Elbsagen 56
Elbsagen
Die schönsten Sagen von der Elbe und den anliegenden Landschaften und Städten
Für die Jugend ausgewählt von Prof. Dr. Oskar Ebermann
Verlag Hegel & Schade, Leipzig
56. Der als Knecht dienende Teufel
Ein Edelmann, der in der Nähe von Torgau ansässig war, ging einmal spazieren. da begegnete ihm ein Mann in Gestalt eines reisenden Knechtes. Es war aber der Teufel. Den fragte er, ob er sich zu ihm in Dienst begeben wolle, denn er bedürfe eines Dieners. Freilich wusste er dazumal nicht, wer jener war.
Da antwortete der Knecht: Ja, er wolle ihm dienen.
Als der Edelmann ihn fragte, wie er heiße, sagte er, er heiße Schart, das heißt auf Böhmisch der Teufel.
»Wohlan«, sprach der Edelmann, »so geh mit mir heim.«
Dort führte er ihn in den Stall und zeigte ihm die Pferde, die er warten sollte. Dieser Edelmann war aber ein gottloser Mensch, der sich vom Straßenraub ernährte, wozu er denn freilich einen guten Knecht bekommen hatte. Einstmals ritt nun der Edelmann und vertraute ihm ein Pferd an, das ihm sonderlich lieb war. Das sollte er fleißig warten. Da nun der Junker hinweggeritten war, führte der Knecht das Pferd auf einen hohen Turm. Als aber der Edelmann wieder zu seinem Haus zurückkehrte, erkannte ihn das Pferd, steckte den Kopf oben vom Turm zum Fenster hinaus und fing zu schreien an, sodass er sich darüber sehr wunderte und fragte, wer denn das Pferd dort hinaufgeführt hätte. Da sprach der fromme Knecht, er habe es getan, damit das Pferd gut verwahrt sei und er seines Herrn Befehl fleißig nachkommen möge. Das Pferd musste mit großer Mühe vom Turm wieder heruntergelassen werden.
Nicht lange darauf begab es sich, als der Junker auf einen Beutezug aus war, dass diejenigen, welche er beraubt hatte, ihm nacheilten.
Da sprach der Knecht: »Junker, gebt eilig Flucht und steigt ab vom Pferd, denn sie kommen Euch nach!« Dann aber kam er bald wieder zu ihm und sagte, er habe den Pferden der Verfolger alle Hufeisen abgenommen, sodass sie nicht fortkommen könnten, und klingelte mit dem Sack, in dem die Eisen waren.
Endlich aber wurde der Edelmann um eines Mordes willen gefangen. Als er nun im Gefängnis lag, rief er diesen Knecht um seine Hilfe an. Der Knecht gab ihm aber zur Antwort, er könne ihm nicht helfen, denn er habe zu starke eiserne Hosen an, mit eisernen Senkeln zugebunden. Aber der Edelmann bat ihn weiter und sagte, er könne ihm doch helfen und ihn erretten, wenn er es nur tun wolle.
Da ließ sich der Knecht endlich überreden und sprach: »Wohlan, ich will dir helfen. Du musst aber die Hände festhalten und nicht damit hin und her fahren, denn ich kann es nicht leiden.« Er meinte, er solle kein Kreuz für sich machen.
Der Edelmann aber sprach, er solle ihm nur hinweg- und davonhelfen, so wolle er sich ganz ruhig verhalten.
Da nahm der Knecht ihn und führte ihn in der Luft davon, mit den Ketten und Fesseln.
Da aber der Edelmann in der Luft erschrak, schrie er überlaut: »Hilf Gott, wo bin ich?«
Kaum waren die Worte gesprochen, so ließ der Teufel ihn hinunter in einen Pfuhl fallen, kehrte heim, berichtete es seiner Frau und sagte, sie solle ihn holen lassen.
Die Frau lief sogleich mit dem Gesinde hinaus, fand ihren Junker im Sumpf liegen und machte ihn los.