Romantruhe-Western Band 45
C. C. Slaterman
Romantruhe-Western Band 45
Verfluchtes Gold
Western, Paperback, Romantruhe, Kerpen-Türnich, Dezember 2019, 64 Seiten, 4,95 Euro, Titelbild: Romantruhe-Archiv
www.romantruhe.de
Kurzinhalt:
Cap Rock, Texas, Oktober 1873
»Wir sind da, dort oben muss es sein!«
Die beiden Goldgräber, die an diesem nasskalten Herbstmorgen am Fuß der östlichen Cap Rocks verharrten, hätten nicht unterschiedlicher sein können. Der Ältere von ihnen war ein untersetzter, bullig wirkender Mann, dem man deutlich ansah, dass er den größten Teil seines bisherigen Lebens im Freien verbracht hatte …
Leseprobe
Wind und Wetter hatten im Lauf der Jahrtausende unzählige Spalten, Einbuchtungen und Höhlen in den Kalk hineingefressen, die aufgrund des weichen Gesteins zum Teil schon mehrfach wieder in sich zusammengefallen waren.
»Hier muss es sein«, sagte Edward Paine.
»Bist du sicher?«, erwiderte Angus angesichts der zerklüfteten Felswand skeptisch. »Ich sehe hier nichts außer Felsen und Sand.«
Paine nickte bitter. »Kein Wunder, du hast in letzter Zeit ja auch außer Saufen und Ficken nichts anderes mehr im Kopf.«
»Was soll das?«, schnaubte der Rotschopf. »Wir sind die letzten vier Monate Tag und Nacht wie die Ziegen in den Bergen herumgeklettert. Ohne Schnaps, ohne Tabak und ohne Weiber. Verdammt Paine, ich bin ein Mann und da ist es nur normal, dass man an solche Sachen denkt. Was hätte ich denn deiner Meinung nach sonst immer machen sollen! Sarsaparillatee1 trinken und in der Bibel lesen?«
»Nein«, widersprach Paine. »Aber vielleicht mal zuhören, wenn ich versuchte, dir etwas zu erklären.«
»Warum soll ich mir darüber den Kopf zerbrechen? Es wird doch sowieso das gemacht, was du sagst. Du bist der Boss von uns beiden, ich habe damit kein Problem. Im Gegenteil, ich bin damit bisher immer gut gefahren.«
Paine zuckte genervt mit den Schultern. »Wenn du es von der Seite siehst, warum fragst du mich dann, ob ich sicher bin?«
»Weil … weil«, stammelte O’Shea und winkte schließlich ab. »Ach, vergiss es einfach.«
Paine schüttelte den Kopf und machte sich an seinen Satteltaschen zu schaffen. Als er sich wieder umdrehte, hielt er einen kleinen Pickel, eine Petroleumlampe und ein Seil in den Händen.
»Was hast du vor?«
»Wenn du mir gestern zugehört hättest, würdest du wissen, was jetzt kommt. Aber das hast du ja mal wieder nicht. Also halt die Schnauze und komm mit. Es kann nämlich sein, dass ich dich brauche.«
Der Rothaarige verzog das Gesicht und folgte ihm eingeschnappt.
Kurz darauf blieb Paine unvermittelt stehen.
Ohne sich nach seinem Partner umzudrehen, deutete er auf einen schmalen Höhleneingang. Der dunkle Spalt sah von Weitem wie eine klaffende Wunde in der Felswand aus. Paine trat heran, riss mit dem Daumennagel ein Streichholz an und hielt die Flamme an den Docht der Petroleumleuchte.
In der gleichen Sekunde wurde es hell. Als Paine die Lampe in den Spalt hineinstreckte, durchschnitt ihr greller Schein die dahinter liegende Dunkelheit wie ein Lichtschwert.
»Allmächtiger!«, sagte er, nachdem sie die Höhle betreten hatten und er mit der Lampe das Innere ausleuchtete. »Ich hätte nicht gedacht, dass die Höhle so groß ist. Das sieht man ihr von außen gar nicht an.«
»So groß ist sie nun auch wieder nicht«, behauptete sein Partner. »Da hinten scheint sie ja schon wieder zu Ende zu sein.«
»Täusch dich nicht. So, wie es aussieht, scheint es dort einen Gang zu geben, der weiter in den Berg hineinführt. Also los, binden wir uns die Seilenden um den Bauch.«
»Wofür soll das jetzt wieder gut sein?«
Paine schüttelte den Kopf und seufzte. »Was glaubst du wohl, was passiert, wenn einer von uns dahinten in ein verdecktes Erdloch fällt oder in eine Felsspalte stürzt. Wie soll ihn der andere da wieder herausholen? Fliegen kann keiner von uns, soll er ihn liegen lassen? Verdammt Angus, sind wir Partner oder nicht?«
Betroffen senkte der Rothaarige den Blick. »Sorry, an so etwas habe ich gar nicht gedacht.«
»Das habe ich beinahe vermutet. Aber jetzt weißt du wenigstens auch, warum ich der Boss von uns beiden bin. Doch jetzt genug geredet, binde dir das Seil um und dann lass uns in den Gang hinein gehen.«
»Warum glaubst du, dass wir ausgerechnet hier Gold finden?«
»Ganz einfach, ich habe mich in den letzten Jahren so lange mit den Legenden und Überlieferungen der Indianer beschäftigt, dass ich sie fast auswendig kann, und sie erzählen alle die gleiche Geschichte. Es muss hier irgendwo Gold geben, und da wir in den letzten Monaten fast alle Höhlen und Spalten dieser Gegend durchkämmt haben, bleibt bloß noch dieser Teil der Berge übrig. Und soll ich dir was sagen? Je länger wir hier stehen, umso sicherer bin ich, dass es hier tatsächlich Gold gibt!«
»Dann los«, keuchte O’Shea erregt, nachdem er sich das Seil um den Leib geknotet hatte. »Suchen wir es!«
Der Gang entpuppte sich als ein niedriger, röhrenartiger Tunnel, der sich schlangengleich in den Berg hineinwand.
Paine, der vorauslief, nahm die Lampe hoch und ließ das Licht vor sich über den Boden wandern, um einen Fehltritt zu vermeiden, der ihnen hier, wenn sie Pech hatten, das Leben kosten konnte. Der gelbe Schein der Flamme geisterte über die dunklen Felsen und zauberte zuckende Schatten an die Wände. Während sie vorsichtig weitergingen, redeten die Männer ständig davon, was sie mit dem Gold alles anstellen wollten. Aber die Kälte, die mit jedem weiteren Schritt in ihre feuchten Kleider kroch, ließ sie bald verstummen.
Obwohl der Regen nicht in die Höhle eindringen konnte, war die Luft dennoch klamm und unangenehm kühl.
Sie hatten etwa einhundert Yards zurückgelegt, als sein Partner hinter ihm so unvermittelt stehen blieb, dass sich das Seil straffte und es Paine fast von den Beinen riss.
Der grauhaarige Digger stolperte, fing sich jedoch wieder und war gerade dabei, einige lästerliche Flüche von sich zu geben, als ihn O’Sheas schrilles Lachen verharren ließ.
Der Rothaarige tanzte in dem Gang umher wie ein kleines Kind. Dabei wedelte er mit den Armen wie ein Neugeborenes, das auf dem Rücken lag, und kreischte und lachte, als ob er den Verstand verloren hätte.
»Da … da!«
Paine zögerte keine Sekunde.
Mit einem Satz war er an der Seite des Iren und hob sich die Petroleumlampe so neben das Gesicht, dass er sich an dem heißen Glaszylinder fast verbrannte. Aber das interessierte ihn in diesem Moment nicht. Der Anblick, der sich seinen Augen bot, ließ ihn alles um sich herum vergessen.
Er ließ den Pickel, den er immer noch in der Linken hielt, einfach fallen, streckte ungläubig die Hand aus und strich vorsichtig, als müsste er jeden Moment damit rechnen, sich die Finger zu verbrennen, über die vor ihm liegende Felswand.
Überall glitzerte und funkelte es.
Manchmal waren es nur feine Linien im Felsen, manchmal richtige Gesteinsbrocken.
»Gold!«, durchzuckte es ihn. »Gold! Ich habe es gefunden! Mein Gold!«
Ein nie gekanntes Triumphgefühl jagte durch seinen Körper, während er gleichzeitig immer erregter und gieriger wurde.
Auch O’Shea, so hatte es den Anschein, konnte ihr Glück kaum fassen.
»Wir sind reich«, stammelte er immer wieder. »Verdammt Paine, wir sind reich!«
Paine nickte stumm, während es in seinen Augen plötzlich unheilvoll funkelte. Er war schon immer ein rauer Bursche gewesen, der in seinem Leben oft, wenn es zu seinem Vorteil war, hart am Rande der Gesetzlosigkeit gestanden hatte. Jetzt aber ließ ihn der Anblick des Goldes endgültig auf die andere Seite des Zaunes driften.
Eine wilde Habgier stieg in ihm hoch.
Nein, durchzuckte es ihn nach einem kurzen Blick auf Angus. Das ist mein Gold, es gehört mir!
Ohne zu überlegen langte Paine nach seinem Revolver, der hinter dem Gürtel steckte, und richtete den Lauf der Waffe auf seinen rothaarigen Partner.
»Du irrst dich«, sagte er kalt. »Nicht wir sind reich, sondern ich, denn ich werde nicht teilen!«
Das Echo des Schusses rollte wie Kanonendonner durch den schmalen Höhlengang.
Angus O’Shea krümmte sich, sein Kinn fiel nach unten.
»Paine, du …« Seine Stimme erstickte, als er sah, wie es auf seiner Brust rot wurde.
Dann sank er langsam zu Boden.