Die drei Musketiere 67
Alexander Dumas d. Ä.
Die drei Musketiere
7. bis 10. Bändchen
Historischer Roman, aus dem Französischen von August Zoller, Stuttgart 1844, überarbeitet nach der neuen deutschen Rechtschreibung
XXXIV.
Eine Botschaft des Kardinals
Drei Tage danach kamen die vier Musketiere nach Paris zurück. Sie hatten sich innerhalb der Grenzen ihres Urlaubs gehalten und statteten noch an demselben Abend Monsieur de Tréville ihren gewöhnlichen Besuch ab.
»Nun, Messieurs«, fragte sie der brave Kapitän, »habt Ihr Euch bei Eurem Ausflug gut unterhalten?«
»Außerordentlich«, antwortete Athos in seinem und seiner Freunde Namen.
Am 6. des darauffolgenden Monats verließ der König, dem Versprechen getreu, das er dem Kardinal in Bezug auf seine Rückkehr nach La Rochelle geleistet hatte, die Stadt Paris, noch ganz betäubt von der Nachricht, die sich über die Ermordung Buckinghams verbreitete.
Obwohl davon unterrichtet, dass der Mann, den sie so sehr geliebt hatte, von einer Gefahr bedroht war, wollte die Königin, als man ihr diesen Tod ankündigte, nicht daran glauben. Sie rief sogar unklugerweise aus: »Das ist falsch, er hat mir kürzlich erst geschrieben!«
Aber am anderen Tag musste sie wohl der unseligen Kunde Glauben schenken. La Porte, wie alle Menschen in England durch den Befehl des Königs Karl I. zurückgehalten, kam als Überbringer des letzten traurigen Geschenkes an, das Buckingham der Königin überschickte.
Der König war voll Freude, als er die Nachricht erhielt. Er gab sich nicht einmal die Mühe, diese Freude zu verbergen, sondern ließ sie sogar geflissentlich in Gegenwart der Königin hervorbrechen. Ludwig XIII. fehlte es, wie allen schwachen Geistern, an allem Edelmut.
Bald aber wurde der König wieder düster und übler Laune. Seine Stirn war keine von denen, welche sich auf lange Zeit erheitern. Er fühlte, dass er sich, in das Lager zurückkehrend, wieder in seine Sklaverei begab, und dennoch kehrte er zurück.
Der Kardinal war für ihn die bezaubernde Schlange, und er war der Vogel, der von Zweig zu Zweig hüpft, ohne ihr entweichen zu können.
Die Rückkehr nach La Rochelle war auch äußerst traurig. Unsere Freunde besonders setzten ihre Kameraden in Erstaunen. Sie ritten dicht nebeneinander mit düsteren Augen und gesenkten Häuptern. Nur Athos allein hob seine breite Stirn von Zeit zu Zeit empor, ein Blitz leuchtete in seinen Augen, ein bitteres Lächeln zog über seine Lippen hin, und dann überließ er sich wieder, wie seine Kameraden, seinen finsteren Träumereien.
Gleich nach der Ankunft der Eskorte in einer Stadt zogen sich die vier Freunde, sobald sie den König zu seinen Gemächern geleitet hatten, entweder zu ihren Quartieren oder in eine abgelegene Schenke zurück, wo sie weder spielten noch tranken, sondern nur unter sorgfältigem Umherschauen, ob niemand sie hören könne, leise miteinander sprachen.
Als der König eines Tages auf dem Weg Halt gemacht hatte, um die Elster zu beizen, und die vier Freunde ihrer Gewohnheit gemäß, statt der Jagd zu folgen, in einem Wirtshaus an der Landstraße saßen, sprengte ein Mann, der von La Rochelle kam, mit verhängtem Zügel heran, hielt vor der Tür, um ein Glas Wein zu trinken, und schaute ins Innere der Stube, wo sich die vier Musketiere befanden.
»Holla! Monsieur d’Artagnan«, sprach er, »seid Ihr es nicht, den ich da innen sehe?«
D’Artagnan schaute auf und stieß ein Freudengeschrei aus. Der Unbekannte, der ihn rief, war sein Gespenst, sein Unbekannter von Meung, von der Rue des Fossoyeurs und von Arras.
D’Artagnan zog den Degen und stürzte zur Tür. Aber statt zu fliehen, sprang der Unbekannte vom Pferd und lief d’Artagnan entgegen.
»Ah! Monsieur«, sprach der junge Mann, »endlich treffe ich Euch. Diesmal sollt Ihr mir nicht entgehen!«
»Das ist auch diesmal gar nicht meine Absicht, denn ich suchte Euch. Ich verhafte Euch im Namen des Königs!«
»Wie, was sagt Ihr?«, rief d’Artagnan.
»Ihr habt mir Euren Degen zu geben, Monsieur, und zwar ohne Widerstand. Es geht um Euren Kopf, das sage ich Euch.«
»Wer seid Ihr denn?«, fragte d’Artagnan den Degen senkend, aber ohne ihn abzugeben.
»Ich bin der Chevalier von Rochefort, der Stallmeister des Monsieur Kardinals von Richelieu, und habe Befehl, Euch vor Seine Eminenz zu führen.«
»Wir kehren zu Seiner Eminenz zurück, Monsieur Chevalier«, sagte Athos vortretend, »und Ihr werdet wohl Monsieur d’Artagnan auf sein Wort glauben, dass er sich auf direktem Weg nach La Rochelle begibt.«
»Ich muss ihn den Wachen überliefern, die ihn zum Lager führen werden.«
»Wir werden ihm als solche dienen, Monsieur, bei unserem adeligen Ehrenwort! Aber ich sage Euch auch«, fügte Athos die Stirn faltend bei, »ich sage Euch bei unserem adligen Ehrenwort, dass uns Monsieur d’Artagnan nicht verlässt.«
Der Chevalier von Rochefort warf einen Blick zurück und sah, dass sich Porthos und Aramis zwischen ihn und die Tür gestellt hatten. Er begriff, dass er ganz der Willkür dieser vier Männer bloßgestellt war.
»Messieurs«, sagte er, »wenn mir Monsieur d’Artagnan seinen Degen übergeben und sein Wort dem Euren beifügen will, so begnüge ich mich mit Eurem Versprechen, Monsieur d’Artagnan in das Quartier des Monsieur Kardinals zu führen.«
»Ihr habt mein Wort«, sprach d’Artagnan, »und hier meinen Degen.«
»Das ist mir um so lieber«, fügte Rochefort bei, »als ich meine Reise fortsetzen muss.«
»Geschieht dies, um Mylady aufzusuchen«, sprach Athos kalt, »so bemüht Euch nicht, Ihr werdet sie nicht finden.«
»Was ist denn aus ihr geworden?«, fragte Rochefort heftig.
»Kommt in das Lager zurück und Ihr sollt es erfahren.«
Rochefort blieb einen Augenblick in Gedanken versunken. Da man aber nur noch eine Tagesreise von Surgères entfernt war, wohin der Kardinal dem König entgegenkommen wollte, so beschloss er, den Rathvon Athos zu befolgen und mit ihm zurückzukehren.
Überdies bot ihm diese Rückkehr einen weiteren Vorteil: Er konnte seinen Gefangenen selbst überwachen.
Man setzte sich in Marsch.
Am folgenden Tag um drei Uhr nachmittags erreichte man Surgères. Der Kardinal erwartete hier Ludwig XIII. Der Minister und der König tauschten hier viele Schmeicheleien und Liebkosungen aus und beglückwünschten sich über den glücklichen Zufall, der Frankreich vom erbitterten Feind befreite, welcher ganz Europa gegen dasselbe aufwiegelte.
Sobald dies geschehen war, verabschiedete sich der Kardinal, welcher von Rochefort die Ankunft d’Artagnan’s erfahren hatte und diesen sogleich vernehmen wollte, von dem König, indem er ihn einlud, am anderen Tag die vollendeten Dammarbeiten zu besichtigen.
Als der Kardinal am Abend in sein Quartier am Pont de Pierre zurückkam, fand er d’Artagnan ohne Degen und die drei Musketiere bewaffnet vor dem Haus, das er bewohnte.
Da er ihnen diesmal an Kräften überlegen war, so schaute er sie streng an und gab d’Artagnan mit den Augen und mit der Hand ein Zeichen, ihm zu folgen.
»Wir erwarten dich, d’Artagnan«, sprach Athos laut genug, dass es der Kardinal hören konnte.
Seine Eminenz faltete die Stirn, blieb einen Augenblick stehen und setzte sodann seinen Weg fort, ohne eine Silbe zu sprechen.
D’Artagnan trat hinter dem Kardinal, Rochefort hinter d’Artagnan ein. Die Tür wurde bewacht.
Seine Eminenz begab sich in das Zimmer, das ihm als Arbeitskabinett diente, und befahl Rochefort durch ein Zeichen, d’Artagnan einzuführen.
Rochefort gehorchte und zog sich zurück.
D’Artagnan blieb allein bei dem Kardinal. Es war seine zweite Zusammenkunft mit Richelieu, und er gestand später, er sei überzeugt gewesen, dass es seine letzte sein würde.
Richelieu blieb an dem Kamin stehen. Ein Tisch war zwischen ihm und d’Artagnan.
»Monsieur«, sprach der Kardinal, »Ihr seid auf meinen Befehl verhaftet worden.«
»Man hat es mir gesagt, Monseigneur.«
»Wisst Ihr, warum?«
»Nein, Monseigneur, denn die einzige Sache, wegen deren ich verhaftet werden könnte, ist Seiner Eminenz noch unbekannt.«
Richelieu schaute den jungen Mann fest an und rief: »Holla! Was wollt Ihr damit sagen?«
»Wenn mich Monseigneur zuerst über die Verbrechen belehren will, die man mir aufbürdet, so werde ich ihm sodann die Handlungen nennen, die ich begangen habe.«
»Man bürdet Euch Verbrechen auf, welche noch höhere Häupter als das Eure fallen gemacht haben«, sagte der Kardinal.
»Welche, Monseigneur?«, fragte d’Artagnan mit einer Ruhe, die den Kardinal in Erstaunen setzte.
»Man klagt Euch an, Ihr habt mit den Feinden des Königreichs korrespondiert; man klagt Euch an, Ihr habt Staatsgeheimnisse erlauscht; man klagt Euch an, Ihr habt die Pläne Eures Generals zu vereiteln gesucht.«
»Und wer beschuldigt mich dessen, Monseigneur?«, sprach d’Artagnan, welcher sich dachte, dass die Anklage von Mylady komme. »Ein von den Gerichten gebrandmarktes Weib, ein Weib, das einen Mann in Frankreich und einen anderen in England geheiratet, ein Weib, das seinen zweiten Gatten vergiftet und mich selbst zu vergiften versucht hat.«
»Was sagt Ihr da, Monsieur!«, rief der Kardinal voll Erstaunen, »von welchem Weib sprecht Ihr so?«
»Von Mylady Winter«, antwortete d’Artagnan, »ja, von Mylady Winter, deren Verbrechen Eure Eminenz ohne Zweifel nicht kannte, als sie dieselbe mit ihrem Vertrauen beehrte.«
»Monsieur«, sprach der Kardinal, »wenn Mylady Winter die Verbrechen begangen hat, deren Ihr sie bezichtigt, so soll sie bestraft werden.«
»Sie ist bestraft.«
»Und wer hat sie bestraft?«
»Wir.«
»Sie ist im Gefängnis?«
»Sie ist tot.«
»Tot!«, wiederholte der Kardinal, der nicht an das glauben konnte, was er hörte. »Habt Ihr nicht gesagt, sie sei tot?«
»Dreimal versuchte sie es, mich zu töten, und ich verzieh ihr; aber sie mordete eine Frau, die ich liebte. Dann nahmen meine Freunde und ich sie gefangen, hielten Gericht und verurteilten sie.«
D’Artagnan erzählte nun die Vergiftung von Madame Bonacieux im Kloster der Karmeliterinnen in Bethune, das Gericht in dem einsamen Haus und die Hinrichtung am Ufer der Lys. Ein Schauer lief dem Kardinal durch den ganzen Leib, und doch schauerte der Kardinal nicht so leicht.
Aber als ob sich plötzlich ein stummer Gedanke seiner bemeisterte, erhellte sich allmählich das bisher so düstere Antlitz des Kardinals und erlangte die vollkommene Ruhe.
»Ihr habt Euch also«, sprach er mit einer Stimme, deren Weichheit in seltsamem Widerspruch mit der Strenge der Worte stand, »Ihr habt Euch also zu Richtern aufgeworfen, ohne zu bedenken, dass diejenigen, welche strafen und nicht den Auftrag dazu haben, Mörder sind?«
»Monseigneur, ich schwöre, dass ich nicht einen Augenblick die Absicht gehabt habe, meinen Kopf gegen Euch zu verteidigen. Ich werde mich der Strafe unterziehen, die Eure Eminenz über mich ausspricht. Ich hänge nicht so sehr am Leben, dass ich den Tod fürchten sollte.«
»Ja, ich weiß es, Ihr seid ein beherzter Mann«, sprach der Kardinal mit beinahe zärtlichem Ton. »Ich kann Euch also im Voraus sagen, dass man Gericht über Euch halten, ja sogar Euch verurteilen wird.«
»Ein anderer könnte Seiner Eminenz entgegnen, er habe seine Begnadigung in der Tasche. Ich aber begnüge mich zu antworten: Befehlt, Monseigneur, ich bin bereit.«
»Eure Begnadigung?«, fragte Richelieu erstaunt.
»Ja, Monseigneur«, erwiderte d’Artagnan.
»Und von wem unterzeichnet? Vom König?« Der Kardinal sprach diese Worte mit einem eigentümlichen Ausdruck der Verachtung.
»Nein, von Eurer Eminenz.«
»Von mir? Ihr seid ein Narr, Monsieur.«
»Monseigneur wird ohne Zweifel seine Handschrift erkennen.«
Bei diesen Worten überreichte d’Artagnan dem Kardinal das kostbare Papier, das Athos Mylady entrissen und d’Artagnan übergeben hatte, dem es als Schutzwache dienen sollte.
Seine Eminenz nahm es und las es langsam und mit starker Betonung jeder einzelnen Silbe.
Auf meinen Befehl und zum Wohle des Staates hat der Träger des Gegenwärtigen getan, was er getan hat.
Im Lager von Rochelle, den 3. Aug. 1628.
Richelieu.
Der Kardinal versank in tiefes Nachsinnen, nachdem er das Papier gelesen hatte, gab es aber d’Artagnan nicht zurück.
»Er überlegt, durch welche Strafe er mich zum Tode befördern soll«, sagte der Gascogner ganz leise zu sich selbst. »Gut, er soll sehen, wie ein Edelmann stirbt.«
Der junge Musketier war in der besten Fassung, um heldenmütig zu scheiden.
Richelieu dachte immer noch nach, rollte das Papier in seiner Hand zusammen und rollte es wieder auseinander. Dann schaute er auf und heftete seinen Adlerblick auf diese redlichen, offenen, gescheiten Züge, auf dieses in Folge der Leiden, die er seit einem Monat ausgestanden, von Tränen durchfurchte Antlitz, und dachte zum dritten und vierten Mal, wie viel dieser Junge von zwanzig Jahren Zukunft vor sich hatte und welche Mittel seine Tätigkeit, sein Mut und sein Geist einem guten Monsieur bieten konnten.
Andererseits hatten ihn die Verbrechen, die Macht, das höllische Genie Myladys mehr als einmal erschreckt. Er fühlte etwas wie eine geheime Freude darüber, dass er für immer von dieser gefährlichen Schuldgenossin befreit war.
Langsam zerriss er das Papier, welches ihm d’Artagnan so edelmütig übergeben hatte.
»Ich bin verloren«, sprach d’Artagnan zu sich selbst. Er verbeugte sich tief vor dem Kardinal, wie ein Mensch, der da sagt: »Gnädiger Monsieur, Euer Wille soll geschehen.«
Der Kardinal trat an den Tisch, schrieb, ohne sich zu setzen, ein paar Zeilen auf ein Pergament, das zu zwei Drittel bereits vollgeschrieben war, und drückte sein Siegel darunter.
»Das ist meine Verurteilung«, dachte d’Artagnan, »er erspart mir die Unannehmlichkeiten der Bastille und den langsamen Gang eines Gerichts. Ich finde das noch sehr liebenswürdig von ihm.«
»Nehmt«, sprach der Kardinal zu dem jungen Manne, »ich habe Euch ein Blanket genommen und gebe Euch ein anderes. Der Name fehlt auf diesem Patent, Ihr werdet ihn selbst eintragen.«
D’Artagnan ergriff das Papier zögernd und warf einen Blick darauf.
Es war eine Lieutenantsstelle bei den Musketieren.
D’Artagnan fiel dem Kardinal zu Füßen.
»Monseigneur«, rief er, »mein Leben gehört von nun an Euch, verfügt darüber: Aber ich verdiene die Gunst nicht, die Ihr mir bewilligt. Ich habe drei Freunde, welche würdiger …«
»Ihr seid ein braver Junge, d’Artagnan«, unterbrach ihn der Kardinal und klopfte ihn, entzückt, diese widerspenstige Natur besiegt zu haben, vertraulich auf die Schulter. »Macht mit diesem Patent, was Ihr wollt, da der Name weiß ist. Nur erinnert Euch, dass ich es Euch gebe.«
»Ich werde es nie vergessen«, antwortete d’Artagnan, »Eure Eminenz darf dessen versichert sein.«
Der Kardinal wandte sich um und rief: »Rochefort«.
Der Chevalier hatte sich ohne Zweifel vor der Tür aufgehalten und trat sogleich ein.
»Rochefort«, sagte der Kardinal, »Ihr seht hier Monsieur d’Artagnan, ich nehme ihn unter die Zahl meiner Freunde auf. Man umarme sich also und sei vernünftig, wenn man sein Leben liebhat.«
Rochefort und d’Artagnan küssten sich mit dem Rand ihrer Lippen; aber der Kardinal war da und beobachtete sie mit wachsamem Auge. Sie verließen zu gleicher Zeit das Zimmer.
»Wir treffen uns wieder, nicht wahr, Monsieur?«, sprachen sie.
»Wann es Euch gefällig ist«, sagte d’Artagnan.
»Die Gelegenheit wird sich finden«, erwiderte Rochefort.
»Was da?«, brummte der Kardinal die Tür öffnend.
Die Männer lächelten sich zu, drückten sich die Hand und verbeugten sich vor Seiner Eminenz.
»Wir fingen an unruhig zu werden«, sprach Athos, als der Musketier zurückkam.
»Hier bin ich, meine Freunde«, antwortete d’Artagnan.
»Frei?«
»Nicht allein frei, sondern in Gunsten.«
»Ihr werdet uns das erzählen.«
»Noch diesen Abend. Doch für diesen Augenblick trennen wir uns.«
D’Artagnan begab sich wirklich noch denselben Abend in die Wohnung von Athos, den er im besten Zug fand, eine Flasche spanischen Wein zu leeren, ein Geschäft, dem er gewissenhaft jeden Abend oblag.
Er erzählte seinem Freund, was zwischen ihm und dem Kardinal vorgefallen war, zog sein Patent aus der Tasche und sprach: »Nehmt, mein lieber Athos, was Euch ganz natürlich zukommt.«
Athos lächelte in seiner sanften, liebenswürdigen Art und erwiderte: »Freund, für Athos ist es zu viel, für den Grafen de la Fère ist es zu wenig. Behaltet dieses Patent, es gehört Euch: Ach! Ihr habt es teuer genug bezahlen müssen.«
D’Artagnan entfernte sich aus dem Zimmer von Athos und trat bei Porthos ein.
Er traf ihn in einem prächtigen, mit glänzenden Stickereien bedeckten Rock, wie er sich eben im Spiegel beschaute.
»Ah! Ah!«, rief Porthos, »Ihr seid es, lieber Freund. Wie findet Ihr, dass mir dieser Rock steht?«
»Vortrefflich«, sprach d’Artagnan, »doch ich komme, um Euch ein Kleid anzutragen, das Euch noch viel besser stehen wird.«
»Welches?«
»Die Uniform eines Musketierlieutenants.«
D’Artagnan erzählte Porthos seine Unterredung mit dem Kardinal, zog das Patent aus seiner Tasche und sagte: »Nehmt, mein Lieber, schreibt Euern Namen darauf und seid ein guter Chef für mich.«
Porthos warf einen Blick auf das Patent und gab es zum großen Erstaunen des jungen Mannes zurück.
»Ja«, sprach er, »das würde mir sehr schmeicheln, aber ich könnte diese Gunst nicht lange genug genießen. Während unseres Zuges nach Bethune ist der Gatte meiner Herzogin gestorben, und da mir die Kasse des Seligen die Hand reicht, so heirate ich die Witwe. Seht, ich habe soeben meinen Hochzeitsanzug probiert. Behaltet das Lieutenantspatent, mein Lieber, behaltet es.« Und er legte es d’Artagnan wieder in die Hände.
Der junge Mann begab sich zu Aramis.
Er fand ihn vor einem Betpult kniend, seine Stirn auf ein Andachtsbuch gestützt.
D’Artagnan erzählte ihm seine Zusammenkunft mit dem Kardinal, zog sein Patent zum dritten Mal aus der Tasche und sprach: »Ihr, unser Freund, unser Licht, unser unsichtbarer Beschützer, empfangt dieses Patent. Ihr habt es mehr als jeder andere durch Eure Weisheit und Eure stets von gutem Erfolg begleiteten Ratschläge verdient.«
»Ach! Teurer Freund«, erwiderte Aramis, »unsere letzten Abenteuer haben mir einen gänzlichen Widerwillen gegen das Soldatenleben eingeflößt. Diesmal steht mein Entschluss unwiderruflich fest: Nach der Belagerung trete ich bei den Lazaristen ein. Behaltet dieses Patent, d’Artagnan. Das Waffenhandwerk sagt Euch zu. Ihr werdet ein kühner und verwegener Kapitän sein.«
Das Auge feucht von Dankbarkeit, strahlend vor Freude kehrte d’Artagnan zu Athos zurück, den er immer noch am Tisch fand, wo er sein letztes Glas Malaga beim Schein einer Lampe beäugte.
»Auch sie haben mich zurückgewiesen«, sagte er.
»Ganz einfach, lieber Freund, keiner war dieses Vorzugs würdiger als Ihr.«
Er nahm eine Feder, schrieb in das Patent den Namen d’Artagnan und gab es ihm zurück.
»Ich werde also keine Freunde mehr haben«, sprach der junge Mann. »Ach! Nichts mehr als bittere Erinnerungen.«
Und er ließ sein Haupt zwischen seine beiden Hände fallen, während zwei Tränen an seinen Wangen herabrollten.
»Ihr seid noch jung«, erwiderte Athos, »und Eure bitteren Erinnerungen haben Zeit, sich in süße Erinnerungen zu verwandeln.«