Kinder des Yig
Andreas Zwengel
H. P. Lovecrafts Schriften des Grauens 5 (Hrsg.: Jörg Kleudgen)
Kinder des Yig
Horror, Thriller, Taschenbuch, BLITZ-Verlag, Windeck, Oktober 2018, 228 Seiten, 12,95 Euro, Covermotiv: Mario Heyer, Innenillustration von Jörg Neidhardt
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»Die Visionen, die OpenMind bei mir auslöste, unterscheiden sich von den früheren Schreckensbildern, die meinen Ruf als Maler begründet hatten. Die damaligen Motive waren aus mit selbst gekommen, den Abgründen meiner Seele und meines Bewusstseins. Geformt durch die Horrorfilme, die ich in meiner Jugend gesehen hatte. Diese Bilder hier waren neu, sie hatten nichts mit mir zu tun und wurden mir von außen eingegeben. Konnte eine Droge auch Informationen transportieren?«
Noch vor einigen Jahren war Silas Gerny ein erfolgreicher Maler. Inzwischen lebt er von Auftragsarbeiten und seinem verblassenden Ruhm. Durch Zufall lernt der Künstler den Drogendealer Janis kennen und durch diesen die Droge OpenMind. In dieser Nacht entsteht ein neues Meisterwerk, das Silas‘ Agenten die Freudentränen in die Augen triebt. Von da an geschehen im Umfeld des Künstlers groteske Todesfälle, merkwürdige Gestalten verfolgen ihn. Silas wird entführt, dauerhaft unter OpenMind gesetzt und muss derart sinnbetäubt ein Bild nach dem anderen produzierten.
Unvermittelt ist der Maler in einen Drogenkrieg der etwas anderen Art geraten. Denn OpenMind wird aus den Kindern des Yig gewonnen, Schlangenmenschen, die seit Anbeginn der Welt existieren und nun getarnt unter den Menschen leben. Mithilfe seiner Bilder können seine Entführer die Kinder des Yig aufspüren.
»Stakkatohaft flackerten Bilder durch mein Bewusstsein. Dazwischen immer wieder dunkle, ölige Leiber, die sich über- und umeinander wanden. Ich sah glänzende Schuppen und längliche Pupillen, wenn ich die Augen schloss. Eine geschlitzte Zunge fuhr mit entgegen und wischt knapp an meinen Gesicht vorbei.«
Mit Kinder des Yig legt Vielschreiber und BLITZ-Verlag-Stammautor Andreas Zwengel (Schattenchronik, Der Butler, Raumschiff Promet) seinen ersten Roman in der Reihe H.P. Lovecrafts Schriften des Grauens vor. Wie seine anderen Romane und Kurzgeschichten schon vermuten lassen, hat man hier eher einen modernen und flott erzählten Gespensterkrimi in Händen, sozusagen eine altmodische Gruselmär in der Tradition Lovecrafts.
Das beginnt schon damit, dass der Roman nicht etwa in einem abgelegenen Landstrich Neuenglands zu Beginn des 20. Jahrhunderts spielt, sondern in der deutschen Finanzmetropole schlechthin, nämlich Frankfurt am Main.
Die Hauptfigur Silas Czerny, die sich mehr schlecht als recht über Wasser hält, passt eher in einem Psychothriller als in eine klassische Horrorgeschichte. So beginnt Kinder des Yig auch wie ein Großstadtkrimi, bevor der Künstler bemerkt, dass mit dem erneuten Auflodern seiner Kreativität auch etwas Gefährliches Einzug in sein Leben gehalten hat, das mit rationalen Maßstäben nicht zu erklären ist.
In diesem Stadium wird mit dem Moment der Unsicherheit und des Unerwarteten exzellent gespielt. Die mysteriöse Bedrohung, der Silas Gerny offensichtlich ausgesetzt ist, hält sich noch im Verborgenen und erweist sich dadurch umso wirkungsvoller. Relativ früh jedoch demaskieren sich die Schlangenmenschen, der Rätselfaktor bricht damit merklich zusammen und Kinder des Yig funktioniert »nur« noch als Thriller, in dem zufällig Schlangenmenschen die Stelle einer beliebigen Drogengang einnehmen. Der originell erdachte Mystery-Plot wandelt sich zu einem rasanten Actionthriller.
Dieser Umschwung untergräbt zwar die geheimnisvolle Atmosphäre, doch muss man konstatieren, dass Andreas Zwengel alles in allem ein souveräner Autor ist, der seine Leser in keiner Minute langweilt. Als Beitrag, um das Spektrum der Lovecraft-Reihe aufzuweiten, kann man den Roman durchaus dort stehen lassen.
Unbedingt erwähnenswert ist auch das Covermotiv von Mario Hayer. Ganz dem »Nichtbeschreibbaren« und Unfassbaren verpflichtet, scheint sich das zentrale Gebilde einer genauen Betrachtung zu entziehen. Teile sind offenbar gespiegelt, so der erste, flüchtige Eindruck, doch gibt es auch Elemente, die nicht auf beiden Seiten gleich sind. Sehr gelungen!
Fazit:
Eher ein urbaner Fantasy-Thriller als Lovecraft verpflichtet.
(eh)