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Dreizehn Jahre im Wilden Westen – Kapitel XIII

Dreizehn Jahre im Wilden Westen
Oder: Abenteuer des Häuptlings Sombrero
Nürnberg, 1877

XIII. Desperados. Austin.

Eben wurde im Fort Mason der Hauptmann Thomson und ein Soldat von einem Desperado erschossen. Es ist nämlich ein Kaufladen mit Wirtschaft in der Nähe des Forts, wo sowohl Soldaten als auch Zivilisten verkehren. An diesem Tag waren sehr viele Leute da und es wurde stark getrunken, als ein Desperado mit einem Soldaten Streit bekam. Captain Thomson, der gerade mit Frau und Kindern vorbeifuhr, hielt an und versuchte, den Streit zu schlichten, als der Desperado ihm eine Kugel durch den Kopf sandte. Eine andere beendete die Karriere des Soldaten, worauf sich die Mörder auf ihre Pferde schwangen, davon sprengten und noch ein paar Schüsse in die unbewaffnete Menge fliegen ließen. Im Fort sattelte alles gleich auf und bald durchstreiften Abteilungen die Gegend ringsum nach den Mördern. Sie fanden auch einen Mann und hängten ihn sogleich auf. Es stellte sich aber am nächsten Tag heraus, dass es nicht der Richtige war.

Die Indianer ließen sich nun auch wieder sehen. In der Nähe von Camp Verde verbrannten sie eine alte Frau und verwundeten ihre Tochter. Nicht weit davon erschossen sie einen Mann und stahlen ein Kind. Wir wurden sogleich zur Verfolgung ausgeschickt, verloren aber die Spur und kehrten unverrichteter Sache zurück. Auf dem Weg wurde unser Vorrat an Fleisch erschöpft. Allen und ich ritten hinaus, um ein Stück Vieh zu schießen. Bald fanden wir eine kleine Gruppe wildes Vieh und ich schoss einen schönen zweijährigen Ochsen. Allen lief hin, um ihm den Hals abzuschneiden, als das Tier wieder aufsprang und auf Allen losging, welcher an einem Mesquite-Busch hinaufkletterte, wobei ihm der Stier von hinten nachhalf. Allein der Busch war nicht stark genug und fing an, sich zu biegen. Je höher Allen kletterte, desto mehr bog sich der Busch zur Erde, während ihm der Stier furchtbar zusetzte. Allen war in Todesangst und versuchte immer höher zu kommen, wobei er mir zurief, ich sollte um Gotteswillen das Vieh erschießen, da ich ihm zu lange brauchte, mich mit allerhand ausgesuchten Namen nannte. Aber das Schießen ging nicht so leicht, denn ich war vor Lachen vom Pferd gefallen und wälzte mich nun in der Prärie herum. Bei jedem Stoß, den Allen erhielt, hätte ich beinahe zerplatzen mögen. Es sah zu komisch aus.

Der Stier, der tödlich verwundet war, stürzte nun zusammen und gab den Geist auf, während Allen sich examinierte, um zu sehen, ob nichts gebrochen sei.

Hier und da trug ich die Post zum Städtchen Börne, welches sechsunddreißig Meilen entfernt war, gerade ein Tagesritt. Wir gingen hin den einen Tag und zurück den anderen. Dabei ritten wir sehr schnell, um so viel Zeit wie möglich in der Stadt zu haben. Auch nahm ich manchmal eine Ladung türkischen Korns zur Mühle in Bandeira mit, wobei man natürlich nie vergisst, einige Extrasäcke beizuladen, um die Reisekosten herauszuschlagen. Das Korn ist zwar nur Pferdefutter, doch ließen wir hier und da eine Portion mahlen, um Brot davon zu backen. Ich wurde mit drei Mann nach Fort Mason geschickt, wo wir einige Tage liegen mussten. Das Pferd, welches ich ritt, war früher bloß zu Wettrennen benutzt worden, wurde aber verkauft, weil es niemand halten konnte, wenn es laufen wollte. Es hatte ein Maul so hart wie Stahl und bog die besten Gebisse gerade, wie es wollte. Nun, während ich in Fort Mason war, fand ein großes Wettrennen statt. Wir ritten alle auf die Rennbahn, um die Geschichte mit anzusehen. Bald war alles fertig und die Reiter warteten nur auf das Wort Go. Ich stand nicht weit von dem Ausgangspunkt, als das Signal gegeben wurde und die Pferde heranbrausten. Nun drehte sich aber auch mein alter Gaul. Trotz allem Zurückhaltens und Reißens am Zügel ging er fort. Zwanzig Mann hätten ihn nicht mehr halten können. Er lief in der Bahn, holte die beiden Rennpferde ein und war der Erste am winning post.

Unter einem allgemeinen Hurra kam er als Sieger hervor, was aber nichts half, denn er lief gerade            fort durch den Wald, über Felsen und Steine, durch dick und dünn. Meinen Hut hatte ich schon lange verloren. Nun verlor ich noch einen meiner Stiefel, die mir viel zu groß waren. Es half aber alles nichts, die Bestie lief fort bis in die Nähe von Colt Springs, wo er aus Erschöpfung anhielt. Ich ließ ihm nicht viel Zeit, sondern kehrte gleich nach Mason zurück. Am nächsten Tag traten mir unsere Rückreise nach Camp Verde wieder an, wo ich ein besseres Pferd bekam. Unser nettes Haus war nun fertig und am Samstagabend zogen wir ein. Am Sonntagmorgen ging die Festlichkeit schon um vier Uhr an. Warmer Punsch wurde serviert und bis sieben Uhr getrunken, wo es dann Frühstück gab. Nach dem Frühstück wurden einige Fässer Wein, Bier und Schnaps angezapft. Dazu spielte die Regimentsmusik patriotische Lieder. Es wurde gesungen, getanzt und lustig gefeiert. Ein großartiges Mittagsessen erfreute die Herzen aller denjenigen, die noch nüchtern genug zum Essen waren. Als es gegen fünf Uhr zum Stall blies, marschierten wir mit Musik zum Stall, von wo wir die Pferde zum Tränken in den Fluss ritten. Auf dem Rückweg hatten wir ein allgemeines Wettrennen, wie man es nicht leicht zu sehen bekommt. Einer, mit Namen Pie, sprengte im Karriere unter einem gespannten Wäscheseil durch, welches er nicht sah und das ihn gerade an den Hals traf, sodass er sich in der Luft sieben bis acht Mal überschlug und dann auf die Füße fiel wie ein gelernter Kunstreiter; nur wäre ihm der Hals beinahe dabei gebrochen.

Wir fütterten schnell und marschierten zurück zum Haus, wo dann der Spektakel erst recht losging. Gegen zwei Uhr stürmte der erste Sergeant, der auch genug Schnaps hatte, mit einer Holzhacke bewaffnet herein, jagte die Gäste hinaus und die Mitglieder ins Bett.

Einige Wochen nach dieser Festivität erhielt die Kompanie Befehl, nach Austin in Garnison zu gehen. So wurde gepackt und bald waren wir auf dem Weg zur Hauptstadt von Texas. Den ersten Tag ritten wir nur fünfzehn Meilen und hielten vor dem Städtchen Comfort für die Nacht. Sobald Stall vorüber war, drückte sich alles fort, und bald war eine schöne Gesellschaft in der Wirtsstube des Hotels versammelt, wo es auch ziemlich lebhaft herging.

Bald wurden allerhand dumme Wetten gemacht, unter anderem, wer die meisten rohen Eier aussaugen könnte. Der die wenigsten zusammenbrachte, hatte für die ganze Geschichte zu bezahlen. Nun wurden einige Körbe Eier hereingeschleppt und jeder tat sein Möglichstes, wobei ich sechsunddreißig Stück aussaugte. J. Bliß hatte achtunddreißig und andere hatten es kaum bis auf zwanzig gebracht. Kurz darauf verabschiedete ich mich aber und legte mich in den Wald, wo ich furchtbar seekrank wurde. Von Comfort gingen wir nach Boerne und San Antonio, wo die Kompanie in Streitigkeiten kam. Wir wurden deshalb gleich von der Stadt weg beordert und hielten am Fluss Sybilla. Von da ging es zum deutschen Städtchen New Brownfeld, wo wir ebenfalls abends eine kleine Ruhestörung hatten, dann nach Manchank Springs und zuletzt nach Austin, wo wir zwei Meilen von der Stadt unser Lager aufschlugen.

Am folgenden Abend ging alles in die Stadt, was Erlaubnis bekommen konnte, und wer keine bekam, ging sowieso. Als wir spät nachts nach Hause gingen, bildete sich mein Freund Nolan, der etwas mitgenommen war, ein, dass das Camp auf der anderen Seite des Colorado wäre, ließ sich nichts einreden, sondern schwamm hinüber. Auf der anderen Seite, die nicht bewohnt war, gefiel es ihm nicht und er schwamm wieder zurück. Doch hielt er sich nochmals für falsch und schwamm zum zweiten Mal hinüber, seine Kleider zurücklassend, wo er am Morgen auf einem Sandhügel sitzend, eine Zeitung lesend, gefunden wurde. Ein anderes Mal schlief er die ganze Nacht in einem Kaktusbusch, worauf wir den ganzen Tag beschäftigt waren, die groben und feinen Stacheln aus seinem Körper zu ziehen.

Es wurde in der Stadt ein Beamter ermordet. Eines Abends bekamen wir Nachricht, dass sich der Mörder in dem Haus des Bürgers McCarty, einige Meilen von der Stadt, aufhielt. Sogleich bekamen etwa fünfzehn von uns Befehl, aufzusatteln. Bald waren wir auf dem Weg, von einem Lieutenant befehligt. Es war zehn Uhr abends, als wir das Haus umringten. Vor der Tür rief man den Bewohnern zu, die Tür aufzumachen, welche Bitte McCarty mit einem Schuss beantwortete, der zwei Mann tot hinstreckte. Nun hatte die Höflichkeit ein Ende und wir brachen in das Haus, nahmen McCarty gefangen und hätten ihn gleich gehängt, wenn nicht unser Offizier es verhindert hätte. So wurde das Haus angezündet und mir kehrten mit unseren beiden Gefangenen nach Austin zurück, von wo sie seiner Zeit entkamen.

Kurz darauf wurde ich an Eskorte kommandiert, der einige Forts zu besuchen hatte. Mit ungefähr dreizehn Mann machten wir uns auf den Weg in Richtung Fort Mason. Am zweiten Abend machten wir bei Cold Springs Halt und richteten uns ein, die Nacht gemütlich zuzubringen. Bald aber kam eine Rotte ausgehungerter Schweine, die in Texas tausendweise halb wild umherliefen. Ihre Köpfe sahen aus wie der Kopf eines Alligators, mit langen Mäulern, langen Beinen und Borsten, die in die Höhe standen, sodass man sie für Hyänen halten konnte. Major H. lag auf dem Rücken im Gras, lesend, als ein extra mageres Schwein ihm das Buch aus der Hand riss und damit fortlief. Der Major sprang auf und erlegte es mit einem guten Schuss. Dies war das Zeichen zum allgemeinen Angriff und bald war das Lager von vierfüßigen Schweinen gesäubert. Da wir keinen gemahlenen Kaffee bei uns hatten, ging ich zu einem in der Nähe liegenden Haus, um eine Kaffeemühle zu borgen. Es wohnten zwei Deutsche dort und sie gaben mir mit Vergnügen Erlaubnis, meinen Kaffee dort zu mahlen. Der Tisch war noch gedeckt und sie hatten allem Anschein nach erst Mittag gegessen, als der eine das Zimmer verließ und im Hinausgehen dem anderen auf Deutsch zurief, er sollte wohl Acht auf die Messer und andere Gegenstände geben, da man uns Kerlen nicht trauen dürfe. Nachdem sie noch einige Worte gesprochen und keine Ahnung hatten, dass ich deutsch verstehe, ging der eine weg. Mir hatte niemand angesehen, dass ich wusste, worüber sie sprachen und ich mahlte ruhig fort. Als ich fertig war, bedankte ich mich schön und ersuchte ihn dann auf Deutsch, seine Messer und anderes Gelump zu zählen, ehe ich fortging, worauf er mich ganz betroffen anschaute und um Entschuldigung bat. Darauf rief er seinen Kumpan herein, stellte mich als Landsmann vor und traktierte gleich eine Flasche Wein. Später einmal kam ich wieder dahin und wir nahmen ein Pferd von ihm, das nach Fort Mason gehörte, vor einiger Zeit gestohlen und an ihn verkauft worden war.