Bisonjäger – Teil 2
Die Stämme
Es ist in der Wissenschaft allgemein üblich, Stämme von gleicher oder ähnlicher Kultur, aber verschiedener Herkunft nach Sprachfamilien zu ordnen, da Stämme verwandter Sprachen einen gemeinsamen Ursprung haben müssen.
Bei den Bisonjägern sind dies Algonkin, Caddo, Sioux, Athabasken, Uto-Azteken und sogenannte Isolierte, zu denen die Kiowa-Tano mit ihren sieben Sprachen zählen, die im Entferntesten mit der Uto-Atztekischen verwandt ist.
Diese Sprache zählt übrigens Stand 2013 nur noch ca. 100 Sprecher, womit sie moribund, das heißt, vom Aussterben bedroht ist.
Die Namen dieser Sprachfamilien sind eine Erfindung der Wissenschaft, da die Indianer selbst keine solchen Bezeichnungen kennen.
All diese Sprachfamilien kommen auch außerhalb des Gebietes vor, sind also keineswegs nur auf die Plains und die Prärien beschränkt.
So finden sich die Algonkin beispielsweise vornehmlich im nördlichen Waldgürtel und von den Crees wissen wir, dass sie erst nach 1750 zu Bisonjägern wurden. Auch die Cheyenne waren um 1650 noch Waldbewohner und von den Ojibwa stieß nur ein Teil des Stammes in die Prärie vor, wo er von der Plains-Kultur aufgesogen wurde.
In all diesen Fällen haben wir es mit relativ späten Wanderungsbewegungen zu tun, die durch das Vorrücken der Siedlungsgrenze ausgelöst wurden. Die Caddo im Süden zeigen enge Verwandtschaft zum Südosten, sie können allerdings nur bedingt als Bisonjäger gelten.
Die Pawnee, Arikara und Wichita stellten auch in historischer Zeit insofern eine Ausnahme dar, als diese noch dazu intensive Gartenwirtschaft betrieben.
Die Mandan nahmen wahrscheinlich unter dem Einfluss der benachbarten Arikara diese Wirtschaftsform an und auch die Hidatsa waren Maisbauern.
Die Sioux-Stämme sind nachweislich Einwanderer aus dem Osten.
Das kriegerische Erbe der Oststämme fand in den Taten dieser Indianer seine Fortsetzung, doch es wäre falsch, die Kultur der Plains-Indianer nur auf diesen Aspekt zu reduzieren.
Die Assiniboin saßen um 1640 noch im südlichen Ontario, wo sie in engem Kontakt mit den Crees lebten. Mit diesen zusammen wanderten sie die Plains ab, wo sie erst dann zu Jägern und Nomaden wurden. Die Dakota siedelten ursprünglich im südlichen Minnesota und im nordwestlichen Wisconsin, wo sie erst in historischer Zeit von ihren besser bewaffneten östlichen Nachbarn in die Prärie abgedrängt wurden.
Die Schoschonen und Ute gehören sprachlich ins Plateaugebiet.
Von allen Uto-Azteken-Stämmen sind eigentlich nur die Comanchen ganz zu Bisonjägern geworden. Über die Wanderungen der isolierten Kiowa herrscht wenig Übereinstimmung, doch berichtet eine Stammessage, dass die Kiowa ursprünglich am oberen Missouri ansässig waren.
Die sprachliche Verteilung erlaubt kaum Rückschlüsse auf die ursprünglichen Jägergruppen.
Zwar sind die Dialekte der Blackfoot, Arapaho und Gros Ventre so verschieden von den übrigen Algonkin-Sprachen, dass nur eine frühe Isolierung im Gebiet der Bisonjägerkulturen als Erklärung gilt, doch erschließt sich daraus nur ein Teil des Problems.
Da man nicht annimmt, dass große Teile des Gebiets unbesiedelt waren, bleibt nur die Erklärung, dass die kleineren Nomadengruppen in protohistorischer Zeit von den Einwanderern absorbiert worden sind.
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Damit wird deutlich, dass ein großer Teil der Bisonjäger das Ergebnis verhältnismäßig später Wanderungsbewegungen ist. Die große Beweglichkeit der Reiternomaden führte rasch zu einer Vereinheitlichung der Kultur mit den sesshaften Stämmen, wobei allerdings so typische Dinge wie deren Rindenkanu, Korbarbeiten oder eine entwickelte Schnitzkunst bei den Bisonjägern gänzlich fehlten.
Auch spielten Fischfang und die Jagd auf Kleinwild keine oder nur eine geringe Rolle, da die Bisonjäger bis auf wenige Ausnahmen ihren Lebensunterhalt nur durch die Jagd auf den Bison bestritten.
Diese Kultur findet sich in seiner reinsten Form im Herzen der Plains und Prärien wieder, wogegen an den Grenzen überall Mischkulturen aufkamen.
Der Einfluss der Bisonjäger machte Stämme wie die Flatheads, Yakima, Spokane, Bannock und Nez Perce sowie die nördlichen Schoschonen nur vorübergehend zu Reiterstämmen. Typische Nomaden und Großwildjäger wurden diese Stämme nicht, es wird aber vermutet, dass sie bei längerem Kontakt in den Kreis der Bisonkulturen aufgegangen wären. Doch diese Entwicklung fand ein jähes Ende mit dem Untergang der Plains-Indianer durch den weißen Mann.
Bei der Verschiedenheit der Sprachen bei all diesen Stämmen war ein allgemeines Verständigungsmittel vonnöten. Die von den Plains-Indianern entwickelte Zeichensprache erfüllte nicht nur diese Bedingung, sondern ermöglichte überdies eine Verständigung über größere Entfernungen.
Die in dieser Zeichensprache enthaltenen Möglichkeiten sind wesentlich größer, als man gemeinhin denkt, selbst Märchen ließen sich damit mühelos erzählen.
Mit ihrer Hilfe konnten auch Kriegstaten und wahre Begebenheiten erklärt und Zeremonien beschrieben werden. Jeder Stamm hatte sein eigenes Zeichen, das gleichzeitig als Erkennungssignal diente.
Die Tatsache, dass ein solches Verständigungsmittel entwickelt worden war, sollte Beweis genug dafür sein, dass die Stämme der Bisonjäger in häufigem Kontakt miteinander standen.
Auch heute noch lebt die Zeichensprache weiter, obgleich sie durch das Englische immer mehr in den Hintergrund gedrängt wird, denn ihre ursprüngliche Bedeutung als allgemeines Verständigungsmittel zwischen den Stämmen verschiedener Sprachen hat sie inzwischen ja eingebüßt.
Die Einteilung der Stämme durch die Verschiedenheit ihrer Sprache stimmt nicht in allen Fällen, da man oft auch ihre politische Gliederung hinzuziehen muss. So bildeten die Omaha und Ponca zum Beispiel trotz gleicher Sprache zwei für sich völlig selbstständige Einheiten. Ähnliches lässt sich bei den Piegan, Blood und den nördlichen Blackfoot beobachten.
Die Dakota zerfallen in drei Dialektgruppen, Santee, Zentrale und Teton, die wiederum erneut mehrere Stämme umfassen, ohne dass allen dabei das Wissen um ihren gemeinsamen Ursprung verloren ging, denn Dakota bedeutet »Freunde«.
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Zahlreich waren die Stämme der Bisonjäger nie im Gegensatz zu den Stämmen Afrikas oder Asiens. Die Zulus zählten um 1820 fast 250.000 Seelen, die Hereros über 80.000 und die Zahl der Angehörigen der Massai ging in die Hunderttausende, bei den asiatischen Stämmen gar in die Millionenhöhe. Man denke nur an das chinesische Han-Volk oder die Santal in Indien und Pakistan.
Dagegen macht sich die Anzahl der etwa 3500 Menschen, die der Stamm der Cheyenne um 1800 zählte, geradezu bescheiden aus. Selbst die gefürchteten Comanchen hatten in ihren besten Zeiten um 1700 kaum mehr als 7000 Mitglieder, obgleich ihr Name der Schrecken aller spanischen Siedler vom Rio Grand bis weit hinein ins Herz von Texas war. Die Kiowa-Apachen bestanden um 1803 gar nur aus 300 Menschen.
Als Großstämme unter den Bisonjägern galten in den Jahren um 1780 bis 1800 die Pawnees mit 10.000, die Dakota mit etwa 25.000, die Assiniboin mit 10.000 und die Blackfoot mit rund 15.000 Menschen. Also kein Vergleich zu den Naturvölkern anderer Kontinente, erst recht nicht, wenn man bedenkt, wie weit verstreut sie in ihren Gebieten lebten. Die Crow zum Beispiel, um 1780 etwa 4000 Mitglieder stark, siedelten in einem Land, das etwa 260.000 Quadratkilometer groß war, also größer als die Bundesrepublik Deutschland vor der Wiedervereinigung 1990.
Nur dort, wo der Ackerbau neben der Jagd wesentlich zum Lebensunterhalt beitrug, war die Siedlungsdichte höher. Da das ganze Gebiet aber schon vor 1850 wiederholt von den eingeschleppten Seuchen der weißen Siedler, als da Pocken, Blattern und Typhus wären, heimgesucht wurde, verschob sich das Verteilungsbild zeitweilig ganz erheblich.
Manche Stämme büßten dadurch ihre militärische Vorherrschaft ein und wurden dann von ihren ungeschwächten nomadischen Nachbarn verdrängt, was wiederum einen stetigen Rückgang der Landwirtschaft treibenden, sesshaften Stämme zur Folge hatte.
Quellennachweis:
- Bisonjäger, Kosmos-Bibliothek Band 223 von Dr. Gustav A. Konitzky, Franckh’sche Verlagshandlung Stuttgart 1959, neu bearbeitet und in Szene gesetzt von G. Schulz, Ludwigsburg 2019