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Oberhessisches Sagenbuch Teil 57

Oberhessisches Sagenbuch
Aus dem Volksmund gesammelt von Theodor Bindewald
Verlag von Heyder und Zimmer, Frankfurt a. M., 1873

Der Ranzen des Zauberers

Ins Betzenröder Wirtshaus kam im vorigen Jahrhundert einmal der Wasenmeister von Grünberg und bestellte sich bei der Wirtin eine gute Mahlzeit. Seinen ledernen Ranzen, der, wie es schien, ganz leer war, hing er an einen Nagel der Wand auf. Zugleich sagte er der Wirtin, bis das Essen fertig sei, wolle er vorher noch einmal ins Dorf gehen, denn er habe da viele Geschäfte.

»Um Leib und Leben aber rührt mir den Ranzen nicht an«, sprach er bei zwanzig Mal zu der Frau.

»Ja doch«, antwortete die, »geht nur.«

Kaum aber hatte er ihr den Rücken gezeigt und die Tür war ins Schloss gefallen, so lief die neugierige Alte, wie eben die Frauen sind, die gerne hinter alles kommen mussten, herzu und tupfte nur so ein klein wenig an den Ranzen. Gerechter Gott! Gleich fing der an, aufzuschwellen, wurde dicker und dicker und zuletzt so unförmlich, dass ihr himmelangst wurde und sie heulend in die Kammer sprang.

Ungerufen und wie der Blitz kam nun aber auch der Wasenmeister zur Stubentür hereingesaust und schrie im höchsten Schrecken: »Was habt Ihr mir gemacht! Wer weiß, ob ich über das Ding noch Herr werde!«

Mit Gemalt riss er den Ranzen herab, hing ihn sich um und schlug mit einem Prügel wütend auf ihn los.

Unter diesem Schlagen machte er sich davon und ließ auch die bestellte Mahlzeit im Stich. Die Wirtin aber konnte von Glück sagen, denn das war ein böser Geist, den er in den Ranzen gebannt hatte. Wäre der herausgekommen, so hätte er nachher für immer in ihrem Haus gespukt.