Die Frankfurter Buchmesse 2019
Die Frankfurter Buchmesse 2019
Dieses Jahr feierte die Buchmesse in Frankfurt mit dem Gastland Norwegen ihr siebzigstes Jubiläum. Als am 18. September 1949 in der Frankfurter Paulskirche sich 205 Aussteller trafen, konnte niemand ahnen, dass sich aus der ersten Buchmesse nach dem Krieg die weltgrößte Messe des geschriebenen Wortes entwickeln würde. Wenn man sich auf die reinen Zahlen stützt, ist es eine gewaltige Entwicklung. Aber es ist eine Entwicklung mit Rückschlägen. Selbst heute zeigt sich, dass die Messe in Schwierigkeiten steckt. Heute zählt die Buchmesse rund 7.500 Aussteller aus mehr als 100 Ländern. Geht man durch die Hallen – ich war nur in den Hallen 3 und 4 – findet man ganze leere Gänge und immer wieder in den scheinbar vollen Gängen leere Stände. Vor 70 Jahren fanden 14.000 Besucher an sechs Tagen den Weg zu den Büchern. Heute sind es immerhin 285.000 Besucher. Darunter sind etwa 10.000 Journalisten und Blogger, die sich um Bücher, Hörbücher und E-Books bemühen. Jeder auf seine Art. Insgesamt wurden in diesem Jahr ca. 400.000 Titel vorgestellt. Es könnten mehr sein, wenn mehr Aussteller den Weg nach Frankfurt finden würden. In Gesprächen mit Ausstellern hieß es, dass die Preise in diesem Jahr bis zu 20 Prozent erhöht wurden. Abschreckend, vor allem für die vielen Kleinverlage, die sich die fünf Tage selten leisten können, denn es sind ja nicht nur die Kosten für die Messe, sondern auch die An- und Abreise, Übernachtung etc.
Dabei sind gerade die kleinen Verlage darauf angewiesen, sich mit anderen kleineren Verlagen auszutauschen und sich gegenseitig zu helfen. Etwa wie bei Facebook in der Gruppe für unabhängige Kleinverlage. Ich machte auf dieser Buchmesse die Bekanntschaft mit vielen der Kleinverlage. Die Probleme der Verlage sind meist finanzieller Natur, wenn es darum geht, eine Messe zu planen. Ein großer Kritikpunkt ist, dass man nur am Samstag und Sonntag an das Publikum verkaufen kann. Doch wenn sich am Wochenende die Massen durch die Gänge drängeln, bleibt für ein Verkaufsgespräch und Erklärungen wenig Zeit. Da hat es ein Verlag wie Knaur einfacher; die Bücher von Sebastian Fitzek verkaufen sich quasi von allein.
Bleiben wir einen kleinen Moment bei den Kleinverlagen. Edition Pastorplatz mit Bernd und Nele aus Aachen hatte, obwohl der Platz eng bemessen war, seinen Stand selbst gestaltet. Im Programm befanden sich Kinderbücher; schön gestaltet, liebevoll hergestellt. Etwa die Geschichte um den Brückentroll. Der kleine Stand war ein Blickpunkt, da hauptsächlich in Orange gehalten. Die Farbe des Verlages. Orange ist eben das neue Schwarz. Apropos schwarz. Da hätten wir Holger von der Edition Amizaras. Sein Stand mit den Fantasybüchern ist ganz in Schwarz gehalten. Neben der Trilogie präsentiert er sogenanntes Merchandising. Sehr hochwertig und eindrucksvoll. Noch in der gleichen Halle fand sich der Acabus Verlag von Björn und Sandra mit der Edition Krimi. Frank vom Verlag DichtFest war ein sehr angenehmer Gesprächspartner und der Stand zum Zeitpunkt unseres Besuchs gut besucht, ebenso der Südpolverlag, bei dem wir uns jedoch nicht aufhielten. Nick vom Mantikore-Verlag präsentierte seine Spielebücher. War ich der Meinung, dass seit 1980 diese Bücher überholt wären, hat er mit ihnen eine erfolgreiche Nische gefunden. Ebenfalls ein angenehmes Gespräch führten wir am Mirabilis Verlag am sächsischen Gemeinschaftsstand. Am Gemeinschaftsstand der Thüringer Verlage war Katja leider nicht da. Dafür trafen wir Peter vom Erzählverlag.
Diese Kleinverlage haben eins gemeinsam: Sie arbeiten alle mit viel Herzblut an ihren Büchern, halten ehrliche Kontakte zu den Autoren und anderen freiberuflichen Mitarbeitern. Die Verleger beuten sich regelmäßig selbst aus und können es doch nicht lassen, Bücher zu veröffentlichen; immer in der Hoffnung: Das nächste Buch wird der Bestseller.
Hier wäre der Lernbedarf der Messe noch ausbaufähig. Zudem nimmt man vieles der Leipziger Buchmesse an. Nun müsste man sich in Frankfurt entschließen, an den Messetagen für alle Besucher die Türen zu öffnen. Übernommen hat man zum Beispiel, die Cosplayer einen eigenen Bereich zuzugestehen, jedoch nur Samstag und Sonntag. Das ist leider zu wenig. In diesem Jahr hieß das Motto Welcome to Wonderland. Cosplay wird sich nicht mehr nur auf einzelne sehr kleine Veranstaltungsbereiche konzentrieren, sondern auf dem kompletten Messebereich präsent sein. In den Hallen 3 und 4 sowie auf der Agora und im Ehrengast-Forum sollten die Cosplayer in ihren Kostümen präsent sein.
So wie man damals sehr schnell bereit war, den Deutschlandbezug zur Buchmesse aufzugeben, sollte man auch heute wieder alte Zöpfe abschneiden. Bereits in der zweiten Buchmesse wurde der Zugang international geöffnet. Warum also nicht die drei Tage Fachbesucher, Presse und Promis nicht für alle öffnen? Wenn Frankfurt international als Vorbild gelten will, muss man auch bereit sein, von anderen zu lernen. Hongkong, Rio, Tokio und wo auch immer Buchmessen stattfinden, sollte man sehen, ob man nicht das ein oder andere bereit ist, zu übernehmen. Denn Stillstand bedeutet immer noch Stagnation. In einer Welt, die immer nur auf Wachstum achtet, sollte man auch dahin gehen, in anderen Bereichen zu wachsen.
Frankfurt gilt international als Vorbild. Alle neu gegründeten Buchmessen hätten sich an dem Frankfurter Modell orientiert, wird öfters publiziert. Hoffen wir, dass sie sich noch ein wenig entwickelt. Mit einem Buchfest könnte die Messe noch größeren Bekanntheitsgrad erreichen. Eine Möglichkeit wäre durchaus, die Stände mit antiquierten Büchern mit in die Hallen zu nehmen, sie auszubauen sowie mit einer Antiquitätenmesse zu ergänzen. Ein gutes Beispiel ist Leipzig, wo die Antiquitätenmesse gleich mit integriert ist. Auch mit Leipzig liest gibt es ein Vorbild, Lesungen nach außen zu tragen und damit neue Orte für die Messe zu finden. In vielen Fällen ist es das Engagement von Autoren und Kleinverlagen, ihre Leser zu erreichen und die eigenen Bücher und Autoren bekannt zu machen. Scheinbar trägt man sich damit, Veranstaltungen durchzuführen, die eher einen Partycharakter haben. Persönlich sehe ich jedoch keinen Zusammenhang zwischen einer Party und einem Buch. Kochveranstaltungen im kleinen Kreis gab es bereits. Diese Veranstaltung würde ich sogar ausbauen, bis hin zu einer Fernsehübertragung oder bei Streamingdiensten, YouTube und Ähnlichem. Verkostungen bei Wein und Whisky, Gin und Rum passen in das gleiche Schema. Mit einem kleinen Schritt in die Zukunft und Mut zu einem kleinen Risiko sind »Probeläufe« durchaus möglich. Ein Schritt in die richtige Richtung, um neue Leserschichten und Besucher anzulocken ist der Frankfurt Young Stories – ein Schreibwettbewerb für den Nachwuchs. Da hier hauptsächlich deutsche und in Deutschland lebende Jugendliche angesprochen werden sollen, könnte man die deutsche Sprache in den Vordergrund stellen und den Namen »eindeutschen«. Die Suche nach Literaturnachwuchs im Alter von 12 bis 18 Jahren ist gefragt. Keine schlechte Idee. Bleibt jedoch zu wünschen, nicht nur die Geschichten suchen und prämieren, sondern auch veröffentlichen.
Ehrengäste gibt es in jedem Jahr. Manchmal kontrovers in den Medien bewertet, in jedem Fall aber interessant. In diesem Jahr durften wir uns auf Norwegen freuen. Kronprinzessin Mette Marit fuhr mit einem Literaturzug von Berlin über Köln nach Frankfurt. Mit dabei zur Eröffnung am Dienstag ein Großteil der 100 norwegischen Autorinnen und Autoren. Im Zusammenhang mit den Gastländern finden immer wieder Veranstaltungen außerhalb des Messegeländes statt, doch leider allzu oft nur eine Beweihräucherung der eigenen Egos.
Ein neuer Themenbereich Frankfurt Audio rückte die Welt der Hörbücher, Podcasts und Audiotrends ins Rampenlicht. Da war die Messeleitung wohl etwas in der Vergangenheit haften geblieben. Hörbücher gab es bereits, als es noch Schallplatten gab. In Halle 3.1 fand der geneigte Besucher ein Podcast-Studio, in dem man selbst aktiv werden konnte. Leider fiel es mir nicht auf, erst im Nachgang der Messe las ich davon.
Fazit: Eine interessante Messe mit Abstrichen, aber nächstes Jahr wieder.
(es)