Oberhessisches Sagenbuch Teil 61
Oberhessisches Sagenbuch
Aus dem Volksmund gesammelt von Theodor Bindewald
Verlag von Heyder und Zimmer, Frankfurt a. M., 1873
Verzaubertes Heu
Der alte Weidmüller, er ruht nun schon lange auf dem Kirchhof, hatte bei der Pfarrvakanz in Eschenrod die große, schöne Pfarrwiese gepachtet, welche unter dem Bilstein auf dem Baalsacker liegt.
Im Stillen, wie das so geht, beneidete ihn darum ein Mann und sprach zu einem Freund des Müllers: »Du, der Weidmüller mag einmal Acht geben. Was geschieht, wenn sein Vieh das Futter frisst.«
Aber der hatte keinen Glauben daran und schlug sich das Gerede mit Lachen aus dem Sinn. Doch er sollte es gewahr werden.
Mitten im Winter, als man dem Vieh wie sonst die Raufen vollgesteckt hatte, war auf einmal alles Vieh los von der Kette, fraß nichts, kannte seinen Herrn nicht, tobte und sprang im Stall wütend umher wie eine Herde böser Brüllochsen. Was war zu machen? Helfen konnte kein natürliches Mittel, denn hier war Zauberei im Spiel. Es war das Heu vom Baalsacker.
So suchten die Leute in ihrer Drangsal Rat bei einem klugen Bauern in Eschenrod. Der kam, sprang unter das Vieh, schlug dreimal jedem Tier auf die Nase und mit der flachen Hand dreimal kreuzweise über den Rücken, und Stück für Stück war wieder zahm und lammfromm wie vorher. Zu gleicher Zeit gab er auch, denn er war ein ganzer Viehdoktor und ausbündig gescheit, heilkräftiges Getränk fürs Vieh. Das mussten sie ihm geben, die Reste dagegen sorgfältig über der Stalltür verbergen. So wurde der Zauber über das Heu aufgehoben und dem armen Vieh geholfen, ohne Schaden seines Herrn.