Die Grabräuber von Theben
Im 16. Regierungsjahr des Pharao Ramses IX. werden im Tal der Könige Pharaonengräber geplündert. Schnell findet sich ein Verdächtiger: Der einfache Steinhauer Amenpanufer wird von der Medjaiwache gestellt, die Beute aus den Gräbern bei einem stadtbekannten Hehler gefunden.
Der Fall scheint geklärt, und doch bleibt Pa-Ser, Bürgermeister von Theben-Ost, skeptisch. Handelte Amenpanufer im Alleingang? Als der Schreiber der Grabstätten seine Arbeiter ebenfalls des Grabraubes verdächtigt, wird Pa-Ser klar, dass er die Ausmaße der Grabraube völlig unterschätzt hat. Ist etwa Paveru, der Herr der Gräber, selbst in diese Verbrechen verwickelt?
Nach und nach werden die Machenschaften der Grabräuber aufgedeckt, doch die Verwicklungen der Mächtigen Thebens in das lukrative Geschäft sind schwer zu beweisen. Zahlreiche Intrigen machen die Aufklärung der Diebstähle nahezu unmöglich, und doch müssen Schuldige bestraft werden.
Am Ende gibt es ein Opfer. Und einen Sieger: die Gier.
Den Trailer zum Buch findet man bei Youtube.
Johann Peters wurde am 13. Januar 1984 in Arnsberg geboren. Nach dem Fachabitur schlug er eine Laufbahn im kommunalen Verwaltungsdienst ein. Hier liegt noch heute sein hauptberufliches Tätigkeitsfeld. Literarisch betrachtet ist es am ehesten die Historie, die ihn fesseln kann.
Geschichte war in der Schule so ein Fach, das die meisten gehasst haben. Er hat es geliebt. Schon als Johann Peters selbst zu lesen begann, waren es entweder Karl Mays Romane über den Orient und den Wilden Westen oder später die verschiedensten historischen Romane über das alte Ägypten in all seinen Facetten oder die Werke altertümlicher Historiker, die mich begeistern konnten.
Als der Autor vor einigen Jahren mit dem regelmäßigen Schreiben begann, waren es anfangs Gedichte, später dann Kurzgeschichten, die er zu Papier brachte, stets gespannt darauf, welche Geschichte als Nächstes durch seinen Kopf schießen würde. Über Abstecher in den Bereich der Fantasy und der Science-Fiction hatte er schließlich auch hier das Gebiet gefunden, welches ihm mit Abstand am meisten Spaß bereitet: historische Romane.
Die wohl intensivsten Erfahrungen mit der Historie konnte er gemeinsam mit seiner Frau auf einer Nil-Kreuzfahrt und ein Jahr später auf einer Thailandrundreise machen: Die Schauplätze der Geschehnisse, über die man schon so viel gelesen hatte, selbst zu sehen, waren für den Autor eine ganz besondere Erfahrung. Und sie hat ihn der Vergangenheit noch ein wenig näher gebracht.
»Was an ein paar alten Steinen, einigen Ruinen und den Geschichten längst vergangener Tage so faszinierend sein kann? Eine Menge! Denn die Geschehnisse der Vergangenheit sind oftmals ein Spiegel unserer heutigen Zeit. Und auch wenn die menschliche Gesellschaft sich in manchen Dingen weiterentwickelt haben mag, manche Entwicklungen unserer Tage haben ihre Wurzeln in dem, was vor langer, langer Zeit einmal geschehen ist. Denn, um es mit einem alten Sprichwort zu sagen: ›Wer die Zukunft verstehen will, muss die Vergangenheit kennen.‹ Und die Vergangenheit des Menschen ist voller wissenswerter Augenblicke und Gegebenheiten.«
Johann Peters
Johann Peters
Die Grabräuber von Theben
Historischer Roman, Paperback
ACABUS Verlag Hamburg, Juli 2012
248 Seiten / 13,90 Euro
ISBN: 978-3-86282-057-3
Leseprobe
Abend des 10. Tages des dritten Monats im 16. Regierungsjahr Ramses IX.
Paveru stand allein auf der großen Terrasse, von der aus er einen schönen Blick über den Teich, den die Arbeiter schon vor Jahren für ihn angelegt hatten, genießen konnte. Die Nacht war angenehm mild und der Mond spiegelte sich auf der Wasseroberfläche. Achet, die Zeit der Nilschwemme und der großen Hitze des Sommers, war schon fortgeschritten und Peret, die Zeit der Aussaat, näherte sich mit großen Schritten. Die Überschwemmung war in diesem Jahr endlich wieder einmal ausreichend gewesen, sodass die Bauern der Ernte mit gutem Gefühl entgegensehen konnten. Noch immer führte der Nil eine Menge Wasser mit sich, auch wenn er bereits wieder in sein angestammtes Flussbett zurückgekehrt war. Doch über die Ernte machte Paveru sich keine Gedanken. Mit den Feldern der Lebenden hatte er wenig zu tun. Sein Hauptaugenmerk galt den Feldern, die von den Toten bewohnt wurden.
Langsam verließ Paveru die Terrasse und ging in den Garten hinab. Einzelne Fruchtbäume standen hier weit verstreut. Die Villa, die er hier draußen etwas außerhalb von Theben am Westufer des Nil bewohnte, war sehr großzügig gebaut. Passend dazu war der Gartenbereich eher wie ein Park angelegt. Er führte ein gutes Leben, eigentlich. Die Ärzte machten ihm gelegentlich Vorhaltungen wegen seiner extremen Körperfülle. Sie sagten, der runde Bauch und das viele Fett rund um das Kinn wären nicht gut für seine Organe. Aber er aß einfach zu gern, als dass er seine Figur dem anpassen könnte, was die Ärzte für gesund hielten. Außerdem brauchte er keinen Wert auf Schönheitsideale zu legen. Wenn er eine Frau haben wollte, bekam er sie auch.
Der Mann, den er um diese späte Stunde hier draußen erwartete, achtete seit Jahren auf äußerste Diskretion. Ein wichtiger Umstand, wenn man bedachte, welche Feinde er sich in Theben schaffen könnte, wenn man von ihren regelmäßigen Treffen erführe. Trotzdem hätte er sich eine menschenwürdigere Zeit aussuchen können, dachte Paveru, während er unter einer Palme stehen blieb.
Paveru musste nicht lange warten, bis sich ein Schatten von einem der anderen Bäume löste. Der rundliche Mann sah dem Schatten gelassen entgegen. Sein Gast trug einen weiten Umhang und eine Kapuze, die er sich tief ins Gesicht gezogen hatte. Paveru musste grinsen bei dem Gedanken daran, dass sein Informant jedem, der ihm so in der Stadt begegnete, sofort verdächtig vorgekommen wäre. Aber der hochgewachsene Mann liebte derartige Maskeraden, sie hatten für ihn einen Hauch von Abenteuer.
Der Schatten war mittlerweile so nah herangekommen, dass sie sich flüsternd verständigen konnten.
»Warum heute Nacht, zu dieser Stunde?«, fragte Paveru, noch immer erbost darüber, um seinen Schlaf gebracht worden zu sein.
»Ich habe wichtige Informationen für dich. Du solltest dir anhören, was ich zu sagen habe«, antwortete sein Gesprächspartner gleichmütig.
»Habe ich das je nicht getan?«
Der Gast schwieg für einen Moment. Diese beiden Männer verband keine Freundschaft, es war mehr ein gemeinsames Geschäftsinteresse, das sie zusammenschweißte. Aber jeder von ihnen wusste, dass er sich auf den anderen verlassen konnte.
»Also, was hast du mir zu sagen?«, fragte Paveru, bemüht seine Stimme nicht allzu gereizt klingen zu lassen.
»Es wird morgen passieren. In den Nachmittagsstunden. Du solltest ihnen zuvorkommen, wenn du deinen Plan durchführen möchtest«, erklärte Paverus Besucher eindringlich.
»Ich werde ihn durchführen«, murmelte Paveru bestimmt.
»Dann sorge dafür, dass bis zu dem Zeitpunkt, da Re am höchsten steht, die Arbeit getan ist. Sonst wird uns einiges entgehen«, entgegnete sein Gast.
»Und du bist dir sicher, dass er der Richtige ist?«, fragte Paveru nicht zum ersten Mal, seitdem sie diesen Plan gefasst hatten.
»Er ist der Kopf des Ganzen«, bestätigte sein Gegenüber.
Paveru nickte gemächlich. Er dachte nach. Die Entwicklung kam schneller als er gedacht hatte, aber wirklich überrascht war er trotzdem nicht. Es wurde höchste Zeit, dass er etwas tat. Das Westufer war sein Reich. Jemand hatte es gewagt, in dieses Reich einzudringen und seine Spuren zu hinterlassen. Das würde er nicht dulden. Zumindest nicht ohne eine gewisse Gegenleistung.
***
Das Tal, in welchem die Könige und Pharaonen seit Generationen begraben wurden, lag verlassen vor ihnen. Um diese Stunde hielt sich kein Arbeiter mehr in der Nähe der Grabanlagen auf. Nur einige wenige Medjai hielten an den Eingängen des Tales Wache. Einmal pro Stunde patrouillierte eine kleine Gruppe der nubischen Einheit durch das Tal, um sicherzugehen, dass keine ungebetenen Gäste hier waren. Die Wachen konnte man leicht umgehen.
Amenpanufer und seine sieben Gefährten waren mit zwei Schilfbooten vom Ostufer des Nil herübergekommen. Die kleinen Gefährte lagen an unterschiedlichen Stellen sicher vertäut zwischen den Büschen des Ufers. Ihr Vorhaben war gefährlich, es war das mit Abstand Gefährlichste, was ein Mensch tun konnte. Sie würden das Grab eines Pharao schänden. Jeder von ihnen kannte seit seiner Kindheit die Geschichten über das Schicksal, das Grabräuber dereinst ereilt, wenn ihr Herz auf der Waage der Gerechtigkeit mit der Feder der Maat gewogen wird. Es wird für zu schwer befunden und der Eingang in das ewige Leben bleibt ihnen verwehrt. Auch war jedem von ihnen klar, was sie anrichteten, wenn sie eine Grabkammer öffneten und den Toten die Schätze stahlen. Sie zerstörten dessen Leben nach dem Tod oder machten es zumindest weniger lebenswert. Doch das alles störte sie wenig. Jeder von ihnen hatte eine Familie zu ernähren. Die armen Arbeiter aus der Stadt Theben kannten den Hunger nur zu gut und der Steinhauer Amenpanufer war in Sorge, da seine Frau in Kürze ein weiteres Kind zur Welt bringen würde. Schon die beiden bereits vorhandenen Kinder verlangten ihm eine Menge ab. Ein drittes Kind zu versorgen, war mit seinen kargen Einkünften nahezu unmöglich.
Senep hatte die Führung übernommen und sie auf Umwegen zu einem alten Beamtengrab geführt. Dieses war durch einen Vorhof vor neugierigen Blicken geschützt. Von hier aus konnte man, so hatte es Seneps Quelle ihnen erklärt, einen Durchgang zu dem Grab eines Pharao schlagen. Amenpanufer und Inebni machten sich an die Arbeit. Sie waren beide Steinhauer von Beruf und ihnen oblag es, die Gräber zu öffnen. Schon nach einigen kurzen Momenten hatten die beiden Männer mit ihren Meißeln ein ansehnliches Loch in den Stein gearbeitet. Es dauerte nicht lange und der Durchgang war groß genug, um hindurchschlüpfen zu können. Der Informant, der ihnen die Lage der Grabkammer verraten hatte, war sich sicher, dass hier einige sehr wertvolle Schätze zu finden wären.
Die Tatsache, dass der Zugang, welchen sie geschlagen hatten, von diesem künstlich angelegten Vorhof aus in das Grab führte, sorgte dafür, dass man ihre Tat auch bei Tage nicht sofort entdecken würde. Das erleichterte ihnen den Verkauf der gestohlenen Ware. Es war immer besser, Waren aus einem Grab zu verkaufen, dessen Inhalt noch nicht von den Medjai gesucht wurde. Auch wenn es immer Wege gab, die wichtigsten Beamten milde zu stimmen.
Senep gab seinem Sohn Kerasher ein Zeichen, dass dieser voran in die Grabkammer kriechen sollte. Kerasher hatte gerade seinen zwölften Sommer gesehen und war noch klein genug, um selbst durch die schmalsten Gänge zu passen. Er begleitete seinen Vater auf jedem ihrer Raubzüge.
Es dauerte einen Moment, bis der Junge seinen Kopf wieder aus dem Loch herausstreckte und den anderen Männern grinsend zunickte. Seine Augen leuchteten regelrecht im Licht der Sterne. Er hatte bereits einen kleinen Teil der Schätze gesehen, die dem hier liegenden Mann mit auf den Weg ins Jenseits gegeben worden waren. Keiner der Acht wusste genau, wer hier begraben worden war. Es war ihnen auch egal. Alles, was zählte, war der Gewinn, den diese nächtlichen Unternehmungen einbrachten. Und dieser war keinesfalls zu verachten. Senep schloss für einen Moment die Augen und schickte ein kurzes Stoßgebet gen Himmel. Das tat er jedes Mal, bevor sie eine Grabkammer betraten. Weniger, weil er ein schlechtes Gewissen hatte, eher, weil er so den direkten Auswirkungen irgendwelcher Flüche, wie Krankheiten oder schweren Schicksalsschlägen, zu entgehen hoffte.
Senep folgte seinem Sohn als Erster. Dann schob Amenpanufer sich langsam durch den schmalen Zugang hindurch in die Grabkammer. Als auch er drinnen war und Inebni draußen seinen Wachtposten bezogen hatte, zündeten sie eine Fackel an. Sie mussten vorsichtig sein, da der Lichtschein durch das Loch nach außen dringen konnte. So würden die Medjai möglicherweise auf sie aufmerksam werden. So mancher Grabräuber war bereits gefasst worden, weil er zu sorglos an sein Werk gegangen war. Aus diesem Grund verteilten sich die anderen vier Männer in der Umgebung, um nach herannahenden Wachen Ausschau zu halten.
Die Reichtümer, die in diesem Grab aufgehäuft waren, übertrafen die Erwartungen der Männer bei Weitem. Neben allerhand Edelhölzern in Form von Stühlen, Kisten und Truhen fanden sie Goldvasen, Amulette und goldene Dolche. Dann öffneten sie den Sarkophag des verstorbenen Herrschers. Bisher hatten sie sich nur am Eigentum des Toten vergangen. Das war zwar bereits eine schwere Sünde, aber der Diebstahl der Grabbeigaben hatte nur wenig Einfluss auf das jenseitige Leben des Verstorbenen. Nun aber entnahmen sie die Totenmaske und wickelten den Toten aus den Binden, welche nach der Einbalsamierung um seinen Körper gewunden worden waren. Jedes der goldenen Schutzamulette, das dabei zum Vorschein kam, wanderte in einen kleinen Sack. Dann hatten sie nur noch den balsamierten Leichnam selbst vor sich. Sie rissen den Halsschmuck und die Ringe des Verstorbenen ab und steckten sie ein. Anschließend rafften sie zusammen, was sie tragen konnten. Die Diebe packten mehrere Säcke voll und schoben diese durch das Loch hinaus. Draußen nahm Inebni die Sachen entgegen und legte die Säcke auf den Boden. Senep verließ die Kammer als Erster. Ihm folgte sein Sohn. Als Amenpanufer noch einen letzten Blick auf die Verwüstung richtete, die sie hier hinterließen, erfasste ihn ein eigenartiger Übermut. Leise lachend warf er die Fackel mitten in einen Stapel von hölzernen Gegenständen. Als die Flammen hinter ihm hochschlugen, spürte er die Hitze, die durch das kleine Loch entwich. Schnell beeilte er sich, zu den anderen ins Freie zu kommen. Leise murmelte er: »Wir müssen schnell verschwinden. Mir ist da drinnen die Fackel hinuntergefallen. Das ganze Grab brennt.«