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Hannikel – 6. Teil

Christian Friedrich Wittich
Hannikel
oder die Räuber- und Mörderbande, welche in Sulz am Neckar in Verhaft genommen und daselbst am 17. Juli 1787 daselbst justifiziert wurde
Verlag Jacob Friderich Heerbrandt, Tübingen, 1787

Hannikel und seine Käther brachten sieben Kinder zusammen, deren Anzahl nachgehend durch einen Buben namens Johann Christoph, auf Zigeunerisch Dieterlin, der den 3. April 1774 zu Hohenhaslach geboren und getauft worden war und wirklich neben seinem Vater im Gefängnis saß, vermehrt wurde. Unter diesen Kindern waren verschiedene, die sich durch sehr gute Gaben auszeichneten.

Allein durch eine schlechte Erziehung verwahrlost und von ihren Eltern bloß tierisch geliebt, ahmten sie ihren Sitten nach, wurden Taugenichtse und machten sich in ihrem jungen Leben schon mehrerer schweren Verbrechen schuldig. Es ging ihnen wie dem jungen Wild. Sieht es die Alten über Zäune und Mauern hinübersetzen, so wagt es sich auch hinten nach, unternimmt die gefährlichsten Sprünge, hilft Vater und Mutter die Fluren des Landmanns abfressen und zerwühlen und bringt es in Kurzem so weit, dass es ohne Anweisung selbst auf Raub ausgehen und die größten Verwüstungen anrichten kann.

Die zahlreiche Hannikelische Familie, die bereits zu zehn Personen angewachsen war, wollte nun auch erhalten sein.

Das hätte freilich auf die allerrechtmäßigste Art durch Arbeiten geschehen können; umso mehr, da ihnen der Schöpfer Verstand, Gesundheit und die erforderliche Leibeskräften dazu geschenkt hatte. Allein weit entfernt von diesen edlen Gaben Gebrauch zu machen, zogen sie lieber den Bettel und Müßiggang nach und legten sich, da sie den Hang nach Wollust nicht hinlänglich dabei sättigen konnten, auch noch nebenher aufs Stehlen. Dieses Letztere trieben sie seit vielen Jahren her so recht handwerksmäßig und erlaubten sich dabei die allerabscheulichsten Grausamkeiten.

Was nun Hannikel als Dieb anbelangt, so war er keiner von denen, die beim Blusenknopf anfangen und zuletzt ganze Stumpen Geld und was sie sonst noch erwischen können, wegschleppen. Gleich beim ersten Raub packte er auf seine Schultern, was er konnte, und lief mit demselben davon. Er brachte es auch in kurzer Zeit so weit, dass ihm keine Wand zu hoch, keine Mauer zu dick und kein Schloss zu fest war, das er nicht hätte aufbrechen, übersteigen und durchstoßen können. Es stand gar nicht lange an, so war ihm alles willkommen – Gold, Silber Kleinod, Kleider, Möbel aller Art.

Er wusste auch schon, wo er seine Waren wieder abstoßen konnte. Nicht alle Diebstähle, die Hannikel beging, wurden beim Verhör erhoben. Um allzu großen Weitläuftigkeiten auszuweichen, untersuchte man nur diejenige, deren er sich seit 20 Jahren schuldig gemacht hatte. Sie waren auch schon hinlänglich, um an ihm den größten Bösewicht kennen zu lernen. Ich erzähle hier einige seiner Diebstähle in der Reihenfolge, in welcher sie bei der Inquisition vorgekommen sind.

Unter den Ländern, welche Hannikel durchstreifte, war auch das Herzogtum Württemberg. Er kannte sehr viele Ortschaften darin und besonders den Flecken Eltingen im Leonberger Amt. Lange hatte er seinen Anschlag auf des dortigen Pfarrers Haus gemacht und schon mehrmals das Absehen genommen, wo er wohl am schicklichsten zukommen könnte. Er teilte sein Vorhaben seinen Spießgesellen, dem Wenzel, Summele, Descherte Baderle, Lienhard und Bastardi mit und verlangte von ihnen, dass sie mit ihm gemeinschaftliche Sache machen möchten. Diese, schon gewohnt, Hannikel auf den ersten Wink zu folgen, willigten sogleich in seinen bösen Rat. Sie marschierten daher in der Nacht vom 26. bis zum 27. Januar vorigen Jahres Eltingen zu. Die beiden Weibsleute, die sie bei sich hatten, ließen sie in dem Weilerstädter Wald zurück.

Es war zwischen zwölf und ein Uhr, als die Diebe das Dorf erreichten. Der gute Pfarrer Israel Gottlieb Knoderer lag mit seiner Gattin ruhig in dem ersten Schlaf, ohne dass er Unrat gemerkt und etwas Böses vermutet hätte. Die Diebe trugen zwei zusammengebundene Leitern herbei und legten sie am Kammerfenster seines Hauses an. Hannikel schlich zuerst an derselben hinauf, löste, wie er es auch sonst zu machen gewohnt war, mit seinem Sackmesser eine Fensterscheibe aus, schob mit der rechten Hand durch dieselbe den Riegel zurück und stieg, da er nirgends kein Lärmen hörte, auf den Kammerboden. Descherte folgte ihm sogleich hinten nach.

Ein voller, halb offener Kleiderkasten fiel ihnen zuerst auf. Sie plünderten denselben nicht nur aus, sondern sammelten auch noch neben herum zusammen, was sie konnten, warfen es denen unten an der Leiter stehenden Diebskameraden zu und eilten sodann mit ihnen in den Weilerstädter Wald zurück, wo sie ihren Raub unter sich aufteilten.

Gewehre hatten die Diebe diesmal nicht bei sich, sondern waren bloß zur Notwehr mit Prügeln versehen.

Der Schaden, der durch diesen Raub dem Pfarrer an Manns- und Frauenkleider, Tuch etc. zugefügt wurde, belief sich auf 254 fl. 48 kr.

Weit beträchtlicher war derjenige Diebstahl, welchen Hannikel mit seinem Bruder Wenzel und zwanzig anderer seiner Diebskameraden, die mit Ausnahme des deutschen Leonhards alle Zigeuner waren, an dem Juden Bähr Moises zu Dettweiler vor ungefähr elf Jahren, auf die gewaltsamste Weise verübten. Hannikel war dabei wie gewöhnlich der Anführer. Der Gottlose schwärzte sein Gesicht mit Kohlen, stieß durch Beihilfe einer an des Juden Haus angelegten Leiter mit einem Prügel das Fenster ein, begab sich durch dasselbe mit dem Fontin und neun anderen Zigeunern in die Stube des Juden, riss mit diesen den Juden und dessen Weib unbarmherzig aus dem Bett, band sie an Händen und Füssen mit Stricken und schlug sie alles Winseln und aller erbärmlichen Krümmungen unerachtet so lange auf den bloßen Leib, bis sie sagten, wo sie ihr Geld und Kostbarkeiten aufbewahret hätten.

Hiermit begnügten sich aber die Bösewichte noch lange nicht, sondern sie setzten den Juden auch noch nackt auf die zerbrochenen Fensterscheiben. Als er ihrer Meinung nach immer noch nicht genug hergeben wollte, so brannten sie ihm mit einer Holzfackel auch noch die Fußsohlen aus, und misshandelten ihn überhaupt so barbarisch, dass er nach einem Schreiben vom Oberamt zu Elsass-Zabern am 15. September vorigen Jahres, 14 Tage danach vermutlich an diesem unmenschlichen Traktament gestorben war.

So lange Hannikel, Fontin und Hellele den Juden auf diese Art misshandelten, plünderten die anderen dessen Kramladen, brachen Kisten und Kästen mit Äxten auf, nahmen alles, was sie an Geld Silber und Gold auch an Kleidern und Leinwand fanden, heraus und packten es in ihre Säcke.

Als sie nun das ganze Haus des Juden geleert hatten, zogen sie in der Ordnung zu zwei und zwei, wie sie hermarschiert waren, wieder ab und zum Flecken hinaus.

Jeder von diesen Zigeunern führte bei diesem Einbruch einen Pistol und Flinte, die entweder mit Kugeln oder Posten geladen waren. Beim Hinmarsch rief Hannikel und ein anderer den Leuten, die aus ihren Fenstern sahen, ganz ernsthaft zu: Sie seien sämtlich von der französischen Garde und haben vom König Befehl, den Juden abzuholen und nach Strasburg zu liefern, weil er verbotene Ware geführt habe. Es solle sich auch niemand unterstehen, sich ihnen zu widersetzen, sonst werden sie den Ersten, der sich nur rühre, sogleich totschießen.

Auch brauchte Hannikel noch weiter die Vorsicht, dass er nicht nur das Wachhaus besetzen und die darin befindliche vier Wächter unter Bedrohung des Niederschießens, wenn sie sich rühren würden, verwahren ließ, sondern er schlug auch noch vor dem Angriff in das Schloss an der Kirchentür ein Stück Holz, damit man solche nicht öffnen und Sturm schlagen könne.

Bei dem Abmarsch wollten die Einwohner des Ortes diese Diebsbande verfolgen.

Letztere feuerten aber ihre Gewehre auf jene ab, sodass wirklich zwei Bauern verwundet worden waren, da dem einen die Kugel in dem oberen Leib zwischen Haut und Fleisch stecken blieb, der andere aber am Arm verletzt war.

Hannikel musste auch bekennen, einen dieser Bauern angeschossen zu haben, da nur er und Dodelo ihre Gewehre mit Kugeln, die übrigen aber alle solche mit Schrot geladen hatten.

Der auf diese Art unmenschlich misshandelte und bestohlene Jude Bähr Moises zu Dettweiler und dessen drei Söhne haben diesen verübten Diebstahl auf 5000 fl. Ästimier, über welchen Anschlag die Inquisiten auch nichts Erhebliches vorzubringen gewusst hatten.

Zu Ingwiller im Hanau-Lichtenbergischen beging Hannikel in der Nacht vom 8. auf den 9. Christmonat im Jahr 1771 mit seinem Bruder Wenzel und 24 anderen Zigeunern und Bauern einen auf gleiche Weise mit Gewalttätigkeiten und Misshandlungen verknüpften Einbruch und Diebstahl. Es galt dem dortigen Juden Löwe Levi. Hannikel war abermals Anführer. Die Geschichte davon, so wie er sie selbst erzählt, ist Folgende.

Der reiche Löwel Levi gab einem Betteljuden ein sehr geringes Almosen. Dieser beschwerte sich darüber bei einem gewissen Taugenmacher in Wengen. Seine Unzufriedenheit über den reichen Juden ging so weit, dass er wünschte, dass derselbe bestohlen werden und um alle seine Habe kommen möchte.

Der Taugenmacher auch aufgebracht über den Ingwiller Juden, erzählte solches Hannikel und versprach ihm nicht nur zugleich seine treue Dienstleistung, wenn er einen Einbruch bei demselben versuchen würde, sondern versicherte ihm auch zu eben dieser Absicht, den dortigen Nachtwächter auf die Seite zu bringen.

Anträge von der Art waren Hannikel immer sehr willkommen. Er machte daher sogleich Anstalt, zog die erforderliche Mannschaft zusammen und nach kurzen Verabredungen begaben sie sich in der bestimmten Nacht nach Ingwiller. Der dienstfertige Nachtwächter und der getreue Taugenmacher warteten ihrer schon lange. Sie hatten auch bereits für sie eine Leiter an die Stadtmauer angeschlagen. An dieser kletterten die Diebe hinauf, zogen solche nach sich, befestigten sie an der anderen Seite der Mauer auf weit heraufragenden Staffeln. So kamen sie auf eine sehr leichte Art in die Stadt.

Der Nachtwächter ging voran und zeigte ihnen des Juden Haus, befahl ihnen aber, dass sie erst alsdann in dasselbe einbrechen sollten, wenn er am oberen Tor blasen werde. Kaum hatte dieser Bösewicht sein Signal gegeben, so rissen ihrer zwei mit den Händen den Fensterladen auf und schlugen mit der vom Nachtwächter erhaltenen Axt das Fenster ein.

Durch dasselbe stieg sodann Hannikel mit noch fünf anderen in die Stube, die übrigen zwanzig hingegen hielten mit geladenen Flinten und Pistolen die Wache um das Haus herum.

Hannikel riss, sobald er in die Stube kam, den Juden an den Haaren aus dem Bett und versetzte demselben mit einem zwei fingerbreiten und armlangen Stemmeisen einen starken Streich oben auf den Kopf, sodass er darüber zu Boden sank. Des Juden Frau, die bei diesem unerwarteten Auftritt außer aller Fassung kam und tief unter die Decke hinunter gekrochen war, wurde ebenfalls an den Haaren aus dem Bett gezogen, in die Stube hingeworfen, mit Schnüren hart gebunden und sodann nebst ihrem Mann auf den bloßen Leib erbärmlich geschlagen.

Der gottlose Hannikel überließ die weitere Misshandlung seinen Kameraden und brach nun mit einem seiner Gehilfen die in einer Kammer gestandenen zwei Koffer und einen Kasten mit der Axt auf und steckte alles, was er darin fand, in seine weite Schnappsäcke. Nachdem sie sich schwer genug beladen hatten, zogen sie endlich wieder ab, nahmen denselben Weg zurück, den sie hergekommen waren, und teilten sodann ihren Raub unter sich in dem sogenannten Bärental auf. Ihre Diebesbeute bestand in vieler Gold- und Silbermünze, Silbergeschirr und Ringen, auch einem grautuchenen Rockelor und einem Manschettenhemd.

Denen, die während dieses Diebstahls am Haus Wache gehalten hatten, befahl Hannikel, dass sie diejenige, die etwa dem Juden zu Hilfe kommen wollten, zurückweisen und bedrohen sollten, sie totzuschießen. Würden sie aber Gewalt anlegen, so sollten sie wirklich mit ihren mit Schrot geladenen Pistolen auf sie Feuer geben. Allein sie fanden nirgends Widerstand. Die Bauern bezeugten vielmehr Freude an der Misshandlung des Juden und riefen ihnen beim Angriff auf das Haus zu, sie sollen nur nicht vergessen, dem Juden seine Handschriften zu verbrennen. Es seien daher viele seiner Schuldverschreibungen von ihnen teils zerrissen, teils verbrannt worden.

Der beraubte Jude Löwel Levi schätzte den durch diesen Diebstahl erlittenen großen Verlust eidlich auf 10.000 Gulden.