Romantruhe-Western Band 39
C. C. Slaterman
Romantruhe-Western Band 39
Showdown am Sweet Water Creek
Western, Paperback, Romantruhe, Kerpen-Türnich, Juni 2019, 64 Seiten, 4,95 Euro, Titelbild: Pojular
www.romantruhe.de
Kurzinhalt:
Die Spätmittagssonne stand einer weißglühenden Scheibe gleich am westlichen Himmel, als die beiden Reiter die Ausläufer der Kalksteinberge des Cap Rock Massivs verließen. Staub wallte unter den stampfenden Hufen ihrer Pferde auf, während sie nebeneinander auf einen kleinen Creek zugaloppierten, dessen schmales Band sich träge durch das Land schlängelte …
Leseprobe
Die Sonne stand tief im Westen und ihre letzten Strahlen tauchten den Himmel in leuchtendes Purpur. Vom Ufer des Sweetwater Creeks drang leise das Muhen und Schnauben einer kleinen Rinderherde zu den nahen Hügeln hinauf. Dort, verdeckt von einem Wald aus Gelbkiefern und Eschen, hielten fünf Reiter, die allesamt schwer bewaffnet waren.
Großkalibrige Colts steckten in ihren tief geschnallten Halftern und Winchestergewehre in den Sattelscabbards.
Lewis Miller, ein Hüne von über sechs Fuß Größe und zweihundert Pfund Körpergewicht, verzog sein Gesicht zu einem gewalttätigen Grinsen, während er die vorbeiziehenden Rinder und die beiden Cowboys beobachtete, die immer wieder Nachzügler an die Herde heranführen mussten.
»Okay Jungs, dann wollen wir mal.«
Als die Männer ihre Pferde anspornen wollten, hob Miller die Hand.
»Denkt daran, der Boss will, dass wir es auf die raue Art machen, verstanden? Die sollen gleich beim ersten Mal merken, dass es kein Spaß ist. Anderson muss aus dem Tal verschwinden.«
Die anderen nickten und zogen die Colts.
Mit wilden Schreien stießen sie den Pferden die Hacken in die Weichen, schossen aus den Colts in die Luft und verließen den Schutz des dichten Waldes. Wie eine wild gewordene Indianerhorde galoppierten sie der kleinen Herde entgegen.
Die Hufe trommelten auf den Boden. Staubfahnen wehten zum Fluss hinunter. Die überraschten Cowboys wussten zunächst nicht, wie sie reagieren sollten. Sie hatten zwar auch ihre Gewehre und Colts dabei, aber bevor ihnen der Gedanke kam, zu den Waffen zu greifen, waren die Reiter heran.
Eine Kugel fegte Mike Jones, einem der beiden Cowboys, den Hut vom Kopf, während sein Sattelpartner von einem Gewehrkolben getroffen wurde. Der Mann stieß einen gellenden Schrei aus und flog über die Kruppe seines Pferdes hinweg. Er überschlug sich und blieb benommen am Boden liegen.
»Seid ihr verrückt geworden?«, schrie Mike. »Was soll das?«
»Das wirst du gleich erfahren, Kuhtreiber«, sagte Miller, während seine Männer über die Köpfe der Rinder feuerten.
Tatenlos musste der Cowboy mit ansehen, wie sich die vom Krachen der Schüsse verschreckten Tiere in alle Himmelsrichtungen verloren.
»Von heute an werden hier keine Rinder mehr ans Wasser getrieben, kapiert?«
Mike Jones riss erstaunt die Augen auf.
»Aber … aber warum?«, stotterte er. »Das hier ist doch eine offene Weide, und außerdem hat die Bar-X ein Abkommen mit den Bentons.«
»Aber nicht mit meinem Boss«, sagte Miller hart. »Das Land am Sweetwater Creek gehört seit heute nämlich ihm und er duldet keine Rinder an seinem Fluss. Hast du verstanden?«
Mike zuckte die Achseln. »Ich bin ja nicht schwerhörig. Aber wenn hier neue Regeln gelten, sollte das dein Boss zuerst mit meinem klären und nicht mit mir. Ich bin nur ein einfacher Cowboy, der seinen Namen auf den Kochtopf von Mister Anderson geschrieben hat.«
»Keine Sorge, das wird er, und jetzt pack deinen Partner und dann seht zu, dass ihr Land gewinnt. Wenn wir euch noch einmal hier erwischen, wird es rau für euch.«
»Und was ist mit den Rindern? Mit eurer Knallerei habt ihr die ganze Herde verschreckt. Jetzt muss ich erst einmal zusehen, dass ich die Tiere wieder zusammenbekomme.«
»Du musst gar nichts, außer von hier verschwinden. Los, haut endlich ab.«
»Das kann ich nicht, mein Rancher hat …«
Was Mike sonst noch sagen wollte, blieb für immer sein Geheimnis. Einer von Millers Handlangern, ein kleiner, verschlagen dreinblickender Mann mit einem Frettchengesicht und wasserhellen Augen, war unbemerkt an seine Seite gekommen. Auf einen Wink von Miller hin knallte er ihm mitten im Satz den Lauf seines Revolvers an den Kopf.
Der Waffenstahl traf Mike mit voller Wucht an der Schläfe und ließ ihn im Sattel wanken. Das Frettchengesicht zog mit einem meckernden Lachen den Fuß aus dem Steigbügel und trat dem Cowboy mit voller Wucht mit dem Stiefel gegen die Brust.
Mike stürzte aus dem Sattel.
Als er mit dem Rücken auf den Boden krachte, vermeinte er für einen Moment, in der Mitte auseinanderzubrechen. Ein unbeschreiblicher Schmerz jagte wie eine heiße Welle durch seinen Körper und in seinen Ohren rauschte das Blut.
Die Welt um ihn herum begann zu verschwimmen.
»Hast du endlich kapiert, dass wir hier keine fremden Rinder mehr dulden?«
Mike Jones hörte die Frage nicht mehr. Er war längst bewusstlos.
Unterdessen war es seinem Sattelpartner gelungen, unbemerkt wieder auf sein Pferd zu kommen. Millers Männer schossen zwar hinter ihm her, aber ihm gelang die Flucht trotzdem. Vielleicht auch deswegen, weil es die Halunken nicht unbedingt darauf anzulegen schienen, ihn zu treffen. Sand und Staub wurden von den Kugeln in die Luft geschleudert und die Männer lachten, bis der Cowboy zwischen den Hügeln verschwunden war.
*
»Na endlich!«
Obwohl Linda Wentfort ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter zog, konnte Jim deutlich erkennen, dass seine Verlobte erleichtert aufatmete, als er und Anderson ihre Pferde vor dem kleinen Lehrerhaus zügelten.
Sie hatte sich offensichtlich Sorgen gemacht.
»Warum kommt ihr so spät?«
»Du weißt doch, wie das ist, wenn man sich mit den Comanchen unterhält. Sonnenadler hat geredet und geredet und darüber haben wir die Zeit vergessen«, erklärte Richard Anderson, während er die Zügel dem Marshal übergab, der sie um den Haltebalken vor Lindas Haus schlang. »Außerdem haben wir noch Frank Benton getroffen.«
Einen Moment lang stahl sich ein Lächeln in Lindas Gesicht, als der Rancher Häuptling Sonnenadler erwähnte, aber dann wurde sie sofort wieder ernst.
»Das ist zwar alles schön und gut, aber es ändert trotzdem nichts an der Tatsache, dass ihr genau wisst, dass es um sechs Abendessen gibt. Jetzt müsst ihr mindestens eine halbe Stunde warten, bis ich wieder gekocht habe. Ich konnte das Essen nicht mehr länger warmhalten. Also habe ich es Smoky gebracht. Es gab übrigens Steak mit Bohnen und Buckwheat Pancakes.«
Jim verzog beinahe schmerzhaft das Gesicht. Die Aussicht, auf so ein Essen warten zu müssen, ließ seinen Magen wie ein hungriges Wolfsrudel knurren.
»Das ist aber kein feiner Zug von dir, Linda. Du weißt doch genau, dass wir seit dem Frühstück nichts mehr gegessen haben, und das liegt inzwischen auch schon über zehn Stunden zurück. Hättest du das Fleisch nicht noch etwas länger im Ofen lassen können?«
Linda stemmte die Hände in die Hüften und bedachte ihren Verlobten mit einem mitleidigen Blick.
»Natürlich, für dich sogar bis morgen früh. Aber dann hätte ich zu gerne dein Gesicht gesehen. Ich glaube mich zu erinnern, dass verbrannte Pancakes und Steaks so zäh wie Stiefelleder noch nie dein Lieblingsessen waren.«
»Das stimmt allerdings«, erwiderte Jim lachend. »Wenn es um deine Kochkünste geht, mache ich fast alles, was du sagst.«
»Ich weiß«, stellte Linda belustigt fest. »Hast du noch andere Dinge im Kopf außer Essen?«
»Natürlich, Frank Benton zum Beispiel.«
»Was ist mit ihm?«
Das Lächeln im Gesicht des Marshals war wie weggewischt. Er schob sich den Hut aus der Stirn und seine schmalen Lippen bewegten sich kaum, als er Linda von dem Zusammentreffen erzählte.
»Wusstest du von seinem Plan, Evans die Weiden am Sweetwater Creek zu verkaufen?«, schloss er schließlich seinen Bericht.
»Wie kommst du darauf?«
»Vielleicht ist dir ja was zu Ohren gekommen, von dem ich bisher nichts wusste. Immerhin unterrichtest du fast alle Kinder der Stadt und bist ein gern gesehener Gast im Frauenverein. Da hört man schon das eine oder andere.«
Linda schien einen Moment lang nachzudenken, schüttelte aber dann entschieden den Kopf.
»Nein, davon weiß ich nichts.«
Anderson nickte bedächtig. »Das habe ich mir gedacht. Seitdem der alte Benton unter die Hufe seines Pferdes geraten ist und Frank die komplette Leitung der Ranch übertragen hat, habe ich das Gefühl, der Junge ist damit überfordert. Ich möchte bloß wissen, was ihn dazu getrieben hat, zu verkaufen. Am Geld kann es nicht liegen. Ich kenne die finanzielle Situation der Bentons, die haben eigentlich ihr Auskommen. Was mich an der ganzen Sache auch noch stört, ist die Tatsache, dass er ausgerechnet Evans das Land verkauft hat. Der Kerl ist ein aalglatter Geschäftsmann, der bei seinen Methoden nicht gerade wählerisch ist. Es würde mich nicht wundern, wenn er Frank bei dem Verkauf über den Tisch gezogen hat.«
»Frank wird schon wissen, was er tut«, erwiderte Linda. »Aber selbst wenn es so wäre, was wollt ihr dagegen unternehmen? Wie ihr sagtet, hat er den Vertrag mit Evans bereits unterschrieben.«
»Das ist richtig. Aber soweit ich verstanden habe, hat nur er unterschrieben und nicht sein Vater«, gab Anderson zu bedenken.
»Und was ändert das an der ganzen Sache?«, wollte Linda wissen.
»Noch gehört die Ranch William Benton. Das heißt, der Vertrag mit Evans ist ohne seine Unterschrift ungültig.«
Bevor Linda darauf eine Antwort geben konnte, kam Hufschlag auf.
Die drei drehten die Köpfe und entdeckten eine schwache Staubwolke. Ein Reiter kam aus den Hügeln im Norden auf die Stadt zu.
Nach einer Weile konnte Anderson den Mann erkennen. Es war Mike Jones, einer seiner Cowboys und er hatte es höllisch eilig. Er hatte ihn und einen jungen Mexikaner namens Felipe vor ein paar Tagen damit beauftragt, eine Herde von der abgegrasten Südweide nach Norden in die Ausläufer der Berge zu bringen, wo die sengende Sommersonne das Land noch nicht ausgetrocknet hatte.
Als die Männer erkannten, dass Jones auf das Marshal Office zuhielt, liefen sie los.
Mit einem Stirnrunzeln registrierte Jim, dass der Cowboy sein Pferd fast zuschanden geritten hatte. Das Tier war schaumbedeckt, als es mit zitternden Flanken vor dem Haltebalken seines Offices zum Stehen kam und Mike aus dem Sattel glitt.
Als er die herankommenden Männer erkannte, taumelte er stöhnend auf sie zu.
Schweiß und Blut bedeckten sein vor Anstrengung bis zur Unkenntlichkeit verzerrtes Gesicht.
»Wie siehst du denn aus, Mike?«, rief Anderson erregt. »Was ist passiert um Gottes willen?«
»Man … man hat uns überfallen!« Die Stimme des Cowboys klang schwach und brüchig und er hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten.
»Wer?«
»Miller und ein paar von seinen Freunden. Sie haben uns am Sweetwater Creek aufgelauert, Felipe und mich aus dem Sattel geschlagen und danach die Herde davongejagt.«
»Dieser Dreckskerl«, knirschte Anderson. »Warum hat er das getan?«
»Angeblich gehört das Land jetzt seinem Boss und der will nicht, dass wir unsere Rinder dort tränken.« Mikes Stimme wurde immer schwächer. Er stöhnte wieder und fasste sich an den Kopf. Dort, wo ihn der Coltlauf getroffen hatte, zog sich von der Schläfe aus ein dunkler, blutverkrusteter Streifen quer über seine linke Gesichtshälfte.
»Sie sind über uns hergefallen wie die Tiere, wir hatten nicht die geringste Chance. Ich fürchte, Felipe sehen wir genauso wenig wieder wie die Rinder. Als ich wieder zu mir kam, war er verschwunden. Denn Spuren nach zu urteilen, hat er sich in Richtung Süden davongemacht.«
»Na warte, diesen Miller kauf ich mir. Wo genau hat man euch überfallen?«
Der Marshal trat vor. »Lass es gut sein, Richard. Du siehst doch, wie fertig Mike ist. Außerdem können wir sowieso nichts mehr unternehmen. Bis wir am Sweetwater Creek sind, ist es stockdunkel, und ich habe keine Lust, in der Nacht hinter Miller herzureiten. Diesem Burschen traue ich zu, dass er nur auf so etwas wartet, um uns dann eine Falle zu stellen.« Dann wandte er sich an den Cowboy. »Du gehst jetzt am besten zu Doc Murphy und lässt nach deinem Kopf sehen. Um dein Pferd wird sich jemand vom Mietstall kümmern.«
Mike nickte und schwankte über die Straße. Nachdem er im Haus des Arztes verschwunden war, richtete Anderson seinen Blick auf Crown.
»Was sollen wir jetzt tun?«
»Du wirst gar nichts tun. Ich werde mich um diesen Miller kümmern.«
»Gut, dann reite ich gleich morgen früh zum alten Benton rüber, um die Sache mit seinem Sohn und dem Vertrag zu klären.«
»Meinetwegen, aber jetzt genug davon, lass uns endlich was essen.«