Dreizehn Jahre im Wilden Westen – Kapitel XVI
Dreizehn Jahre im Wilden Westen
Oder: Abenteuer des Häuptlings Sombrero
Nürnberg, 1877
XVI. Tyler. Abraham Lincolns Denkmal. Zurück nach Austin. Eilmärsche nach Cottonchin. Georgetown. Lagerleben in Austin.
Wir mussten einige Zeit in Tyler verweilen und den Zivilbehörden beim Einfangen von Mördern und Verbrechern Hilfe leisten, sodass wir in kleinen Abteilungen das Land durchstreiften. Da unser Taschengeld sehr zusammengeschmolzen war, so musste wieder neuer Vorrat verschafft werden. Es wurde also ein großes Schreiben aufgesetzt. Am Morgen ging mein Freund Hill damit unter die Negerbevölkerung und sammelte Beiträge für ein Denkmal ihres Befreiers, des Präsidenten Abraham Lincoln. Ein paar von uns machten Brotpillen, in Zucker gerollt, welche für kaltes Fieber sehr gut sind und die ich für fünfundzwanzig Cent per sechs Stück verkaufte. Am Abend hatten wir etwa hundert Dollar in der gemeinschaftlichen Kasse. Eine große Festivität folgte. Nächsten Morgen kamen einige Neger, die den Monumentschwindel gerochen hatten, zum Offizier, um ihren Beitrag wieder zu holen, was aber nicht so leicht ging. Zwar erkannten die Neger Hill und er wurde vom Offizier unter Wache gestellt. Als aber der Offizier mittags kam, um Hill zu untersuchen, fand er weder Wache noch den Gefangenen vor, da alles im Wirtshaus war, wo Hill eben die Festrede hielt. Er wollte Hill noch länger in Arrest halten, konnte aber niemand finden, um ihn zu bewachen. So musste er ihn gehen lassen.
Bald verließen wir Tyler und kehrten nach Austin zurück, nach einer Abwesenheit von sieben Wochen. Der Zahlmeister kam und die Truppen in Austin erhielten vier Monate Bezahlung. Am Abend ging jedermann mit oder ohne Erlaubnis in die Stadt und um neun Uhr wurde eine Patrouille hineingeschickt, um die Herren nach Hause zu bringen.
Als sich diese aber selbst besoff und das Heimgehen vergaß, so wurde um zehn Uhr eine andere geschickt, die es nicht besser machte, ja einige davon verloren ihre Säbel. Um elf Uhr ging der Hauptmann selbst mit einer dritten Patrouille und einigen Wagen zur Stadt. Nun wurden die Unzurechnungsfähigen, welche nimmer gehen konnten, aufgeladen und heimgefahren, wo man sie im Wachhaus ablud. Die anderen wurden heimmarschiert und ebenfalls eingesteckt. Nächsten Tag saß das Kriegsgericht zusammen. Da man bei dem gegenwärtig strengen Dienst alle Leute haben musste, so wurden sie sämtlich freigelassen und zu fünf Dollar Strafe per Mann verurteilt, die Patrouillen bekamen zehn Dollar Strafe.
Mittlerweile waren wieder große Unruhen im Städtchen Cottonchin, einer der verrufenen Plätze in Texas, vorgekommen. Dahin wurde eine Abteilung kommandiert, um Ruhe herzustellen. Als sie aber zurückgeschlagen worden waren und unverrichteter Sache heimkehrten, ja sogar einige Gefangene, die sie gemacht hatten, ihnen wieder abgenommen worden waren, musste meine Kompanie ausrücken und in Eilmärschen nach Cottonchin reiten. Wir nahmen den Platz mit Gewalt, plünderten teilweise und nahmen auch viele Verbrecher gefangen, worauf die unbesiegbare Kompanie wieder heimkehrte. Tags darauf ging ich mit Major H. und sieben Mann an eine Expedition in die Umgegend von Fort Mason, wo wir in Llano-Städtchen einen halben Tag blieben, um zu fischen. In der Gegend von Georgetown wollten wir einen Mörder fangen und ritten daher auf das Haus zu, als ein Kerl davonlief und immer um ein großes eingezäuntes Feld herum, ich hinter ihm her, bis mich ein großer Stier angriff und beinahe mein Pferd aufgeschlitzt hätte; aber ich hatte keine Zeit, mit ihm zu spielen. Als wir zum dritten Mal um das Feld gerannt waren, holte ich meinen Mann ein, steckte ihm die Pistole hinters Ohr, bis er seine Waffen abgab, worauf ich ihn zum Haus brachte, welches unsere Leute in Besitz genommen hatten. Halpin war einem anderen Missetäter nachgeritten, fiel aber in einen tiefen Graben, den er in der Eile nicht gesehen hatte, Als ich nach Austin zurückkam, gab ich mein altes Pferd ab und bekam ein neues sehr gutes dafür. Darauf ging ich mit einigen meiner Kameraden und einem Infanterie-Offizier über Georgetown, wo wir die Nacht über im Schulhaus campierten zum großen Verdruss der Einwohner, die am Morgen den Platz wieder zu reinigen hatten; dann nach Baco, Gatesville und Muffet Town. Da uns aber der Infanterie-Offizier nicht gefiel, weil er Märsche und Halte nicht so machte, wie wir dachten, dass es für unsere Pferde gut sein würde, so beachteten wir ihn nicht mehr, sondern machten Halt, wann wir dachten, es wäre Zeit. Wir hatten einen Wagen mit, und ich ritt mit dem Wagen als escort, während meine Leute so weit voraus waren, dass wir nicht mehr wussten, welchen Weg sie eingeschlagen hatten. Daher machten wir Halt, spannten aus und machten uns da zu Hause, bis am anderen Tag die anderen zurückkamen, elend hungrig über die Provisionen herfielen, dass sie sich beinahe krank aßen, denn sie hatten vierundzwanzig Stunden gefastet.
Bei Round Rock konnte es der Offizier nicht mehr mit uns aushalten. Er ging deshalb nach Austin zurück und verklagte uns beim Oberst, der ihm sagte, dass er wahrscheinlich mit Kavallerie nicht umzugehen wisse. Wir setzten unsere Reise ruhig fort, bis wir in Austin anlangten. Nun wurde ich in das Quartiermeister-Office kommandiert, wo ich einige Monate beschäftigt war und Extrazahlung erhielt.
Als einmal neue und wilde Pferde angekauft waren, wurde ich zum Zureiten genommen, wobei gelegentlich ein Pferd, das sich besonders dumm aufführte, mit mir durch die offene Tür des Kontors sprang und darin rechts und links ausschlug, bis wir es wieder hinausbrachten. Ein anderes Mal sattelte ich ein recht hübsches dreijähriges Pferd, als es mich so kräftig auf den Magen schlug, dass ich das Maul weit aufriss und zwei Minuten lang keine Luft schöpfen konnte. Als ich aufsaß, machte es nicht viel und ließ sich ganz gut dirigieren, sodass ich es in die Stadt ritt. In der Hauptstraße aber blieb es stehen. weder Peitsche noch Sporen konnten es bewegen, weiter zu gehen. Es schlug mir nur immer die Steigbügel von den Füßen weg, wandte den Kopf, biss nach meinem Bein und führte sich überhaupt unartig auf. Nachdem ich vergeblich versucht hatte, fortzukommen, stieg ich endlich ab und führte es aus der Stadt.
Nachdem die Pferde im Regiment verteilt waren, kehrte ich wieder zur Kompanie zurück. Jeden Morgen zur Neveille wurde eine Kanone vor dem Quarthaus abgeschossen, was der wachhabende Unteroffizier zu besorgen hatte; ebenso bei Sonnenuntergang. Wir pflegten oft alte Säcke und Zeug hineinzuladen, damit es arger knallte. Als ich einmal an Wache war, lud ich eine alte Hose und Weste hinein und war fertig zum Abfeuern, als unser Pferdedoktor, ein Deutscher, hergeritten kam. Ich wartete, bis er ungefähr acht Schritte vor der Kanone war und feuerte, dass die alten brennenden Lumpen nur so um ihn herumflogen. Das Pferd machte ein paar Sprünge, schmiss den Doktor ab und galoppierte zum Stall. Der Doktor erhob sich wieder und fuhr ebenfalls furchtbar räsonierend ab, hütete sich aber in Zukunft, um Kanonen herumzureiten.
Da jeder Soldat ein paar Hunde hielt, so hatten wir bald so viele, dass man an Parade die Soldaten vor lauter Hunden nicht sehen konnte. Der General gab daher Befehl, sie sämtlich zu vergiften. Zwei Tage lang fuhr ein Wagen im Lager herum, tote Hunde aufladend.
Da unser Freund Nolan oft sehr schwer zu wecken war, so machten wir einmal ein kleines Feuer bei seinen Füßen, als er im Schatten eines Baumes schlief, gingen dann weiter und vergaßen ganz und gar darauf. N. schlief auch fort, bis ihm die Strümpfe von den Füßen gebrannt und diese auch voll Blasen waren, sodass er vierzehn Tage keine Stiefel tragen konnte und vom Dienst entschuldigt war.
Es wurden viele dergleichen dumme Streiche gemacht und nie eine große Schlange erschlagen, ohne sie jemand ins Bett zu legen. Ja einmal, als wir einen Stein nach einem großen Schwein warfen, dass es betäubt hinfiel, nahmen wir es. Da Taylor im Bett lag und den Schlaf des Gerechten schlief, hoben wir seine Decke sanft auf und legten das dreckige Schwein neben Taylor, worauf wir beide wieder schön zudeckten. Das Schwein kam bald zur Besinnung und gab Taylor mit seiner kalten Schnauze ein paar Stöße in die Rippen, wobei es ganz freundlich grunzte. Taylor, der sich von einem Grizzly gepackt dachte, schrie um Hilfe, sprang aus dem Bett und lief fort wie der Wind, während das Schwein nun wieder ganz hergestellt im schnellen Trab der Heimat zueilte.
Während der Nacht hatten wir Feuer im Lager, wobei fünf Zelte verbrannten. Da wir über den Zelten ein Sonnendach von Reisig hatten, das ganz ausgetrocknet war, so brannte das Feuer hoch auf. Bei dieser Beleuchtung hatte einer von meiner Kompanie mit einem Kavalleristen vom 6. Regiment einen Faustkampf, welcher dauerte, bis beide in Arrest abgeführt wurden.
Ich wurde nun nach Webberdille geschickt, um einen Streit wegen des Besitzes eines Hauses zu schlichten. Ich hörte die Beschwerden beider Kläger, gab beiden Recht, quartierte mich auf ihre Kosten im Hotel ein und kehrte am Morgen ganz erhaben über meine juristischen Kenntnisse nach Austin zurück, wo ich die Sache als zur allgemeinen Befriedigung abgemacht rapportierte.
Als ich eines Morgens meinen Freund Hartleib in seinem Zelt besuchte, fand ich, dass er sehr bleich aussah. Ich stellte ihn darüber zur Rede. Er sagte mir, dass am Morgen, als er seinen Stiefel anzog, eine schwarze Spinne darin war und ihn in den Fuß biss und dass er sich etwas unwohl fühlte. Da ich wohl wusste, dass wir hier viele solche Spinnen hatten, deren Biss tödlich ist, so riet ich ihm, sogleich zum Arzt zu gehen oder ich würde ihn holen, wenn er es wünsche. Er lachte mich aus und dachte, dass es sich schon bald von selbst geben würde. So ging ich zu meinem Zelt zurück. Kurz darauf wurde Hartleib auf dem Boden seines Zeltes schneeweiß und bewusstlos liegend gefunden und zum Hospital getragen. Dort wurde von Früh sieben Uhr bis Mittag elf Uhr der stärkste Branntwein als Antidotum in ihn hineingegossen, genug, um das ganze Regiment betrunken zu machen. Endlich fing er zu singen an. Er war besoffen und der Branntwein hatte die Herrschaft über das Gift errungen, sodass er erst nach zwei Tagen wieder nüchtern wurde, doch konnte er erst nach einigen Wochen das Hospital als völlig genesen verlassen.
Nun kam ein großer General, um eine tour of Inspection in den verschiedenen Posten zu machen. Er verlangte dazu nur sechs auserlesene Leute als Bedeckung, und ich hatte das Vergnügen, zu der Partie zu gehören.