.
Das heißt: Der Bogen betont sich vom Griff ausgehend zu den Tipps, aber die letzten 10 cm sollten nahezu steif sein. Zudem stehen die Wurfarme in einem ganz spezifischen Ungleichgewicht zueinander.
Der untere Wurfarm muss nämlich geringfügig steifer sein.
So, das ist es, was wir wollen. Nur, wie kommen wir dahin? Der Stab, wie er jetzt ist, wird mit Sicherheit noch zu steif sein.
Trotzdem, zum Antesten, nehmen wir die Mitte eines Wurfarms in die linke Hand und stellen das andere Ende neben den rechten Fuß. Die rechte Hand nimmt den Griff und drückt den Bogen etwas durch. Wahrscheinlich tut sich nicht viel, aber wenn man am Wurfarm entlangpeilt, sieht man vielleicht schon eine leichte Biegung.
Nun den Bogen umdrehen und den anderen Wurfarm beobachten. Möglicherweise fühlt sich einer härter an als der andere. Wenn dem so ist, fangen wir mit dem härteren Wurfarm an.
Man nehme mit der Raspel von der Innenseite, dem Bauch, etwas an Stärke ab. Immer schön gleichmäßig. Und wieder den Durchdrücktest.
Die Biegung soll sich ebenmäßig über den Wurfarm verteilen, schwächer am Griff, stärker weiter unten, steif am Tipp.
Wenn man das Gefühl hat — es ist leider nicht genauer zu sagen –, dass die Wurfarme in einem ungefähren Gleichgewicht sind, kommt der nächste Schritt.
Erstes Aufspannen:
Man nehme eine Sehne, die gleichlang wie der Bogen ist, oder geringfügig länger, und hänge sie in die Kerben. Nun stelle man sich vor einen Spiegel und ziehe etwas an, während man den Bogen im Spiegel, oder zur Not auch direkt, beobachtet.
Eine weitere Möglichkeit ist es auch, den Bogen waagrecht an den Körper zu nehmen und die Sehne vom Körper weg zu drücken.
In diesem Stadium sollte der Bogen nie über die spätere Standhöhe hinaus gebogen werden.
Sind Unregelmäßigkeiten (schwache Bereiche, ein Knick in der Biegung) zu beobachten, markiere man diese mit einem Bleistift.
Nun nehme man links und rechts dieser Zonen etwas Holz weg – immer vom Bauch des Bogens, so, dass sich nach mehrmaligem Beobachten die Biegung ebenmäßig verteilt. Anschließend gleicht man den anderen Wurfarm an.
Wenn man nun meint, der Bogen sei weich genug zum erstmaligen Spannen, so tue man dies mit einer Sehne, die ihn auf etwa 1/3 bis 1/2 der späteren Spannhöhe bringt (entspricht 5 – 7 cm). Danach die jeweilige Mitte der Wurfarme markieren.
Es gibt dabei zwei Dinge, die man beachten muss. Zum einen: Wie verhalten sich die Biegungen der Wurfarme zueinander? Zum anderen: Wo steht die Sehne?
Problemanalyse
Wenn die Sehne nicht mittig hinter dem Griffstück liegt, so muss man feststellen, woran es liegt. Hierzu peile man über den Bogenrücken, um zu sehen, ob die Wurfarme oder einer von ihnen eine Verdrehung aufweist.
Wenn dem so ist, heißt das, dass dieser Wurfarm auf der Seite, zu der er sich neigt, schwächer ist. Dann muss man ihn auf seiner steiferen Seite schwächen, indem man dort Holz entfernt.
Aber immer vom Bauch des Bogens und immer nur wenig!
Bedenkt, dass ein Entfernen von Material sich nicht sofort auswirkt, sondern erst nachdem man ein paar Mal gezogen hat – gleich auch in die Richtung, in welche die Sehne wandern soll.
Natürlich nicht gleich voller Auszug, sondern vielleicht ein Drittel höchstens.
Oft reicht es schon aus, die Kerben auf der Seite, zu der sich die Sehne neigt, zu vertiefen.
Die oben beschriebene Methode muss man auch nicht sofort anwenden, sondern in Kombination mit dem folgenden weiteren Tillern.
Vergleichen, Wegnehmen …
Zu allererst vergleiche man jetzt die beiden Wurfarme. Ist einer wesentlich steifer als der andere, so nehme man etwas Holz vom Bauch des steiferen Wurfarms weg. Sind sie in einem ungefähren Gleichgewicht, werden jetzt die Abstände zwischen Sehne und Wurfarmmitte gemessen.
Es muss im Weiteren daraufhin gearbeitet werden, dass dieser Abstand beim oberen Wurfarm etwa 5mm größer ist. Man beobachte auch den ebenmäßigen Verlauf der Biegung und korrigiere Abweichungen in der schon vorher beschriebenen Weise.
Nun wird der Bogen 15-20 Mal etwa zu einem Drittel gezogen, wobei die Biegung sehr genau beobachtet werden muss, ob sich eventuell steifere oder schwächere Zonen zeigen.
Wenn solche auftauchen, müssen sie sofort korrigiert werden. Auch immer wieder die Sehnenabstände kontrollieren.
Schön vorsichtig …
Ab diesem Stadium sollte man mit der Raspel sehr vorsichtig umgehen, nur noch den Bogen streicheln. Noch besser, man fängt an, mit einer Ziehklinge oder einem Messer schabenderweise feine Späne abzuziehen. Was auch dazu gut ist, den Bogen von den Raspelspuren zu glätten.
Immer bedenken, dass sich eine Abnahme von Material nicht sofort auswirkt, sondern erst, wenn man ein paar Mal gezogen hat. Also, immer schön vorsichtig abnehmen, ziehen, beobachten, Sehnenstände messen, korrigieren.
Zuggewicht:
So langsam können wir auch von Zuggewichten reden. Ich finde es beim ersten Bogen nicht so wichtig, ein bestimmtes zu erreichen, sondern dass der Bogen funktioniert. Trotzdem sollte man darauf achten, beim Ziehen nie über das angepeilte Gewicht hinaus zu ziehen. Wenn die Biegung ebenmäßig ist, die Sehnenstände stimmen und das Zuggewicht passend erscheint, kann man nun immer weiter ausziehen. Und immer schön kontrollieren und korrigieren.
Man kann auch jemand anderen ziehen lassen, um besser beobachten zu können, wenn man es denn über sich bringt, den Bogen aus der Hand zu geben. Man sollte auch mal die Sehne abnehmen, um den Bogen auf vielleicht punktuell betontes Stringfollow zu kontrollieren, und gegebenenfalls korrigieren, indem man diese Stelle entlastet.
Wenn dann bei halbem Sehnenstand der volle Auszug erreicht ist (ca. 27 bis 28 Zoll = 67-70 cm), und der Bogen soweit stimmt, sollte man einige Pfeile schießen. Und wieder messen, beobachten, Korrekturen vornehmen.
Wahrscheinlich mault mittlerweile der Partner, die Kinder rasen, der Hund wimmert nur noch in leiser Verzweiflung und die Nerven kreischen.
Aber es ist noch nicht vollbracht. Noch muss in derselben qualvollen Allmählichkeit der Sehnenstand auf seine endgültige Höhe gebracht werden.
Zum Sehnenstand:
Ich spanne meine Holzbögen in der Regel etwas niedriger als es bei glasbelegten Bögen üblich ist. Dies erspart dem Bogen Stress, er lässt sich weicher ziehen und er wird durch einen längeren Schubweg schneller.
Nachteil ist, dass man viel genauer auf den Spinewert der Pfeile achten muss, und dass sich Ablassfehler stärker auswirken. Meine Empfehlung ist bei diesem Bogen ein Sehnenstand von höchstens 15 cm.
Skizze 8
Feinschliff
Nun kann man daran gehen, das Kunstwerk mit Schleifpapier und Stahlwolle zu glätten. Es darf keine scharfen Kanten geben, da sich darin Spannungen konzentrieren, zudem sind sie stoßempfindlich, und dies kann zu Beschädigungen führen.
Insbesondere im Bereich der Sehnenkerben muss alles absolut rund und glatt sein. Eine gerissene Sehne ist fast gleichbedeutend mit einem gebrochenen Bogen.
Zum Finish gibt es eine reiche Auswahl an guten Lacken und Ölen. Ich nehme meistens einfach nur Leinölfirnis in mehreren Anwendungen.
Von Wachsen würde ich abraten, da Wachse doch recht wasserempfindlich sind.
NUN DENN, GUTES GELINGEN.
Euer Jorge Zschieschang
Mehr über den Langbogen gibt es unter www.langbogen.net.
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