Sir Henry Morgan – Der Bukanier 40
Kapitän Marryat
Sir Henry Morgan – Der Bukanier
Aus dem Englischen von Dr. Carl Kolb
Adolf Krabbe Verlag, Stuttgart 1845
Vierzigstes Kapitel
Morgan und Modiford vergleichen Noten und kommen zu einer sehr trübseligen Melodie. Morgan neigt sich zur Rebellion. Modiford temporisiert und gerät zuletzt in die Schlinge.
Während sich die Leute also mit Zweifeln verwirrten und einem Wechsel entgegensahen, zeigte Sir Thomas Modiford in seinem Benehmen weder Besorgnis noch Unruhe. Er war allgemein beliebt, und seine große Blässe und Hagerkeit wurde wohl mit Recht dem ungeheuchelten Gram um den kürzlichen Verlust seiner Lebensgefährtin zugeschrieben.
Unser Held hatte sich mittlerweile sehr aufs Trinken gelegt, das ihn übrigens nie zu berauschen schien. Obwohl die Verheerung, welche diese üble Gewohnheit in seiner Gesundheit übte, augenfällig war, so griff sie doch nur langsam um sich. Eines Tages saß er in seinen Lieblingsgründen unter einem Zelt. Zwei Negerknaben fächelten ihm die Moskitos weg, während ein erwachsener Schwarzer die Leinwand stets mit Wasser tränkte, um so vermittelst der Verdunstung unter derselben eine erfrischende Kühle zu erzeugen. Der Tisch vor Morgan war mit leckeren Früchten beladen und bot eine reiche Abwechslung der ausgesuchtesten Weine dar. Kurz, es fehlte nirgend an Stoff, um sich gütlich zu tun. Mit Ausnahme seiner Diener war er allein. Er sog sein Getränk mit einem wilden Grimm ein, welcher weniger den Epikureismus des Bonvivants, als die Verzweiflung eines Mannes verriet, der sich seiner Gedanken zu entledigen suchte.
Sir Thomas Modiford näherte sich ihm unbemerkt. Die Begrüßung der Freunde war herzlich, aber zugleich feierlich. Die tiefe Trauertracht des Gouverneurs bildete einen lebhaften Gegensatz zu dem reichen, etwas überladenen Kavalier-Anzug des Abenteurers.
Sir Thomas nahm schweigend seinen Platz an der anderen Seite des kleinen Tisches und begann, ohne auf die Vase, das Glas und den silbernen Becher zu achten, die ihm hingeboten wurden, zerstreut von den Früchten zu essen, welche vor ihm standen.
Die Schwarzen betrachteten mit stummer Ehrfurcht den wichtigen Mann, der die Gewalt über Leben und Tod in seinen Händen hatte, und würden wohl noch länger so dagestanden haben, wenn sie nicht das dröhnende Donnerwort Fort! aus dem Mund ihres Gebieters im Nu zum Verschwinden gebracht hätten.
»Es tut mir leid«, begann Morgan, »Eure Excellenz so traurig zu sehen. Noch mehr aber bedaure ich, bemerken zu müssen, dass Ihr das beste Heilmittel der Trauer zurückweist. Dieser Madeira ist nicht nur reif, sondern auch kühlend. Ein Zug aus diesem Becher, und nehmt das Wort eines alten Matrosen darauf, Ihr werdet die Dinge bald in einem anderen und erfreulicheren Licht sehen. Na, Exzellenz, frischt Eure Klüse an, wie wir an Bord zu sagen pflegen.«
»Ich will Euren Rat qualifizieren, Admiral, und etwas von dem Wein mit Eurem kältesten Wasser mischen. Aber ich sehe keines auf Eurem Tisch.«
»Freilich nicht – ich bin kein Freund von fremdartigen Beimischungen; aber wenn Eure Exzellenz einen guten Trunk verderben will – he da, ho!«
»Nicht doch, Admiral. Da ich gerne mit Euch allein sein möchte, so will ich einmal so unvernünftig sein, von Euch Raison anzunehmen, wie Ihr es nennt. Und in der Tat, dieser Wein ist von vortrefflicher Sorte.«
»Versucht’s mit noch einem Zug, Sir Thomas – versucht’s um unserer langen Freundschaft willen. Ich will Euch zur Räson bringen – Verderben unseren Feinden!«
»Ich stimme damit ein – genug.«
»Fühlt Ihr Euch noch nicht besser, Sir Thomas?«
»In dem, worin ich leide, um kein Haar. Ich sehe meine Gefahr nur deutlicher und fühle sie schärfen.«
»Könnt Ihr aber auch mannhafter ins Gesicht schauen.«
»Admiral Morgan, ich habe nie des Weinbechers bedurft, um mich in die Lage zu versetzen, allem ins Gesicht zu schauen, dem ein Ehrenmann ins Gesicht schauen kann. Und bei meinem Wort, es ist eben nun genug für uns beide vorhanden.«
»Spielt Eure Excellenz auf die Gerüchte an, welche im Umlauf sind? Die werden wieder verwehen. Ihr seid auf dieser Insel zu notwendig, um abgesetzt werden zu können. So lange Ihr sicher seid, bin es auch ich.«
»Wie heißt es in jenem Buch, von dem Ihr freilich nichts wisst? Setzt euer Vertrauen nicht auf Fürsten! Noch weniger aber muss man auf das eigene Verdienst bauen. Der Meister des Fliegenden Fisches, der kürzlich von England anlangte, ist mein beständiger Freund. Ich habe dem Mann Dienste geleistet und muss sagen, Morgan, die Seeleute sind trotz aller ihrer Fehler nie undankbar.«
»Danke Euch von Herzen«, versetzte Morgan, indem er ohne Umstände die Hand des Gouverneurs ergriff und sie kräftig drückte. »Mögen mir die Stagen in meinem letzten Gang fehlen, wenn ich nicht jedem Wort Glauben schenke, das Meister Dobson spricht. Er ist ein echter Seemann und kann nicht gegen seinen Wohltäter lügen. Ich will den Fliegenden Fisch selbst befrachten.«
»So hört nun auf die Verkehrtheit des Geschicks. Während wir hier unser Äußersten tun, um Spanien in Not zu bringen – ja, sogar in Mitte unserer angestrengtesten Bemühungen – am 18. Juli schloss unser König zu Madrid ein Friedens- und Freundschaftsbündnis mit diesem Land und die Dokumente wurden am 20. Oktober zu St. James ausgetauscht.«
Morgan pfiff bei dieser Mitteilung eine schrille, sehr klägliche Seemelodie. Als er fand, dass sie ihm nur wenig Trost gewährte, rief er mit einem schrecklichen Fluch aus: »Während sie also in Europa die Spanier als Freunde küssten, schnitt ich ihnen in Amerika als Feinden die Kehlen durch; aber stets in Eurem Auftrag, mein guter Gouverneur.«
»Für meine Handlungen werde ich einstehen und auch Euch nicht fallen lassen, Admiral.«
»Dafür kannte ich Euch, Sir Thomas, und möge ich mit verbundenen Augen über die Planke marschieren, wenn ich je von Euch ablasse. Habt Ihr mir schon das Schlimmste mitgeteilt?«
»Keineswegs. Es sind zwei andalusische Schönheiten am Hofe. Spanisches Geld zirkuliert, spanische Moden kommen an die Tagesordnung und ehrliche Gouverneure mit ihren tapferen Admiralen fallen in Ungnade.«
»Nun, etwas der Art habe ich mir gedacht. Was kommt zunächst?«
»Man meldet mir für gewiss, dass mein Nachfolger bereits ernannt sei. Auch sagt der ehrliche Dobson, in London sei das allgemeine Gerede, dass Ihr und ich gefangen nach England geschickt werden sollen, um die guten Dienste, die wir unserem undankbaren Fürsten geleistet haben, mit dem Leben zu bezahlen.«
»Wahrscheinlich genug – wahrscheinlich genug. Aber wir müssten wahre Tölpel sein, Sir Thomas, wenn wir dem alten Rowley gestatten wollten, dass er uns die Gissung ausfertige. Ich will niemand verführen. Auf unseren großartigen Lebensbahnen haben wir beide uns durch sehr verschiedene Grundsätze leiten lassen, Sir Thomas; und doch habt Ihr schon die Seiten gewechselt. Ich kannte Euch als einen eifrigen Rundkopf, als einen mannhaften Cromwellianer, und jetzt, glaube ich, seid Ihr ein loyaler Kavalier.«
»Ich war stets ein Engländer.«
»Und ich ein Welschmann. Aber was liegt daran? Noch seid Ihr Gouverneur. Das Militär und die Flotte der Insel stehen zu Eurer Verfügung. Providence oder, wie es die Dons nennen, die Insel St. Katherina ist bis auf diesen Augenblick von einigen meiner Halunken besetzt. Es hängt nur von meinem liebenswürdigen, aber allzu gewissenhaften Freund ab, ob er Gefangener im Tower oder Thomas I., Kaiser oder wie Ihr Euch auf Euren Besitzungen zu nennen belieben mögt, sein wollt. Jedenfalls steht Euch bei der letzteren Wahl ein törichter treuer Mann von mittlerem Alter als Admiral Eurer Flotten und General Eurer Armeen zu Gebot. Ich will niemand verführen, Sir Thomas Modiford, aber ich kann mich des Gedankens nicht entledigen, dass es gar angenehm sein müsste, auf eigene Rechnung Krieg anfangen zu können, der gelegentlichen Unterhaltung, hin und wieder einen Haufen schuftiger Seeräuber baumeln zu lassen, gar nicht zu gedenken.
»Fürs Erste bin ich durchaus nicht dazu geschaffen, Morgan, Eroberungen zu machen.«
»Wer verlangt das von Euch? Das ist mein Departement. Ihr herrscht und ich erobere. Eurer kaiserlichen Majestät Besitzungen sollen keine engeren Grenzen haben, wie das Kap Horn im Süden und die Landenge von Darién im Norden. Wenn ich Euch nicht überzeugen kann, so schenkt dem Beil Gehör. Es ist ein scharfer Räsoneur.«
»Ihr meint es gut, Henry Morgan, aber ich könnte nicht leben, wenn mich der Name Verräter brandmarken müsste.«
»Wenn es gelingt, seid Ihr kein Verräter. Nur die Unterliegenden werden mit diesem Namen bezeichnet. Seid Eure eigene Vorsehung und Ihr werdet dann bald imstande sein, selbst Gesetze über den Verrat festzustellen. Verrat ist nichts anderes als Fehlschlagen. Da fällt mir eben ein, dem Vater unseres lustigen, schwärzlichen Königs wurde nur deshalb der Kopf gestutzt, weil er Hochverrat gegen sich selbst beging – das heißt, weil er unterlag. Trifft Euren gegenwärtigen Fall nicht dasselbe Praemunire?«
»Wahrhaftig, der Teufel steht mit Eurer Zunge im Bunde, Morgan. Ich gehe zwar nicht auf Euren Plan ein, will ihn aber nicht vergessen. Ich fühle noch immer, dass ich ein Engländer bin. Handelt für Euch selbst – ich will Euch nicht verraten.«
»Nein, ich hefte mich an Euren Glücksstern, wenn ich auch darum zum Narren würde. Wäre mein armer, ehrlicher, tapferer Bradley oder meine schöne schwarze Amazone noch am Leben, so sollte es keine drei Monate anstehen, bis die Welt eine neue Nationalflagge auf dem Ozean sähe. Und die Welt sollte sie auch bald achten lernen. Habt Ihr nicht gehört, wer zu Eurem Nachfolger im Gouvernement ernannt ist?«
»Ein gewisser Sir Thomas Lynch.«
»Mögen ihn alle bösen Geister in die Verdammnis führen! Füllt Euren Becher, Sir Thomas – auf seinen Untergang!«
»Auf seinen Untergang will ich zwar trinken, aber nicht auf seine Verdammnis. Seid Ihr zufrieden, mein Freund?«
»Teilweise. Der Zug war lang und gut. Es ist gut, sich beim Wein zu beraten. Den gebrannten Wassern will ich zwar für einen solchen Zweck nicht das Wort reden, aber der Wein tröstet, beschwichtigt und klärt.«
»Das finde ich nicht, mein lustiger Freund. Es scheint, er macht mich zur Übereilung geneigt, und nie war mir ein besonnenes Urteil mehr vonnöten. Wie sollen wir handeln?«
»Wie ich höre, hat nie zuvor am Hofe so viel Verschwendung geherrscht, und der König ist stets in Geldbedrängnis. Lasst uns den Urquell der Ehren bestechen.«
»In der Hauptsache kein übler Rat, aber wir sind gegen ihn schon mehr als gerecht, absolut edelmütig gewesen. In den letzten vier Jahren hat er mehr als vierzigtausend Pfund von unserem Geld erhalten. Nein, wenn er glaubt, dass wir die Fülle haben, wird er noch immer weiter drücken wollen. Vielleicht soll unser Lebensblut bloß deshalb ausströmen, damit unsere Besitzungen konfisziert werden können.«
»Sir Thomas, so ungern ich mich von meinem sauer verdienten und ehrlich errungenen Reichtum trenne, würde ich ihn doch bereitwillig für Eure Sicherheit zum Opfer bringen. Eure Dankbarkeit müsste mir dann die Mittel bieten, wieder etwas zu erwerben. Es scheint aber, dass Ihr weder an eine Bestechung noch … hm … wir können ebenso gut mit der Farbe herausgehen … an eine Rebellion wollt. So sagt, was möchtet Ihr eigentlich getan wissen?«
»Vorderhand durchaus nichts. In der Zwischenzeit wollen wir alle Mittel aufbieten, um uns Popularität zu verschaffen. Setzen wir einmal den Fall, Morgan, dass die wackeren Einwohner von Jamaika mich nicht abziehen ließen, dass sie meine Entfernung sogar mit Gewalt hinderten?«
»Ein herrlicher Gedanke, Sir Thomas. Wir wollen darauf hinarbeiten.«
»Ja, das wollen wir – vorderhand genug. Gott verhüte, dass wir über Verrat brüten!«
»Mit andern Worten – des Erfolges ermangeln. Noch einen Becher, Sir Thomas.«
»O nein, Admiral – wir sind zu einem Entschluss gekommen. Ich bedarf Eures Rates nicht weiter.«
Mit diesen Worten begab sich Sir Thomas Modiford nach seinem Palankin, der am Tor wartete, und ließ Morgan nach seiner eigentümlichen Weise weiter Rat schlagen.
Der Gouverneur und der Admiral handelten in völligem Einklang mit ihren Entschließungen. Das Fieber hatte seinen Verlauf genommen und das bisschen Popularität, das Morgan dadurch verlor, kehrte mit der Gesundheit der Insel wieder zurück. Sir Thomas hatte fast ausschließlich durch seine Anstrengungen den Wohlstand von Jamaika hergestellt, denn er regierte nicht nur die Einwohner, sondern unterrichtete sie auch. Sie schienen geneigt zu sein, sich um ihn wie ein Mann zu sammeln.
Inzwischen nahmen am Hofe von St. James die Dinge nur einen langsamen Fortgang. Drei weitere Schiffe langten an, welche stets schlimmere Kunde, aber keinen Gouverneur brachten. Man erfuhr durch sie, dass der spanische Gesandte unausgesetzt und aufs Angelegentliche bemüht war, Rache an Modiford und Morgan zu nehmen, welche damals nicht einen Freund in der Nähe des Königs hatten. Es war eine Zeit des vorherrschenden spanischen Einflusses.
Endlich, mit dem Beginn des Jahres 1671, langte der neue Gouverneur Sir Thomas Lynch an. Er hatte die gemessensten Befehle, das spanische Interesse zu schützen, alle Kaperschiffe zu entwaffnen, den Bukanier und Seeräubern, um sie von ihren Plünderungen abzubringen, freigebige Landverleihungen zu machen und sie durch hohes Handgeld und guten Sold zu verlocken, dass sie an Bord der königlichen Schiffe einträten. Kurz, er sollte nichts versäumen, um dem ungesetzlichen Krieg durch was immer für Mittel ein Ende zu machen.
Aber der neue Gouverneur war auch mit der vollen Ermächtigung ausgestattet, Sir Thomas Modiford und Henry Morgan als Gefangene nach England zu schicken, damit man ihnen den Prozess machen könne. Dies war der schwierigste Auftrag, welcher ihm übergeben worden war, denn die beiden Angeschuldigten, namentlich Sir Thomas, waren in einem Grade beliebt, von dem man sich in England keinen Begriff machte. Als die Kunde von ihrer Ungnade unter das Publikum kam, wurden sie vollends gar vergöttert, denn nun erst fühlte alles deutlich, dass sie es waren, welche Jamaika zur wohlhabenden Kolonie gemacht hatten. Es hing, wenigstens eine Zeitlang in Wahrheit ganz von ihnen ab, ob sie nicht die Insel vom Mutterland losreißen wollten.
Sir Thomas unterwarf sich achtungsvoll seiner Absetzung und riet sogar seinen Freunden, ihre Treue gegen den König durch Gehorsam gegen Sir Thomas Lynch an den Tag zu legen. Letzterer erkannte jedoch bald die Volksgesinnung und wagte es nicht, die Haftbefehle gegen diejenigen, welche der König als Opfer verlangte, zu veröffentlichen.
Lynch wusste sein Geheimnis so gut zu bewahren, dass Morgan und Modiford schon zu glauben begonnen, sie seien dem Schlimmsten entronnen, umso mehr, da ihnen der neue Gouverneur große Geneigtheit und Rücksicht erwies. In der Tat schien sogar das freundlichste Verhältnis zwischen den früheren und den gegenwärtigen Regenten zu bestehen, denn jeder bemühte sich, den anderen in Beweisen der Achtung und Liebe zu überbieten. Modiford handelte so im guten Glauben, aber Henry Morgan war nicht so zutraulich. Vergeblich warnte er seinen Freund, auf der Hut zu sein.
Endlich kam der unglückliche Tag heran. Ein prächtiges Kriegsschiff war eben von England eingetroffen und warf wie gewöhnlich bei Port Royal Anker. Sir Thomas Lynch erteilte dem Kapitän seine Weisungen und tat dann Modiford und Morgan zu wissen, dass sie eingeladen wären, an Bord der Fregatte zu dinieren. Zugleich erbat er sich es als Gunst, dass sie ihn zu dem Bankett begleiten möchten. Ohne etwas Schlimmes zu ahnen, sagte Sir Thomas Modiford bereitwillig zu; aber unser Freund Morgan lehnte die verdächtige Ehre ab. Er hatte gewisse Bedenken und rief sich jenes prachtvolle Gelage ins Gedächtnis, das er einst dem Kapitän und den Offizieren einer französischen Fregatte gegeben hatte, um bei dieser Gelegenheit ganz kaltblütig seine Gäste in Gefangene und ihr Schiff in eine Prise zu umwandeln.
Voll schlimmer Ahnungen begab sich Morgan nach Hause und schloss sich mit seinen geheimen Räten, den Flaschen und Bechern ein. Ins zwischen gingen die beiden Gouverneure liebend und Arm in Arm zur Pinasse des Kriegsschiffs, welche, in großartigen Flottenstil ausgestattet, an dem Landungsplatz von Kingston auf sie wartete. Die Gentlemen schifften sich ein, die Ruder fielen mit majestätischem Plätschern ins Wasser und das stolze Boot schoss die breite Lagune hinab.
Nun erklärte Lynch, die Hand aufs Herz gelegt und eine bereitwillige Träne im Auge, Sir Thomas Modiford, dass er ein Gefangener sei. Er habe den gemessenen Befehl, ihn und Morgan nach England zu schicken. Modiford verriet keine Erregung und schien sich sehr bereitwillig in das Unvermeidliche zu fügen, mochte aber doch wohl an die Insel St. Katherina und an einen Einfall in das spanische Festland denken, als er Sir Thomas Lynch warme Komplimente machte über die schöne und zarte Weise, in welcher ihm dieser sein unangenehmes Geschick mitgeteilt habe.
»Das soll uns übrigens unser Diner nicht verderben, Sir Thomas Lynch«, fuhr Modiford in heiterem Ton fort. »Ihr werdet natürlich der Verabredung gemäß mit uns speisen?«
»Ei, ja«, versetzte Lynch stockend, »wenn Ihr es wünscht. Aber könntet Ihr nicht nach Admiral Morgan schicken? Wie weit angenehmer würde es nicht sein, wenn er an der Partie teilnähme!«
Ein augenblicklicher Blitz der Entrüstung zuckte über Modifords Stirn. Dann aber erwiderte er mit Kälte: »Da der tapfere Admiral sich geweigert habe, der Einladung des regierenden Gouverneurs Folge zu geben, so werde er nicht zu bewegen sein, der des abgesetzten mehr Gehör zu schenken.«
Das Diner war heiter und der Gefangene schien sich bei dem Mahl am wohlsten zu fühlen. Er wählte seine Zeit gut und bat dann, ihn in einem Kaufmannsschiff nach Hause schicken, indem er zugleich sein Ehrenwort gab, keinen Fluchtversuch zu machen. Sir Thomas Lynch, dem es bei der Rolle, welche er spielte, gar nicht wohl zumute war, gab seine Zustimmung und legte so ein Beruhigungspflaster auf sein Gewissen.
Morgan ließ sich nicht so leicht ertappen. Der Gouverneur hielt es nun für passend, von seiner Macht Gebrauch zu machen, rief einen Kabinettsrat zusammen und ließ ihm dann den vom Gouverneur und den Ratsmitgliedern unterzeichneten Befehl zugehen, dass er sich als Gefangener an Bord des Kriegsschiffs einzufinden habe. Unser Held verweigerte dies rund heraus und ließ zurück sagen, er sei bereit, seiner Majestät zu gehorchen und sich am Fuß des Thrones niederzuwerfen, um für seine eigene Sache zu sprechen, aber er kenne die Gesinnung Seiner Majestät besser, als sie, denn es könne Seiner Majestät nicht einfallen, einen treuen Diener, wie er sei, Verlusten und Unbequemlichkeiten auszusetzen. Er brauche Zeit, um seine Angelegenheiten zu bereinigen.
Morgan war so beliebt und der neue Gouverneur so schwach, dass von dieser Unbotmäßigkeit keine Notiz genommen wurde. Auch ließ man ihn wirklich drei Monate unbelästigt seine Angelegenheiten ordnen. Er versicherte in dieser Zeit, er wolle sich, wenn er als Staatsgefangener die Reise nach England machen müsse, sein eigenes Schiff und eine ihm gelegene Zeit wählen – eine Ruhmredigkeit, die ihm fast auch auszuführen gelungen wäre. Der bescheidenere Sir Thomas Modiford war zwei Tage nach seiner Verhaftung abgesegelt.