Romantruhe-Western Band 46
C. C. Slaterman
Romantruhe-Western Band 46
Ein Revolver für die Rache
Western, Paperback, Romantruhe, Kerpen-Türnich, Januar 2020, 64 Seiten, 4,95 Euro, Titelbild: Romantruhe-Archiv
www.romantruhe.de
Kurzinhalt:
Aus und vorbei!
Kalter Schweiß perlte auf seiner Stirn, als er in die kreisrunde Mündung des Revolvers starrte.
Es mutete ihn wie eine Ironie des Schicksals an, dass er ausgerechnet in einer Kirche am Ende seines Regenbogens angelangt war.
Das war’s, dachte er noch, als die grellrote Mündungsflamme auf ihn zuraste.
Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen und seine Haltung versteifte sich in Erwartung der einschlagenden Kugel.
Aber nichts geschah.
Überhaupt nichts!
Kein brennender Schmerz, kein Blut, keine Dunkelheit, die ihn umgab, absolut nichts. …
Leseprobe
Das Kalenderblatt zeigte den letzten Tag im Oktober an, als Crown nach Tascosa kam.
Schnee lag auf den braunen Hügeln des Landes und so mancher umliegende Fluss und Bach war bereits zugefroren. Die Luft war kalt und klar und der Wind, der von Norden kam, für die Jahreszeit ungewöhnlich frostig. Es hatte den Anschein, als ob der Winter einen ersten Versuch unternahm, das Land in seinen eisigen Würgegriff zu bekommen.
Vorsichtig lenkte Jim sein Pferd über den gefrorenen Boden der Main Street. Vor dem Mietstall stieg er ab und führte den Braunen auf das halb geöffnete Tor zu, wo ihm ein dürrer Stallbursche das Tier abnahm.
Nachdem sie einige Worte gewechselt hatten, drückte Jim dem Mann ein paar Münzen in die Hand und stampfte dann weiter über den Stepwalk, bis er vor einem der zahllosen Saloons stehen blieb.
Bevor er eintrat, huschten seine Blicke noch einmal wachsam umher.
Das hektische Viehgeschäft war seit Anfang des Monats zu Ende und würde erst wieder Mitte März beginnen. Deshalb waren an diesem Morgen die Straßen in der Rinderhauptstadt des Panhandels auch wie leer gefegt. Die meisten der Saloons, Tanzbuden und Spielhallen waren geschlossen und die Stadt wirkte dadurch irgendwie verlassen und trostlos.
Außer einem grauhaarigen Anzugträger, der mit schnellen Schritten auf die Eingangstür der Bank zueilte, und zwei älteren Frauen mit Einkaufskörben war niemand zu sehen.
Jim nickte zufrieden und ging in den Saloon.
Die Schwingarme der Tür pendelten hinter ihm hin und her, als er durch den einfach eingerichteten Gastraum schritt. Die Wärme des bullernden Kanonenofens, der in der Mitte des Saloons stand, trieb ihm den Schweiß auf die Stirn und ließ ihn instinktiv die schwere Mackinaw-Jacke aufknöpfen.
An den Tischen saßen lediglich zwei ältere Männer, die ihm grüßend entgegennickten, und hinter der Theke stand ein glatzköpfiger Fettkloß, der gelangweilt ein Glas abtrocknete, das er soeben aus dem Spülbecken gezogen hatte. Von Hochbetrieb konnte keine Rede sein, aber das verwunderte Crown auch nicht, es war schließlich erst kurz vor zehn und draußen war es arschkalt.
Er erwiderte die Grüße der Männer mit einem knappen Kopfnicken und trat an den Tresen.
»Hallo Fremder«, sagte der Keeper, dessen gleichgültig wirkendes Gesicht sich beim Anblick des Neuankömmlings mit einem geschäftstüchtigen Lächeln überzog. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich hätte gerne etwas Warmes zu trinken und ein Zimmer, wenn Sie eines haben. Aber bitte ein sauberes, ich zahl auch gerne etwas mehr. Ich habe nämlich so langsam die Nase voll von den Wanzenbuden, die man mir ständig anbietet.«
Der Keeper nickte, langte hinter sich und stellte einen verbeulten Zinkbecher auf den Tresen.
»Kein Problem, ich kann mit beidem dienen. Mein Spezialkaffee taut selbst einen Eiszapfen auf und unsere Zimmer sind dank meiner Frau so sauber, dass Sie dort sogar vom Fußboden essen können.«
Crown musterte den Keeper mit einem skeptischen Blick.
Das Geschirrtuch, mit dem er bis gerade eben das Glas abgetrocknet hatte, strafte seine Worte jedenfalls Lügen.
»Da haben Sie aber Glück«, sagte der Salooner, während er den Becher bis zur Hälfte mit dampfenden Kaffee füllte, Milch und Zucker hineingab und den Rest mit Whisky aufgoss.
»Normalerweise sind wir um diese Jahreszeit immer ausgebucht, aber wie es der Zufall will, ist gestern etwas frei geworden.«
So, so, dachte Crown und nickte freudlos.
Er nahm den Becher in beide Hände und wärmte sich die Finger daran.
»Ich komme aus Channing«, sagte er nach einer Weile. »Dort hat man mir gesagt, dass ich hier einen Mann namens Kane finden kann. Mike Kane, kennen Sie ihn?«
Die Augen seines glatzköpfigen Gegenübers verengten sich jäh.
»Nein«, sage der Keeper schnell.
Zu schnell für Crowns Geschmack.
»Diesen Namen habe ich noch nie gehört.«
»Verstehe«, erwiderte Crown und zog einen Zehndollarschein aus seiner Tasche.
Der Salooner schob das Geld ein und holte unter der Theke einen Schlüssel hervor.
Einen Moment lang huschten seine Blicke nervös durch den Schankraum.
»Am besten, Sie gehen jetzt auf Ihr Zimmer. Es hat die Nummer vier, zweite Tür links, oben auf dem Gang. Ich werde solange sehen, was ich machen kann.«
»Bis wann erfahre ich dann etwas?«
»Heute Abend, schätze so gegen acht oder neun. Dann haben die ersten hier schon so viel intus, dass sie eher was ausplaudern. Wenn sie nüchtern sind, erfahre ich da gar nichts.«
Crown nickte, trank seinen Becher leer und ging dann durch den Saloon die Treppe hoch, die zu den Zimmern hinaufführte.
Nummer vier entpuppte sich als eine schmale, spärlich möblierte Kammer, die aber überraschenderweise sehr sauber war. Der Mann hatte wirklich nicht zu viel versprochen.
Der Fußboden war erst vor Kurzem gefegt und nass gewischt worden. Das Bett war neu überzogen und das Wasser in der Keramikkanne, die zusammen mit der Waschschüssel auf dem Nachttisch stand, frisch und klar.
Außerdem war es hier drinnen angenehm warm.
Dass die restliche Einrichtung lediglich nur noch durch einen Stuhl komplettiert wurde, war ihm egal, mehr brauchte es auch nicht.
Als Platz zum Schlafen reichte die Kammer allemal.
Crown nahm den Waffengurt ab, nachdem er seinen Revolver unter das Kopfkissen gelegt hatte, zog Kleider und Stiefel aus und ließ sich einfach auf das Bett fallen.
Er hatte einen zehnstündigen Ritt hinter sich und in der warmen Kammer machten sich der fehlende Schlaf und der lange Aufenthalt in der Kälte rasch bemerkbar. Der süße, heiße Kaffee, der fast zur Hälfte aus Whisky bestanden hatte, tat ein Übriges dazu.
Er hatte den Kopf kaum zur Seite gedreht, als er eine Sekunde später auch schon eingeschlafen war.
Er wurde erst wieder wach, als es draußen bereits dunkel wurde. Der Lärm, der aus dem Schankraum zu ihm hoch drang, hatte ihn geweckt.
Crown streckte sich, gähnte und schwang seine Beine aus dem Bett.
Nachdem er mit dem Ankleiden fertig war, griff er nach seiner Jacke, die er, bevor er eingeschlafen war, über den Stuhl gehängt hatte, und wollte das Zimmer verlassen.
Aber dazu kam es nicht mehr.
Weil er im Vorbeigehen nicht hinsah, wohin er griff, erwischte er die Jacke am falschen Ende und sein Marshalsstern, den er in die Innentasche gesteckt hatte, weil er es für besser hielt, wenn die Leute vorläufig noch nicht wussten, dass er ein Vertreter des Gesetzes war, fiel mit einem leisen Pling zu Boden und schlitterte unter das Bett.
Jim verschluckte einen Fluch, der wahrscheinlich sogar einem Maultiertreiber die Schamröte ins Gesicht getrieben hätte, ging auf die Knie und bückte sich.
Er ahnte nicht, dass ihm genau diese Bewegung das Leben retten sollte. Im selben Moment, in dem er den Stern unter dem Bett ertastet hatte und sich seine Finger um das wappenförmige Abzeichen legten, schien die kleine Kammer förmlich zu explodieren.
*
Die Tür flog auf und donnerte mit der Wucht einer Kanonenkugel an die dahinterliegende Wand.
Putz rieselte zu Boden.
Eine schreiende Gestalt erschien im Türrahmen, zwei Colts in den Händen.
Grellrote Mündungsfeuer blitzten an der Hüfte des Unbekannten auf. Der Kerl feuerte aus allen Rohren, aber seine Kugeln gingen trotz der Enge der Kammer alle fehl.
Fauchend zischten sie über das Bett hinweg und klatschten wirkungslos in die dahinterliegende Wand.
Crown, der sich inzwischen unter dem Bett hervorgewälzt hatte, jagte ohne zu überlegen sofort eine Kugel in den dunklen Türrahmen. Doch der Schütze war schon längst abgetaucht. Das Trappeln seiner Schritte zeigte Jim auf, dass sein Ziel bereits wieder auf dem Weg nach draußen war.
Fluchend richtete er sich auf und hastete zum Fenster.
Obwohl die Straßen durch das fahle Licht der umliegenden Häuser nur spärlich ausgeleuchtet wurden, konnte er deutlich die Umrisse einer schmalen Gestalt erkennen, die wie ein Kastenteufel über die Main Street sprang.
Crown stieß einen zweiten, ungleich wilderen Fluch aus, zertrümmerte mit dem Lauf seines 45ers das Fenster und jagte dem Flüchtenden eine weitere Kugel hinterher.
Als der Unbekannte daraufhin zusammenzuckte und nach links in eine dunkle Seitengasse taumelte, wusste Crown, dass seine Kugel trotz der Dunkelheit ihr Ziel gefunden hatte.
»Na warte, du verdammter Bastard«, grunzte er und brach ungestüm durch die zerschossene Fensterscheibe seines Hotelzimmers.
Crown landete in einem Regen aus Glas auf der umlaufenden Veranda des zweiten Stocks, flankte mit einem Satz über das Geländer und sprang in die Tiefe.
Obwohl der Boden fast zwei Handbreit hoch mit Schnee bedeckt war, trieb ihm der Aufprall dennoch beinahe alle Luft aus den Lungen. Ein stechender Schmerz schoss durch seine Schulter, während er sich abrollte.
Mach jetzt bloß nicht schlapp, hämmerte sich Jim ein, indes er wieder auf die Beine kam.
Dann hetzte er los.
Er hatte gesehen, wie der Verfolgte mühsam um eine Häuserecke gehumpelt war.
Crown wusste, dass sich dahinter eine schmale Gasse befand, die direkt auf den Bahnhof zulief. Es war eine Angewohnheit von ihm, sich in jeder Stadt, in der er sich einquartierte, sich zunächst einmal umzusehen.
Das unübersichtliche Gelände war seit dem Ende der Viehsaison verlassen.
Leer stehende Eisenbahnwaggons, verwaiste Silos und ein Gewirr aus unbenutzten Lagerschuppen bildeten inmitten der umlaufenden Gleise Schutz vor unliebsamen Verfolgern.
Jim biss ob der schmerzenden Schulter die Zähne zusammen und rannte los.
Schon nach wenigen Augenblicken erkannte er vor sich in der Dunkelheit die Umrisse des Fliehenden.
»Bleib stehen, du Bastard!«, brüllte Crown.
Der Unbekannte lachte wild, wirbelte herum und feuerte aus der Hüfte heraus.
Seine Kugeln pflügten neben Crown tiefe Furchen in den schneebedeckten Boden. Jim war erfahren genug, um zu wissen, dass es bei diesen Lichtverhältnissen und der Entfernung nicht auf schnelles, sondern auf sicheres Schießen ankam. Ein übereilter Schuss brachte höchstens einen Zufallstreffer ein. Deshalb blieb er einfach stehen, zielte und zog erst dann den Abzug seines 45er Colts durch.
Der Mann warf die Arme in die Luft und fiel schreiend auf den Rücken.
Einen Moment später war Jim bei ihm und stieß seine Waffe mit einem Fußtritt zur Seite.
Unnötig, wie er gleich darauf erkannte.
Seine Kugel hatte nur zu gut getroffen.
Der Mann lag bereits im Sterben, als er neben ihm in die Knie ging.
»Warum?«, fragte Crown.
»Fahr zur Hölle«, zischte der Schwerverletzte, während ein konvulsivisches Zucken durch seinen Körper lief.
Erst jetzt erkannte Crown, wer da vor ihm lag.
Er hatte das Gesicht damals nur für die Dauer eines Herzschlags gesehen, aber das reichte. Er hatte keines der Gesichter vergessen, die ihm so viel Leid und Schmerz zugefügt hatten.
»Kane?«
»Yeah, du verfluchter Hund. Jetzt hast du auch mich erwischt«, fauchte Mike Kane und bäumte sich auf. »Aber freu dich nicht zu früh. Bisher hast du nur Glück gehabt, aber irgendwann kommt der Tag, an dem dich einer meiner Brüder abknallen wird wie einen tollen Hund.«
»Woher hast du gewusst, wo du mich finden kannst?«
Kane lachte gequält.
»Alles auf dieser Welt hat seinen Preis. Deine zehn Dollar waren nicht genug. Als ich Fuller das Doppelte geboten habe, hat der Keeper angefangen, wie ein Vogel zu singen. Ich …«
Was Kane sonst noch sagen wollte, sollte für immer sein Geheimnis bleiben. Sein Kopf fiel jäh zur Seite und seine Gestalt erschlaffte.
Als Jim den dünnen Blutfaden sah, der aus seinem Mundwinkel lief, wusste er, dass dem Mann nicht mehr zu helfen war. Obwohl er soeben einen der Männer getötet hatte, die für Lindas Tod verantwortlich waren, fühlte er weder Triumph noch Genugtuung in sich, sondern nur eine endlose Leere und Bitterkeit.
Inzwischen wurden hinter ihm auf der Main Street Stimmen laut.
Männer fluchten, eine Frau kreischte und irgendjemand schrie nach dem Sheriff.
Crown richtete sich auf und stampfte, zornig bis in die Stiefel hinein, in den Saloon zurück.