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Der Arzt auf Java – Zweiter Band – Kapitel 10 – Teil 1

Alexander Dumas d. Ä.
Der Arzt auf Java
Ein phantastischer Roman, Brünn 1861
Zweiter Band
Kapitel 10, Teil 1

Der Taikoekoie

Am nächsten Morgen mit Tagesanbruch, stand Eusebius auf. Doch statt unmittelbar nach Batavia hinabzugehen, wie dies seine Gewohnheit war, wenn er sich in Steene-Overlass befand, ging er links und trat in den Campong der Chinesen.

Der frühen Stunde ungeachtet erfüllte die arbeitsame Bevölkerung dieses Stadtviertels bereits die Straßen. Die wandernden Krämer, beladen mit den Lebensmitteln, kreuzten sich in allen Richtungen und verkündeten mit verschiedenartigem Geschrei und mit betäubenden Instrumenten, Gemüse, Fische, Fleisch, lebende Tiere, die sie in großen Körben auf ihren Schultern trugen wie die Schalen einer Waage. Die Handlungsdiener säuberten die Türen, staubten die eleganten Schilder ab, die vertikal herabhingen, sodass sie dem Publikum auf ihren beiden Seiten in goldenen Buchstaben den Namen des Kaufmannes zeigten. Dann erschien dieser selbst mit seinem Suangvanne, dessen Kugeln er klingeln ließ, um das Glück herbeizurufen und das böse Geschick zu beschwören. Die Magazine waren überfüllt mit allen Erzeugnissen des Himmlischen Reiches. Hier waren Gegenstände von Elfenbein, Fächer von Perlmutt, Schildpatt oder Sandelholz, bemalte Papierrollen, Bambusmeubel, Seidenwaren aller Art und aller Farben und endlich Haufen von Lebensmitteln und unter diesen Vogelnester, Haifischflossen und ähnliche Leckerbissen der Chinesen.

Eusebius war zu sehr mit seinen Gedanken beschäftigt, um diesen Bildern seine Aufmerksamkeit zu widmen. Was er suchte, war ein Steinhändler. Als er ihn gefunden hatte, trat er in dessen Laden ein, zeigte ihm den Stein, den Cora ihm anvertraut hatte und bat ihn, denselben zu prüfen.

Der Chinese ließ ihn auf seinem Schleifstein kreischen, betrachtete ihn von allen Seiten mit seiner Lupe und entäußerte sich seiner nur mit einem lauten Seufzer, welcher Eusebius, wäre er nicht ohnehin schon davon überzeugt gewesen, gesagt haben würde, dass es ein schwarzer Diamant war, und zwar ein schwarzer Diamant mit dem größten Wert.

Eusebius warf auf den Ladentisch ein Silberstück, um den Chinesen für den Schmerz zu entschädigen, den er darüber empfand, sich einen so kostbaren Gegenstand nicht aneignen zu können. In der heitersten Stimmung erreichte er sein Kontor in Batavia, welches er am Abend früher verließ, als es sonst seine Gewohnheit war.

Als er nach Hause zurückkehrte, bemerkte er Cora in dem Kiosk an eben der Stelle sitzend, die Harruch zu seinem Lager gewählt hatte. Eusebius war über die erlangte Gewissheit so glücklich, dass er das Bedürfnis fühlte, sein Glück auszusprechen. Statt daher gleichgültig und geringschätzig an der Negerin vorüberzugehen, wie es seine Gewohnheit war, trat er gerade auf sie zu.

»Es ist ein Diamant, den du gefunden hast, Cora, und zwar der Wertvollste von allen, ein schwarzer Diamant.«

»Das Herz des liebenden Weibes ist auch ein Diamant«, erwiderte Cora mit leiser Stimme, »aber weniger glücklich als dieser Stein raubt die Farbe ihm seinen Wert!«

Eusebius hielt es nicht für passend, auf diesen schmerzhaften Ausruf zu antworten. Er gab sich ganz seiner Trunkenheit hin.

»Wenn alle Welt im Hause schläft, suche mich in meinem Zimmer auf, Cora«, sagte er. »Du musst die Andeutungen vervollständigen, die du mir gestern Abend gegeben hast.«

Als Cora ihren Gebieter so sprechen hörte, erbebte sie am ganzen Körper. Ihre Lippen, gewöhnlich röter als Korallen, wurden blass. Ihre Augen schlossen sich unwillkürlich, sie taumelte, als ob ihre Füße sie nicht zu tragen vermochten.

»Der Herr hat zu gebieten. Er wird seine Sklavin stets gehorsam und überwürfig finden«, erwiderte Cora mit kaum hörbarer Stimme.

Als alles im Hause schlief und die ersten Atemzüge der Madame van der Beek, neben der die Negerin ruhte, ihr bewiesen, dass sie fest eingeschlafen war, verließ Cora ihr Lager und glitt durch den kleinen Gang, von dem wir gesprochen haben, zu dem Zimmer von Esthers Gatten. Die Aufregung erstickte das arme Mädchen. Sie war atemlos, außer sich. Ihre Glieder zitterten, und gleichwohl zögerte sie auf ihrem Weg nicht, als ob sie durch einen höheren Willen, der den hörigen beherrschte, vorwärtsgetrieben würde. Ihre Hand hob den Vorhang, der Eusebius’ Zimmer schloss, sobald sie den Stoff unter ihren Fingern rascheln fühlte.

Eusebius lag auf den Matten, welche den Fußboden bedeckten, und vor der großen Karte, welche der Ingenieur van der Velde von der Insel Jana entworfen hat. Neben ihm lag ein Haufen von Büchern und auf diesen Büchern der Diamant, der das Licht der beiden Kerzen widerspiegelte, die das Gemach beleuchteten.

Eusebius war so ganz in seine topographischen Studien versunken, dass einige Augenblicke vergingen, bevor er bemerkte, dass Cora neben ihm stand. Endlich erhob er den Kopf, sah sie und rief: »Wahrlich, du kommst zu rechter Zeit, Cora, denn ich kann mich in diesem Gewirr von Bergen nicht zurechtfinden.«

Doch Cora hatte ihn nicht gehört. Bei dem Anblick dessen, welcher der Herr ihres Herzens geworden, wie er bereits der Herr ihrer Person war, schwanden die ihr noch übrig gebliebenen Kräfte. Sie sank auf die Knie nieder, ergriff Eusebius’ Hand und bedeckte sie mit Küssen, deren Glut die aus ihren Augen strömenden Tränen nicht zu kühlen vermochten.

Eusebius machte eine Bewegung der Täuschung und des Unwillens. Um von Cora die Mitteilungen zu erlangen, die ihm notwendig waren, hatte er eingewilligt, die Augen über das Gefühl zu schließen, welches die arme Negerin zu dieser Unterhaltung führte. Er willigte ein, das Glück nicht zu bemerken, das er gewährte, aber er rechnete darauf, seine Leidenschaft in den Schranken der Vernunft zu halten. Er wäre weit entfernt gewesen, zu vermuten, dass das, was er als ein Zusammenkommen zu einer Geschäftsangelegenheit betrachtete, gleich von allem Anfang eine solche Wendung nehmen würde. Er blieb dem schönen Geschöpf gegenüber kalt, das sich in einer vielversprechenden Hingebung ihm zu Füßen warf. Das Nervenzucken, welches den Körper des jungen Mädchens ergriff und ihren schwarzen, glänzenden Busen in heftigen Bewegungen hob, ließ ihn kalt. Er blieb gleichgültig bei den verzweiflungsvollen Tränen Coras. Kaum bemerkte er die Sorgfalt, die sie darauf verwendet hatte, sich zu schmücken, die Koketterie, mit welcher sie ihr Haar mit frischen und wohlriechenden Blumen durchflochten hatte. Aber es war nicht mehr, wie einige Zeit zuvor das angebetete Bild Esthers, welches Eusebius gegen die Verführung schützte, sondern es war egoistische Berechnung des Kaufmanns. Der leichte Triumph, den er so erlangte, gewann dem neuen Gefühl eine unerhörte Kraft, welche dasselbe zu der einzigen Ägide machte, die Eusebius in der Zukunft vor Gefahren bewahren sollte.

Während des Schluchzens, welches sich der Brust der Negerin entrang, bedachte Eusebius, dass nur zwei schwache Wände sein Zimmer von dem Gemach trennten, in welchem Esther schlief, dass sie bei dem Geräusch erwachen und zu ihm kommen könnte, ehe er von Cora die so gewünschten Auseinandersetzungen erlangt hätte.

Wenn sein Herz sich nicht erweichte, wenn seine Sinne ebenso wenig nachgaben wie sein Herz, so schaute er wenigstens die, von der sein Interesse abhing und die stillschweigende Toleranz, mit welcher er die Leidenschaft der jungen Negerin hatte wachsen und sich entwickeln lassen, nicht, sondern beging eine Art moralischer Mitschuld, welche die Leidenschaft des Mädchens nur noch mehr steigern musste.

In der Tat waren die Ermahnungen, die er an sie richtete, sich den Gesetzen eines strengen Geschickes zu unterwerfen, nicht so unbedingt, dass sie nicht an dem Horizont, welchen Cora ihrer Liebe verlieh, einen Winkel für die Hoffnung gelassen hätten. Seine Vorwürfe waren Bitten, seine Trostgründe nahmen einen solchen Ton der Zärtlichkeit an, dass die arme Negerin, wenn sie die Erinnerungen ihrer Träume vergessen hätte, sie dem unerhörten Glück gegenüber wieder gewonnen haben würde, welches jedes der Worte ihres Gebieters in ihrem Herzen erweckte, gleich einem übernatürlichen Balsam augenblicklich die geschlagenen Wunden wieder heilend.

Nach einigen Augenblicken legte sich die fieberhafte Qual Coras. Glücklich und stolz darüber, dass ihr die Hand gelassen wurde, welche sie in die ihre genommen hatte, konnte sie Eusebius darin beistehen, den Punkt genau zu bestimmen, an welchem die Eruption des Golung-Gung stattgefunden hatte. Seiner Meinung nach musste es auf dem südlichen Abhang des Berges Taikoekoie zwischen dem Flecken Gavoet und dem Dorf Sovetji sein.

Die Karte deutete an, dass ein fahrbarer Weg bis zu dem ersten dieser beiden Orte führte. Von dort bis zu der Stelle, welche Cora als die bezeichnete, wo sie den Diamant gefunden hatte, war nur noch eine kurze Strecke zu Pferde zurückzulegen.

Eusebius entließ das junge Mädchen nicht, ohne ihr nochmals empfohlen zu haben, dahin zu streben, die Neigung zu besiegen, die sie zu ihm hinzog. Aber er tat dies mit einer so sanften Stimme, mit so zerstreuten Blicken, dass die Negerin daraus notwendig schließen musste, seine Worte ständen nicht im Einklang mit seinem Herzen und sie hätte einen wesentlichen Schritt dem Ziel entgegen getan, dem sie so sichtbar zustrebte.

Die Folge war, dass, als Cora nach ihren täglichen Gewohnheiten ihren Gebieter an einem abgelegenen Ort der Wohnung bemerkte, dieser sich nicht enthalten konnte, durch ein freundliches Wort auf die Augensprache zu antworten, deren sich die Negerin bediente, und dass er nicht den Mut hatte, böse zu werden, als sie seine Hände nahm und ihre Lippen darauf drückte.

Eusebius glaubte durch die demütige und ehrerbietige Haltung seiner Sklavin entwaffnet zu sein, aber er war nur deshalb kraftlos, weil es schon ein Geheimnis zwischen ihm und ihr gab und weil seine Mitschuld ihn vollkommen beherrschte, von so geringer Wichtigkeit dies Geheimnis auch sein mochte.

Indessen ertrug Eusebius voll Ungeduld die Zeit, während welcher er warten musste, ehe er die Reise unternehmen konnte, die er beschlossen hatte, um das Diamantenlager aufzusuchen.

Madame van der Beek hatte sich kaum von ihrem Wochenlager erholt. So sehr er auch auf ihre Kräfte baute oder so sorglos er sich gegen alles zeigte, was nicht Geschäfte betraf, erschrak er dennoch vor dem Gedanken, Tage, Wochen, Monate vielleicht, allein mit der schönen Sklavin zuzubringen. Er wollte deshalb die Reise nicht ohne Esther unternehmen. Überdies stillte Cora das Kind. Das arme kleine Wesen derjenigen zu berauben, die ihm notwendig war, würde eine Grausamkeit gewesen sein, zu welcher Eusebius noch nicht gelangt war, so heftig auch das Fieber sein mochte, das ihn verzehrte.

Seine gute und zärtliche Frau, die auf dem Gesicht ihres Mannes allen Eindrücken seiner Seele gefolgt war, erriet, was in ihm vorging und kam seinen glühendsten Wünschen entgegen. Eines Tages, an welchem Eusebius vielleicht zum hundertsten Mal fragte, wann das kleine Kind entwöhnt werden würde, lächelte sie Eusebius freundlich zu und sagte, sie glaubte, eine Reise in das Gebirge würde für ihre Gesundheit sowie für die ihres Kindes zuträglich sein.

»Eine Reise in das Gebirge!«, rief Eusebius, der nicht wusste, was er von diesem Gedanken halten sollte, welcher allen seinen Schimären so sehr schmeichelte.

»Gewiss«, entgegnete Esther. »Ist nicht dort die Luft rein und frisch? Könnten wir uns nicht dort von der drückenden Hitze erholen, durch welche wir seit zwei Monaten hier so sehr leiden? Und dann«, fuhr Esther fort, welche ihrem Mann auch noch das Erröten über die Habgier ersparen wollte, die sie ihm eines Tages zum Vorwurf gemacht hatte, »dann ist es mir auch gleichgültig, zu welchem Teil des Gebirges wir reisen und wir können daher den Berg Taikoekoie wählen. Das würde für dich eine Gelegenheit sein, zu untersuchen, ob der Diamant Coras noch Brüder hinterlassen hat.«

»Und Cora?«, fragte Eusebius atemlos vor Hoffnung.

»Cora! Wir nehmen sie mit uns. Ich denke, mich von meinem Kind nicht zu trennen, und dies kann wieder Cora nicht entbehren.«

Die Amme trat in diesem Augenblick ein. Sie hatte die letzten Worte ihrer Gebieterin gehört und gleich Eusebius wurde sie heftig aufgeregt, obwohl es nicht dasselbe Gefühl war, welches beide bewegte.

Eusebius schloss seine Frau in die Arme und küsste sie voll Entzücken.

Ach, es war nicht mehr Esther, der diese Äußerungen galten, sondern es waren die Diamanten, welche die Augen blendeten, und von denen seine Einbildungskraft ihm gewaltige Haufen zeigte, welche seine Finger in strahlenden Garben umherstreuten.

Eusebius betrieb die Vorbereitungen zu der Reise mit solchem Eifer, dass schon drei Tage nach der Mitteilung Esthers an ihren Mann die kleine Karawane sich in das Innere der Insel auf den Weg machte. Sie reisten mit Post, wie dies der Gebrauch der reichen Kolonisten Javas ist, wo der Postdienst sehr gut versehen wird, und in einer großen Berline, vor welche ein Dutzend Pferde gespannt wurden, kleine, lebhafte und kräftige Tiere, die in dem Land gezüchtet werden. Eingeborene folgten zu Fuß diesen Pferden, wie auch die Gangart derselben sein mochte, trieben sie mit der Stimme an und riefen die Arbeiter der Felder an den Saum der Straße zu Hilfe, um den schweren Wagen vorwärts zu schieben oder zu ziehen, wenn die Schwierigkeit des Weges ihn hemmte oder wenn die kleinen Vierfüßler sich weigerten, ihren Dienst zu verrichten.

So ging man bis Bandong, indem man durch Buytenzorg und Tjonjon kam. Hier hörte die Straße auf, für Wagen fahrbar zu sein. Die Berline musste in dieser letzteren Stadt zurückbleiben. Die Frauen setzten die Reise in der Sänfte fort, die Männer stiegen zu Pferde.

Am Abend ihrer Ankunft in Gavoet und nachdem Eusebius seine Frau in dem Gemach untergebracht hatte, welches im Voraus bestellt worden war, hatte er nichts Eiligeres zu tun, als auf die Terrasse des Hauses hinabzugehen, um von hier aus den Berg Taikoekoie zu betrachten, von dem er während des Weges nur die schneebedeckten Gipfel hatte sehen können.

Zu seiner großen Überraschung war ihm auf seinem Beobachtungsposten schon jemand zuvorgekommen. Cora, die Ellenbogen auf die Bambusbalustrade gestützt, welche die Terrasse umgab, richtete die Augen auf die finsteren Massen des Granitgipfels, dessen Fuß in einer veilchenblauen Wolke verschwand und von welcher nur noch die Spitze von der untergehenden Sonne mit ihren letzten Strahlen beleuchtet wurde.

Die Negerin war so in ihre Betrachtungen versunken, dass sie Eusebius nicht hinter sich gehen hörte. Er näherte sich ihr und berührte leise ihre Schulter. Sie erbebte, wendete sich um, und ihren Gebieter erkennend, stieß sie einen Schreckensschrei aus.

»Was hast du denn, Kind?«, sagte van der Beek. »Seit du unter meinem Dach bist, erschreckt meine Anwesenheit dich zum ersten Mal.«

Das Lächeln, mit welchem Eusebius diese Worte begleitete, beruhigte das junge Weib nicht. Sie zitterte fortwährend und stammelte zur Entschuldigung einige unverständliche Worte.

»Wahrlich«, fuhr ihr Herr fort, »ich erkenne dich nicht mehr, Cora. Schon seit dem du Weltevrede verlassen hast, bemerkte ich die sonderbare Veränderung, die mit dir vorgegangen ist. Diese Reise, die du anfangs ebenso sehr gewünscht zu haben scheinst, wie ich, ist dir, wie ich bemerkt zu haben glaube, seitdem wir unterwegs sind, verhasst geworden. Drei oder vier Mal überraschte ich Tränen in deinen Augen. Was geht denn in dir vor?«

»Herr, wie könnt Ihr denken, dass ich mit heiterem Herzen diese Orte wiedersehe, die so schmerzhafte Erinnerungen in mir erwecken?«

»Wir haben dir nicht verhehlt, in welche Richtung wir reisen würden. Du hättest, um dich zu betrüben, nicht zu warten brauchen, bis wir das Ziel unserer Reise erreichen, denn wir sind bei demselben. Dort liegt der Berg, der in seinen Eingeweiden die ungeheuren Reichtümer birgt, welche die unsrigen werden sollen.«

»Herr, Herr!«, rief Cora, »überlegt es wohl, ehe Ihr es versucht, die Hand daran zu legen. Der Geist des Berges ist geizig wie die Menschen, und gleich ihnen hütet und verteidigt er seine Reichtümer.«

Der Gedanke, in seinem Besitz die unversiegbare Quelle der Reichtümer zu haben, die er begehrte, verblendete Eusebius so sehr, dass diese Drohung mit übernatürlichen Geistern, über die er nach seinem Zusammentreffen mit Basilius erbebt sein würde, nun nicht den geringsten Eindruck auf ihn machte. Er zuckte gleichgültig die Achseln.

»Herr«, fuhr Cora fort, »waren wir nicht glücklich in dem großen Haus zu Weltevrede, Ihr über die zahllosen Güter, welche Gott Euch schon gesendet hatte und über die Liebe Eurer Frau, ich, Euch betrachten und mich in dem teilnahmsvollen Blick berauschen zu können, den Ihr auf Eure Sklavin fallen ließet? Weshalb haben wir Weltevrede verlassen?«

Es lagen Tränen in der Stimme der Negerin, als sie diese Worte sprach. Ihr Ton verriet eine heftige innere Aufregung.

»Sklavin«, sagte Eusebius mit beinahe drohendem Ton, »ungeachtet des Umweges, den du machst, entdeckte ich dennoch die Wahrheit: Du hast mich betrogen.«

»Ich!«, rief Cora voll Verzweiflung.

»Du hast mich betrogen, gestehe es! Die Geschichte von dem Auffinden dieses Diamanten ist ein Märchen. Das Vorhandensein des Beckens, angefüllt mit ähnlichen Steinen, wie der, welchen du mit dir nahmst, ist eine Fabel. Du hast mich und meine alberne Leichtgläubigkeit verspottet. Gestehe, und ich habe genug Mitleid für das unsinnige Gefühl, welches dich so handeln ließ, um dir deine Lügen zu verzeihen.«

»Nein, Herr, ich habe nicht gelogen. O, glaube das nicht, ich beschwöre dich bei dem Geist meiner Mutter, die gestorben ist, um mir das Leben zu retten. Ich sagte die Wahrheit, ich schwöre es dir.«

»Gut«, antwortete Eusebius durch den Eifer, mit welchem Cora diese Worte gesprochen hatte, beinahe überzeugt. »Morgen machen wir uns wieder auf den Weg. Wenn wir zwei Stunden zurückgelegt haben und an dem Abhang des Taikoekoie sind, wo die eine Seite auf das Meer blickt, die andere auf die Ebene, werden wir sehen, ob Cora bei dem Geist derjenigen, die ihr das Leben gab, einen Meineid geleistet hat.«

»Nein, nicht morgen, nein, geht nicht nachdem Taikoekoie. Mein Gott, ich möchte etwas anderes sein, als eine elende Sklavin, die es wagte, ihre Augen zu ihrem Gebieter zu erheben, um dich mit dem Ton zu bitten, der dich rührt. Verzichte auf deinen Plan, Herr, verzichte darauf, zum Taikoekoie zu gehen.«

»Nimmermehr!«, rief Eusebius. »Ich werde mich nicht mehr durch dich hintergehen lassen! Sollte es auch nur geschehen, um deine Unverschämtheit zu überführen, müsste ich auch auf die Hoffnung verzichten, die du in meiner Brust erwecktest, so werden wir dennoch morgen die Felsfläche aufsuchen, die sich an eine Felsmauer lehnt, von deren Gipfel ein Bach herniederfällt, der in seinem Lauf Diamanten mit sich führt. Du siehst wohl, dass ich mich gut erinnere, Cora.«

»Wenn es diese glänzenden Steine sind, welche dein Herz rühren können, so sprich, Herr, ich will zu allen Bächen der Berge gehen, ich will ihre Betten durchsuchen, meine Finger an den Felsen blutig ritzen und dir bringen, was ich finde, ohne für mich das Geringste zurückzubehalten. Das schwöre ich dir.«

»Unsinnige! Als ob auf der ganzen Insel vielleicht noch ein anderes Lager zu finden wäre, dem ähnlich, von dem du mir gesagt hast. Cora, ich wiederhole dir, dass diese Reise uns reich machen oder dich der Lüge überführen soll. Bereite dich deshalb vor, sie morgen mit Tagesanbruch anzutreten und uns als Führerin zu dienen.«

»Nein, sucht einen anderen Führer«, erwiderte die Negerin, indem sie den Kopf schüttelte. »Cora vermag es nicht, Euch zum Taikoekoie zu führen.«

»Elende!«, rief Eusebius, einer Regung des Zornes nachgebend und die Hand gegen die Negerin erhebend. Doch er schämte sich sogleich seiner Heftigkeit und fügte mit sanfterem Ton hinzu: »Das ist also die grenzenlose Ergebenheit, welche Cora für ihren Herrn zu hegen schien? Das ist also die Liebe, für die sie das Leben lassen würde, wie sie sagte, und die nicht bis zu dem Gehorsam gegen seinen Willen geht?«

Diese Berufung auf die Leidenschaft, welche das junge Weib verzehrte, eine Berufung, welche Eusebius zu Hilfe rief, weil er fürchtete, seine Hoffnungen getäuscht zu sehen, brachte eine unerwartete Wirkung hervor.

Cora warf sich ihrem Herrn zu Füßen, umschlang seine Knie mit ihren Armen und rief: »Lass die Hand, die du erhoben hattest, auf Cora niederfallen. Schlage deine Sklavin, tritt sie mit Füßen, aber verleumde nicht das Feuer, welche sie erfüllt und verzehrt. Nein, lieber als dass ich dich an der Liebe zweifeln sehe, die hoffnungslos ist, wie sie unvergolten bleiben wird, lieber will ich den entsetzlichsten Tod erdulden, lieber will ich …«

Cora hielt hier mit einem Schrei inne, als ob eine unsichtbare Hand ihr die Gurgel zuschnürte. Alle ihre Glieder zitterten krampfhaft, ihr Atem stockte, ihre Augen waren starr und wild zur Seite des Berges Taikoekoie gerichtet.

Eusebius folgte dieser Richtung und erblickte eine rote Feuersäule, welche vom Fue des Berges und der Mitte der Bäume aufstieg, die ihm als Gürtel dienten.,

Er erblickte darin nur ein ganz natürliches Ereignis, das heißt, den Biwak einiger Jäger und dachte nicht daran, ihm den plötzlichen Schrecken zuzuschreiben, von welchem Cora ergriffen wurde.

»Nun?«, sagte er, indem er sich wieder zu ihr wendete.

»Ihr wollt es, Herr«, erwiderte das junge Mädchen mit erstickter Stimme, »Ihr wollt es und ich werde gehen. Ich werde Euch zu dem Ort führen, an welchem die Diamanten unter einem Lager von flüssigem Kristall schlummern.«