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Dreizehn Jahre im Wilden Westen – Kapitel VII

Dreizehn Jahre im Wilden Westen
Oder: Abenteuer des Häuptlings Sombrero
Nürnberg, 1877

VII. Einzug in San Antonio. Cholera.

Am vierten Nachmittag erreichten wir San Antonio und lagerten uns vor der Stadt in ein Gebüsch, um die Abenddämmerung zu erwarten, da wir nicht in dem Zustand waren, unseren Einzug in die Stadt bei Tag zu bewerkstelligen. Als wir aber gegen acht Uhr im Paradeschritt die Straßen durchzogen und zur Garnison marschierten, wurden wir doch allgemein bewundert. Wir hielten vor dem Adjutanten Office, wo einer, der als Sprecher gewählt worden war, den Rapport machte, worauf wir vorläufig einer Kompanie zugeteilt wurden, wo man uns reichlich bewirtete. Am Morgen erhielten wir Kleider und Stiefel und um neun Uhr marschierte ich schon mit der Kompanie zum Stall, um die Pferde in den Fluss zu reiten. Ich sprang auf ein Pferd. Da es aber keinen Zaum hatte, ging es mit mir durch. Ich gab ein Salto mortale zum Besten, worauf ich drei Tage lang ein großes Pflaster auf dem Rücken trug. Erst einige Tage später kam unser Detachement Rekruten an. Wir wurden dann in den zwölf Kompanien des Regiments verteilt und machten Dienst. Jeden Abend brachten wir in der Stadt zu, welche zum Teil spanisch und mexikanisch war. Gegen halb neun Uhr abends wurden auf der plaza oder dem Marktplatz Feuer angezündet, ringsum waren Buden, wo Kaffee, Tee, Schokolade, Tomalos, Chili con Carne und andere mexikanische Speisen verkauft wurden. Dabei waren zwei Karussells oder hoppy horses in vollem Gange, auf drei bis vier Plätzen ertönte Musik, wo das Fandango (Tanz) vor sich ging. Die ganze Einwohnerzahl bewegte sich da und amüsierte sich bis Mitternacht. Dann ging alles ruhig nach Hause.

Als aber einige Fälle der Cholera vorkamen, verließ das Regiment die Stadt und schlug sein Lager auf einer Anhöhe zwölf Meilen von San Antonio auf. Hier brach die Krankheit furchtbar aus und die Leute starben dahin, wie das liebe Vieh. Die wenigen Gesunden, worunter ich mich befand, mussten abwechselnd Tag und Nacht Gruben ausheben und die Toten beerdigen. Mancher, der am Abend grub, wurde schon am Morgen selbst hineingelegt. Wir hatten nur einen gesunden Arzt, um alle Kranke zu behandeln. Als Hospital hatten wir große Zelte aufgeschlagen. Sobald nur einer aussah wie tot, wurde er in eine Decke genäht und fort mit ihm. Hier und da kam es vor, dass man einen einnähte und hinaustrug, wobei er wieder zu zappeln anfing. Ich kenne verschiedene Fälle, dass solche wieder genasen. Die Krankenwärter, welche, um nicht angesteckt zu werden, furchtbar Schnaps soffen, waren für die meiste Zeit unzurechnungsfähig. Einer derselben ging, da die Kranken fortwährend um Wasser baten, mit zwei Eimern herum und ließ sie alle trinken, soviel sie wollten, worauf sie beinahe alle starben. Als der Doktor kam, wurde der Krankenwärter abgelöst. Das Lager war in einem Eichenwald, und viele gingen und legten sich ins Gebüsch, wo man sie nachher tot fand. Kurz, es war eine schreckliche Zeit, und wir waren herzlich froh, als die Krankheit nachließ und endlich ganz aufhörte. Das Regiment von zwölfhundert Mann war auf ungefähr siebenhundert zusammengeschmolzen. Viele hatten während der Cholerazeit ihre Pferde gesattelt und waren mit Sack und Pack nach Mexiko durchgebrannt. Nun, es wurde endlich ruhig, eine Anzahl Rekruten kam, und bald war wieder alles beim Alten.

Eines schönen Morgen war die Sonne auf einmal verfinstert und dicke schwarze Wolken tauchten überall auf. Sie kamen näher, und immer niedriger, und siehe da, es waren Grashüpfer oder Heuschrecken, welche den Boden ringsum meilenweit bedeckten. In Augenblick verschwanden Gras, Blüten und Blätter unter dem vereinigten Angriff ihrer Zähne. Nach einigen Tagen erhoben sie sich in die Luft und in zwölf Stunden waren sie sämtlich wieder verschwunden, um eine andere Gemeinde zu überraschen. Wo sie einfallen, vernichten sie alles, doch kommen sie nur alle sechs bis sieben Jahre einmal.

Wir wurden nun nach verschiedenen Frontierposten kommandiert, um gegen die Indianer zu operieren. Meine Kompanie war eine der ersten, welche Camp Sheridan verließ. Sie ging zurück nach San Antonio, wo wir uns acht Tage aufhielten, um frische Pferde zu fassen und uns neu zu equipieren. Da die Pferde alle jung und meistens wild waren, so hatten wir die ersten acht Tage ziemlich viel zu tun, um sie etwas einzureiten. Bei meiner Ankunft zum Regiment hatte man mir einen alten Schimmel gegeben, welcher mit Rheumatismus geplagt war, in Folge dessen er bei feuchter Witterung alle drei Schritte zweimal hinstürzte, was für den Reiter ebenso unangenehm wie gefährlich war. Ich trat ihn an einen Rekruten ab, der so wie so einen feurigen Gaul nicht gebrauchen konnte und bekam selbst ein sehr gutes junges Pferd. Ein dreitägiger Ritt brachte uns von San Antonio nach Camp Verde, unseren Bestimmungsort, welches in den Guadeloupe Mountains liegt. Wir waren kaum abgestiegen, als alles zu kratzen anfing. Es stellte sich heraus, dass auf jedem Quadratfuß Erde zwei Millionen Flöhe waren. Hier war guter Rat teuer. Vom Schlafen war keine Rede. als ich nachts um ein Uhr zum Fluss hinunterlief, um einige Flöhe loszuwerden, fand ich bereits die ganze Kompanie im Wasser versammelt, wo wir bis morgens Collegium hielten. Wir schafften uns alle Hängematten an, die man an den Bäumen aufhing und hineinkletterte, nachdem man sich ausgekleidet hatte, sodass die holden Tierchen einem nicht recht beikommen konnten. Doch war dabei auch wieder etwas Unangenehmes, denn es gingen nachts Abenteurer umher, welche die Stricke der Hängematten entzweischnitten, sodass man sich oft auf den Boden gestürzt fand.

In diesem Camp waren wir achtzehn Monate. Die meiste Zeit davon auf scouts nach Indianern, wobei wir manches Abenteuer erlebten. Die ganze Gegend wimmelte von Wild, wie Hirsche, Rehe, Antilopen, Bären, Pumas, Truthühner, Hasen und anderem Wild. An Fischen fehlte es ebenso wenig, wozu sich im Winter noch Büffel gesellten.