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Westernkurier 07/2012


Auf ein Wort, Stranger, was weißt du über einen Cowboy namens Teddy?

Als er am 27. Oktober 1858 in New York das Licht der Welt erblickte, ahnten weder sein mit niederländischen Wurzeln behafteter Vater, der erfolgreiche Geschäftsmann Theodore Roosevelt sen., dessen Frau Martha Mattie, geborene Bulloch oder noch sonst irgendjemand in den Vereinigten Staaten, dass aus diesem zierlichen Jüngelchen einst sowohl der jüngste Präsident des Landes als auch der populärste Politiker seiner Zeit werden sollte.
Was kein Wunder war, denn die Voraussetzungen hierfür erschienen zunächst denkbar ungünstig.
Theodore Roosevelt Junior war nicht nur ziemlich schmächtig, sondern auch Asthmatiker und zudem noch stark kurzsichtig.
Nur durch einen geradezu eisernen Willen, selbstredend auch unterstützt durch sein vermögendes Elternhaus, gelang es ihm mit Unterstützung von Privatlehrern, in den Genuss einer solch hervorragenden Schulbildung zu kommen, dass es ihm möglich war, anno 1876 an der Harvard-Universität zu studieren. Nach seinem erfolgreichen Abschluss im Jahre 1880 schrieb er sich an der Columbia-Universität in New York ein. Noch im gleichen Jahr heiratete er Alice Hathaway Lee und wurde kurze Zeit später Vater einer Tochter.
1881 wurde er als jüngster Abgeordneter der Republikanischen Partei in das Parlament des Staates New York gewählt und 1882 erschien sein erstes Buch Der Seekrieg 1812, das in Fachkreisen stark beachtet wurde und im US-Kongress sogar zur Genehmigung eines Flottenrüstungsprogramms führte.

Der Stern des jungen Theodore begann am Karrierehimmel der Politik immer stärker zu strahlen. Aber dann kam das Jahr 1884, und damit das Jahr, in dem unvermittelt seine Frau und kurz darauf auch seine Mutter starb.
Von Gram gebeugt drehte er New York den Rücken zu und suchte in den Weiten des Westens Vergessen. Er kaufte in Dakota eine Rinderranch und lebte dort fortan unter Cowboys, Felljägern und Indianern. Dabei lernte er den Menschenschlag des Westens kennen und entwickelte für ihn eine nie enden wollende Sympathie, was sich Jahre später darin zeigte, dass er ehemaligen Revolvermännern wie Bat Masterson oder Pat Garrett hohe Verwaltungsposten zukommen ließ.
Bis zu seinem Tod 1919 behauptete er immer wieder, dass die Zeit als Rinderzüchter in Dakota die glücklichste seines Lebens gewesen sei. Ehrlich gemeinte Aussagen wie diese waren mit ein Grund dafür, dass sein Name, zumindest in Amerika, bis in unsere Tage hinein unvergessen ist.
Doch das Glück war nur von kurzer Dauer.
Bereits ein Jahr später schlug das Schicksal erneut erbarmungslos zu. 1885 erlebte er die plötzlich einsetzende Krise der Landwirtschaft und den nahezu völligen Zusammenbruch des Rindermarktes am eigenen Leib mit. Wie so viele andere Farmer und Rancher führte auch er die Krise nicht auf klimatische Verhältnisse wie Dürre oder unverhoffte Kälteeinbrüche oder die Konkurrenz ausländischer Fleischanbieter zurück, sondern auf das Treiben der Hochfinanz und das Gebaren der Bankenwelt.
Hier liegen auch die Wurzeln seiner Feindschaft gegenüber dem Big Business und dem Kapital, denen er später einmal entschlossen entgegentreten sollte.
Bestürmt von seinen Freunden aus der Republikanischen Partei ging er 1886 wieder nach New York zurück, kandidierte für den Posten des Bürgermeisters von New York und heiratete noch im gleichen Jahr Edith Carow. Aus dieser zweiten Ehe gingen insgesamt fünf Kinder hervor.
Die Wahl verlor er im Übrigen, er erhielt nur 27 Prozent der Stimmen, was aber dennoch ein respektables Ergebnis war, wenn man im Nachhinein weiß, wie stark die Wahl von Fälschungsvorwürfen und Korruption überschattet wurde.
1895 startete Theodore Roosevelt dann aber endgültig durch.
Zunächst ernannte man ihn zum Leiter der New Yorker Polizei. Er trieb deren Modernisierung voran, bekämpfte die Korruption und fiel der Öffentlichkeit erstmals durch seine akribische und effiziente Auslegung der Gesetze auf.
Sein sonntäglich verordnetes Alkoholverbot ist Legende.
Im gleichen Maße, wie ihn der einfache Mann auf der Straße zu achten begann, wandten ihm viele seiner Parteifreunde den Rücken zu. Allesamt Politiker, die mit den Banken, einflussreichen Geschäftsleuten und Verbrechern die Millionen von Schmiergeldern zahlten und gemeinsam einen einflussreichen Klüngel bildeten.
Einen Anderen an seiner Stelle hätte der New Yorker Trust längst entsorgt, aber Roosevelt war inzwischen aus der Öffentlichkeit nicht mehr wegzudenken. Also entschieden sich seine Gegner für die elegantere Art, um ihn aus der Stadt zu bringen.
Sie machten ihren gesamten Einfluss geltend, und ehe sich der junge Theodore versah, schlug man ihn als Staatssekretär für das Marineministerium vor.
Doch auch in dieser Position ging der eigenwillige Roosevelt unbeirrbar seinen Weg. Er unterstützte die Forderung nach einem Krieg gegen Spanien, welche die Unabhängigkeitsbestrebungen Kubas blockierte, und legte beim Ausbruch des bewaffneten Konflikts sein Amt nieder, um mit einer von ihm gegründeten Kavallerieeinheit, den sogenannten Rough Riders, auf Kuba aktiv am Kriegsgeschehen teilzunehmen.
Als er 1899 wieder in die Vereinigten Staaten zurückkehrte und für das Amt des Gouverneurs von New York kandidierte, gewann er als Kriegsheld die Wahl bereits im ersten Durchgang.
Er setzte für den kleinen Mann Reformen bei den Arbeitsbedingungen durch und hatte maßgeblichen Anteil an der Verbesserung des Versorgungs- und Verkehrssystems des Staates.
Im Jahre 1900 wurde er an der Seite von William McKinley Vizepräsident der Vereinigten Staaten. Als dieser am 6. September 1901 bei der Pan America Ausstellung in Buffalo / N. Y. durch den polnischen Anarchisten Leon Czolgosz angeschossen wurde und acht Tage später seinen Verletzungen erlag, war Roosevelt am Ziel.
Er wurde noch im Oktober des gleichen Jahres der 26. und gleichzeitig jüngste Präsident der Vereinigten Staaten. Zu diesem Zeitpunkt war Roosevelt gerade 42 Jahre.
Danach ging es Schlag auf Schlag.
Er verlieh den fünf zivilisierten Stämmen der Cherokees, Creeks, Seminolen, Choctawas und Chikasaws das Bürgerrecht und machte sich an die Zerschlagung der Großkonzerne.
Im Oktober 1902 zwang er bei einem Bergarbeiterstreik in Pennsylvania die Arbeitgeber zu einer Lohnaufbesserung von 10 Prozent. Er besetzte die kolumbianische Provinz Panama, trieb den Bau des gleichnamigen Kanals voran, errichtet Nationalparks und machte sich für den Tierschutz stark.
Letztere Bemühungen waren es auch, die ihm den Namen Teddy einbrachten, unter den ihn heute noch ganz Amerika kennt.
Eine Geschichte übrigens, die irgendwann um 1902 ihren Ursprung hatte.
Auch während seiner Amtszeit als Präsident ließ er es sich als Westmann nicht nehmen, regelmäßig Jagdausflüge zu unternehmen. Bei einem von diesen im Staate Mississippi hatte er es sich vorgenommen, einen Bären zu schießen.
Es ließ sich allerdings keiner blicken.
Um den Präsidenten nicht zu verärgern, suchten die Jagdhelfer so lange, bis es ihnen endlich gelang, einen Bären aufzutreiben, wenn auch einen kleinen. Sie banden das knapp zwei Zentner schwere Tier an einen Baum und gaben ihn Roosevelt zum Abschuss frei. Der Präsident weigerte sich allerdings, auf diese Weise zu einer Jagdbeute zu kommen und verzichtete auf den finalen Fangschuss. Überlieferungen nach sollen die Jagdhelfer das Tier schließlich mit ihren Messern zur Strecke gebracht haben.
Diese Geschichte nahm Clifford Berryman, der Karikaturist der Washington Post, zum Anlass, Roosevelt und den Bären für eine Ausgabe der Zeitung in verniedlichender Form darzustellen.
Die Leser schlossen den Bären umgehend in ihr Herz und wollten in der Folgezeit über dieses kleine Intermezzo immer mehr erfahren. Clifford ließ den Bären mit jeder weiteren Abbildung niedlicher und knuffiger erscheinen und so kam es, dass aufgrund der Tatsache, dass im Amerikanischen die Kurzform für Theodore Teddy lautete, der kleine Bär bei den Lesern schnell als Teddys Bear und schließlich als Teddy Bear bekannt wurde.
Ganz zufällig hatte in diesem Jahr das deutsche Unternehmen Steiff mit der Produktion eines Bären mit beweglichen Gelenken und einem Knopf im Ohr begonnen und so begann der Siegeszug eines Plüschtiers, das bis heute unter dem Namen Teddybär bekannt ist.
Roosevelts Regierungskurs, außenpolitische Expansion, innenpolitisch die Stärkung der Arbeiterschaft und die medienwirksame Umsetzung von Natur- und Tierschutz ließen seine Wiederwahl ins Präsidentenamt nur noch zur Formsache werden.
Während seiner zweiten Amtsperiode vermittelte er in Europa in der Marokkokrise. Als Unterhändler erreichte er bei einer Auseinandersetzung zwischen Russland und Japan einen Friedensvertrag, wofür er 1906 letztendlich den Friedensnobelpreis erhielt, und suchte danach die Annäherung der USA an Japan. Mit seiner Art der Auslegung der Monroe-Doktrin verbot er sich aber gleichzeitig eine Einmischung der Europäer in die amerikanische Hemisphäre.
Obwohl ihm alle Optionen offenstanden, lehnte er eine dritte Amtszeit ab und begann stattdessen die Welt zu bereisen. Er besuchte Afrika und Europa und bereiste danach das Amazonasgebiet, in dessen tropischen Wäldern er erkrankte und schließlich an den Folgen am 6. Januar 1919 verstarb.

***

Insgesamt gesehen ist die Geschichte Theodore Roosevelts die Geschichte eines Mannes, der schon zu Lebzeiten zur Legende wurde. Aber wie bei allen Legenden gibt es auch bei ihm einige Dinge, die gerne verschwiegen werden, damit der Öffentlichkeit das strahlende Bild seines Helden unbefleckt in Erinnerung bleibt.
Slatermans Westernkurier ist seit mehr als einem halben Jahrzehnt dafür bekannt, dass er gerne einmal auch hinter die Kulissen blickt, um dem Leser ein möglichst ungeschminktes Bild über das wahre Leben im Wilden Westen aufzuzeigen. Deshalb wollen wir auch in diesem Fall gewisse Dinge erwähnen, über die in der Regenbogenpresse über das Leben und Wirken von Theodore Roosevelt immer noch gerne geschwiegen wird.
Roosevelt gilt nämlich heute noch als Kriegstreiber und Militarist.
Getreu seinem Leitspruch »Speak softly and carry a big stift, and you will god far«, was frei übersetzt heißt: »Sprich sanft und trage einen großen Knüppel, dann wirst du weit kommen«, legte er sich mit Kolumbien, Nicaragua und halb Europa an und scheute sich auch nicht, gegen ehemalige Verbündete mit Waffengewalt vorzugehen.
Er legte auch den Grundstein dafür, dass sich die USA auch heute noch als Weltpolizist fühlen. Dabei nutzte er gnadenlos die Macht der Presse aus.
Das beste Beispiel dazu war sein Bild in der Öffentlichkeit als Kriegsheld während der Kubakrise.
Es ist sicherlich richtig, dass er aus ehemaligen Cowboys und jungen, abenteuerlustigen Reitern aus dem Geldadel der Oststaaten das sogenannte Rough Riders Regiment gründete, aber es ist ebenso eine Tatsache, dass diese Männer als Fußgänger – sie durften ihre Pferde nämlich nicht mit nach Kuba nehmen – an keiner einzigen militärischen Aktion teilnahmen. Der Kriegsheld Roosevelt tötete auch keinen Feind, sondern erschoss lediglich einen unbeteiligten, betrunkenen Zivilisten, und der Großteil der Truppe starb auch nicht durch feindliches Feuer, sondern erlag ganz banal einer der unzähligen Seuchen, von denen Kuba damals während des Krieges heimgesucht wurde.
Alles Dinge, die auch heute keiner wissen will.
Theodore Roosevelt gefiel sich in der Rolle des Westmanns und Helden, der für den einfachen Arbeiter immer ein offenes Ohr hatte. So wird er heute noch als Cowboypräsident wahrgenommen.
Was bleibt, ist das Fazit, dass er trotz seiner sicherlich vorhandenen Verdienste für Amerika auch nicht besser oder schlechter war als die anderen Präsidenten, wenn man sich bei ihm auf das Wesentliche beschränkt.
Wer seine wahre Geschichte kennt, weiß, dass seine Leistungen seiner Legende in kleinster Weise gerecht werden.
Damit wären wir wieder einmal am Ende unserer kleinen Kolumne.

Ich hoffe, man liest sich wieder, wenn es auch im nächsten Monat heißt: Auf ein Wort, Stranger

Euer Slaterman

Quellennachweis:

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