Die drei Musketiere 40
Alexander Dumas d. Ä.
Die drei Musketiere
7. bis 10. Bändchen
Historischer Roman, aus dem Französischen von August Zoller, Stuttgart 1844, überarbeitet nach der neuen deutschen Rechtschreibung
VII.
Eine furchtbare Erscheinung
Richelieu stützte seinen Ellbogen auf sein Manuskript, seine Wange auf seine Hand und schaute d’Artagnan einen Augenblick an. Niemand besaß ein tief forschendes Auge, wie der Kardinal. Dem jungen Mann rann es bei diesem Blick wie Fieber durch die Adern.
Er blieb indessen fest, hielt seinen Hut in der Hand und erwartete das Belieben Seiner Eminenz, ohne zu viel Stolz, aber auch ohne zu viel Demut.
»Monsieur«, sprach der Kardinal, »seid Ihr ein d’Artagnan aus Bearn?«
»Ja, Monseigneur.«
»Es giebt mehrere Linien d’Artagnan in Tarbes und in der Umgegend. Zu welcher gehört Ihr?«
»Ich bin der Sohn desjenigen, welcher die Religionskriege unter dem großen König Heinrich, dem Vater Seiner Allergnädigsten Majestät, mitgemacht hat.«
»Gut, Ihr seid es, der etwa vor sieben oder acht Monaten von seiner Heimat abgereist ist, um in der Hauptstadt sein Glück zu suchen?«
»Ja, Monseigneur.«
»Ihr seid durch Meung gekommen, wo Euch etwas begegnete. Ich weiß nicht mehr genau was, aber irgendetwas.«
»Monseigneur«, sprach d’Artagnan«, »es begegnete mir …«
»Unnötig, unnötig«, versetzte der Kardinal mit einem Lächeln, welches andeutete, dass er die Geschichte so gut kannte, wie derjenige, welcher sie erzählen wollte. »Ihr wart an Monsieur de Tréville empfohlen?«
»Ja, Monseigneur, aber gerade bei dieser unglücklichen Angelegenheit in Meung …«
»Ging der Empfehlungsbrief verloren«, unterbrach ihn Seine Eminenz, »ja, ich weiß es. Aber Monsieur de Tréville ist ein geschickter Physiognomiker, der die Menschen auf den ersten Blick kennt. Er hat Euch in der Kompanie seines Schwagers, des Monsieur des Essarts, untergebracht, wobei er Euch Hoffnung machte, mit der Zeit bei den Musketieren eintreten zu können?«
»Monseigneur ist vollkommen unterrichtet.«
»Seit dieser Zeit ist Euch vielerlei begegnet. Ihr seid eines Tages hinter dem Karmeliterkloster spazieren gegangen, wo es besser gewesen wäre, Ihr hättet Euch anderswo befunden. Dann habt Ihr mit Euren Freunden eine Reise zu den Bädern von Forges gemacht. Sie sind auf der Route zurückgeblieben, Ihr aber habt Euren Weg fortgesetzt. Das ist ganz einfach, Ihr hattet Geschäfte in England.«
»Monseigneur«, sagte d’Artagnan ganz verblüfft, »ich begab mich …«
»Auf die Jagd nach Windsor oder anderswohin, das geht niemand etwas an. Ich weiß das, weil es mein Beruf ist, alles zu wissen. Bei Eurer Rückkehr seid Ihr von einer hohen Person empfangen worden, und ich sehe mit Vergnügen, dass Ihr das Andenken bewahrt habt, welches Ihr von ihr erhieltet.«
D’Artagnan trug den Diamanten am Finger, den er von der Königin hatte, und drehte rasch den Stein nach innen; aber es war zu spät.
»Am Tag nach diesem Empfang besuchte Euch Monsieur von Cavois«, fuhr der Cardinal fort. »Er bat Euch, in den Palast zu kommen, Ihr gabt ihm diesen Besuch nicht zurück und hattet unrecht.«
»Monseigneur, ich fürchtete, die Ungnade Eurer Eminenz auf mich gezogen zu haben.«
»Und warum dies, Monsieur? Weil Ihr die Befehle Eurer Vorgesetzten mit mehr Mut und Verstand befolgt habt, als irgendein anderer getan haben dürfte? Ihr solltet meine Ungnade auf Euch gezogen haben, während Ihr Lob verdient? Ich bestrafe nur die Leute, welche nicht gehorchen, und nicht diejenigen, welche, wie Ihr … zu gut … gehorchen. Und zum Beweis erinnert Euch an das Datum des Tages, an welchem ich Euch zu mir beschied, und sucht in Eurem Gedächtnis, was an diesem Tag vorgefallen ist.«
An diesem Tag hatte die Entführung der Frau Bonacieux stattgefunden.
D’Artagnan schauerte und erinnerte sich, dass eine halbe Stunde vorher die arme Frau an ihm vorübergekommen war, ohne Zweifel abermals durch dieselbe Macht weggeführt, der man ihr Verschwinden zuschreiben musste.
»Da ich seit einiger Zeit nicht mehr von Euch sprechen hörte«, fuhr Richelieu fort, »so wollte ich wissen, was Ihr machtet. Übrigens seid Ihr mir immerhin einigen Dank schuldig, denn es konnte Euch nicht entgehen, wie sehr man Euch unter allen Umständen schonte.«
D’Artagnan verbeugte sich.
»Dies rührte nicht allein von einem Gefühl natürlicher Billigkeit her«, fuhr der Kardinal fort, »sondern auch von einem Plan, den ich mir in Beziehung auf Euch gemacht hatte.«
D’Artagnan staunte immer mehr.
»Ich wollte Euch«, sprach der Kardinal, »Ich wollte Euch diesen Plan an dem Tag auseinandersetzen, wo Ihr meine erste Einladung empfangen habt, aber Ihr kamt nicht. Zum Glück ist durch die Zögerung noch nichts verloren, und Ihr sollt ihn heute hören. Setzt Euch zu mir, Monsieur d’Artagnan, Ihr seid ein zu guter Edelmann, um stehend hören zu müssen.«
Der Kardinal deutete hierbei mit dem Finger auf einen Stuhl, aber der junge Mann war über das, was vorging, so verwundert, dass er, ehe er gehorchte, auf ein zweites Zeichen wartete.
»Ihr seid mutig, Monsieur d’Artagnan«, fuhr Seine Eminenz fort, »Ihr seid klug, was noch mehr ist. Ich liebe die Menschen von Kopf und Herz. Erschreckt nicht«, sprach er lächelnd. »Unter den Menschen von Herz verstehe ich die Menschen von Mut; aber so jung Ihr seid und obwohl Ihr erst in die Welt eintretet, habt Ihr doch mächtige Feinde. Wenn Ihr Euch nicht hütet, so werden sie Euch ins Verderben stürzen.«
»Ach, Monseigneur«, antwortete der junge Mann, »sie werden dies leicht zustande bringen, denn sie sind stark und gut unterstützt, während ich allein stehe.«
»Ja, das ist wahr, aber obwohl allein, habt Ihr bereits viel getan und werdet, wie ich nicht zweifle, noch viel tun. Ihr bedürft jedoch meiner Ansicht nach einiger Anleitung auf der abenteuerlichen Laufbahn, die Ihr eingeschlagen habt, denn wenn ich mich nicht täusche, seid Ihr mit dem ehrgeizigen Gedanken, Euer Glück zu machen, nach Paris gekommen.«
»Ich bin in dem Alter toller Hoffnungen, Monseigneur«, erwiderte d’Artagnan.
»Tolle Hoffnungen sind nur für die Toren vorhanden, Monsieur, und Ihr seid ein Mann von Geist. Lasst hören, was würdet Ihr zu einer Fähnrichstelle bei meiner Leibwache und zu einer Kompanie nach dem Feldzug sagen?«
»Ah! Monseigneur …«
»Ihr nehmt an, nicht wahr?«
»Monseigneur«, erwiderte d’Artagnan mit verlegener Miene.
»Wie, Ihr weigert Euch?«, rief der Kardinal erstaunt.
»Ich bin bei der Leibwache Seiner Majestät und habe keinen Grund, damit unzufrieden zu sein.«
»Aber es scheint mir, dass meine Leibwachen auch die Seiner Majestät sind, und dass man, wenn man in einem französischen Korps dient, dem König dient.«
»Monseigneur, Ew. Eminenz hat meine Worte unrichtig verstanden.«
»Ihr wollt einen Vorwand, nicht wahr? Ich begreife. Nun, Ihr habt den Vorwand. Das Vorrücken, der Feldzug, der sich eröffnet, die Gelegenheit, die ich Euch biete – das genügt für die Welt. Für Euch kommt noch das Bedürfnis sicherer Protektion dazu. Denn Ihr müsst wissen, Monsieur d’Artagnan, dass schwere Klagen gegen Euch bei mir erhoben worden sind. Ihr widmet Eure Tage und Eure Nächte nicht ausschließlich dem Dienst des Königs.«
D’Artagnan erröthete.
»Überdies«, fuhr der Kardinal fort und legte seine Hand auf einen Haufen Papiere, »überdies habe ich hier einen ganzen Stoß, der Euch betrifft. Aber ich wollte zuvor mit Euch sprechen, ehe ich ihn las. Ich weiß, dass Ihr ein entschlossener Mann seid. Eure Dienste könnten Euch unter guter Leitung viel eintragen, statt Euch zu Unheil zu führen. Auf! Überlegt und entscheidet Euch.«
»Eure Güte macht mich ganz verwirrt, Monseigneur«, antwortete d’Artagnan, »und ich erkenne in Ew. Eminenz eine Seelengröße, die mich klein macht, wie einen Wurm der Erde, aber da mir Monseigneur freimütig zu sprechen erlaubt …«
D’Artagnan hielt inne.
»Ja, sprecht.«
»So werde ich Ew. Eminenz sagen, dass alle meine Freunde bei den Musketieren und Leibwachen des Königs und alle meine Feinde infolge eines mir ganz unbegreiflichen Unsterns bei Ew. Eminenz dienen. Ich wäre also hier sehr unwillkommen und müsste da unten in einem schlimmen Licht erscheinen, wenn ich das, was mir Monseigneur bietet, annehmen würde.«
»Solltet Ihr bereits den stolzen Gedanken haben, ich biete Euch weniger, als Ihr verdient, Monsieur?«, sagte der Kardinal mit verächtlichem Lächeln.
»Monseigneur, Ew. Eminenz ist hundertmal zu gut gegen mich, und ich glaube im Gegenteil nicht genug getan zu haben, um eine solche Güte zu verdienen. Die Belagerung von La Rochelle wird eröffnet, Monseigneur. Ich werde unter den Augen Ew. Eminenz dienen, und wenn ich das Glück gehabt habe, mich bei dieser Belagerung so zu benehmen, dass ich Eure Blicke auf mich ziehe, nur dann habe ich eine glänzende Handlung hinter mir, welche die Protektion rechtfertigt, der Ihr mich zu würdigen die Güte haben werdet. Alles zu seiner Zeit. Später werde ich vielleicht das Recht haben, mich zu geben. Heute würde es aussehen, als ob ich mich verkaufte.«
»Das heißt, Ihr verweigert mir Euren Dienst, Monsieur?«, sprach der Kardinal mit einem ärgerlichen Ton, unter dem jedoch eine gewisse Achtung durchdrang. »Bleibt also frei und bewahrt Euren Hass und Eure Sympathien.«
»Monseigneur …«
»Gut, gut«, sagte der Kardinal, »ich grolle Euch darum nicht. Aber versteht wohl: Man hat alle Verpflichtung, seine Freunde zu verteidigen und zu belohnen. Seinen Feinden ist man nichts schuldig. Dennoch will ich Euch einen Rat geben. Haltet Euch gut, nehmt Euch wohl in Acht, denn von dem Augenblick an, wo ich meine Hand von Euch abziehe, gebe ich keinen Heller mehr für Euer Leben.«
»Ich werde mich bestreben«, antwortete der Gascogner demütig und zugleich mit einer gewissen Sicherheit.
»Erinnert Euch später und in einem gewissen Augenblick, wenn Euch Unheil widerfährt«, sagte Richelieu mit vorleuchtender Absicht, »dass ich Euch aufgesucht und dass ich alles, was in meinen Kräften lag, getan habe, um dieses Unheil von Euch abzuwenden.«
»Was auch geschehen mag«, erwiderte d’Artagnan, die Hand auf seine Brust legend und sich verbeugend, »ich werde eine ewige Dankbarkeit gegen Ew. Eminenz für das bewahren, was Ihr mir in diesem Augenblick getan habt.«
»Gut also, Monsieur d’Artagnan, wir werden uns, wie Ihr sagtet, nach dem Feldzug wiedersehen. »Ich folge Euch mit den Blicken, denn ich werde unten sein«, fuhr der Kardinal fort und zeigte d’Artagnan eine prachtvolle Rüstung, die er anlegen sollte. »Und wenn wir zurückkommen, rechnen wir ab.«
»Oh! Monseigneur!«, rief d’Artagnan, »erspart mir die Last Eurer Ungnade. Bleibt neutral, Monseigneur, wenn Ihr findet, dass ich als ritterlicher Mann handle.«
»Jüngling«, sagte Richelieu, »wenn ich Euch noch einmal sagen kann, was ich Euch heute gesagt habe, so gelobe ich es Euch zu sagen.«
Die letzten Worte Richelieus drückten einen furchtbaren Zweifel aus. D’Artagnan war darüber mehr bestürzt, als über eine Drohung, denn dies war eine Verkündigung. Der Kardinal versuchte ihn also vor einem Unglück zu bewahren, das ihn bedrohte. Er öffnete den Mund, um zu antworten, aber Richelieu entließ ihn mit einer stolzen Gebärde.
D’Artagnan entfernte sich, aber an der Tür drückte es ihm beinahe das Herz ab. Es fehlte wenig, so wäre er umgekehrt. Doch das strenge, ernste Antlitz von Athos trat ihm vor die Augen. Machte er mit dem Kardinal den Vertrag, den dieser ihm vorschlug, so würde ihm Athos keine Hand mehr geben, Athos würde ihn verleugnen.
Diese Befürchtung hielt ihn ab. So mächtig ist der Einfluss eines wahrhaft großartigen Charakters auf seine ganze Umgebung.
D’Artagnan stieg dieselbe Treppe hinab, auf der er heraufgekommen war. Er fand vor der Tür Athos und die vier Musketiere, welche auf seine Rückkehr warteten und unruhig zu werden anfingen. D’Artagnan beruhigte sie mit einem Wort, und Planchet lief umher, um die anderen zu benachrichtigen, dass es unnötig sei, länger Wache zu halten, indem sein Monsieur wohlbehalten das Palais des Kardinals verlassen habe.
Sobald sie zu Athos zurückgelangt waren, erkundigten sich Aramis und Porthos nach der Ursache dieser seltsamen Bestellung, aber d’Artagnan sagte ihnen nur, Monsieur von Richelieu habe ihn kommen lassen, um ihm den Eintritt bei seinen Leibwachen mit dem Grad eines Fähnrichs anzutragen. Er habe aber dieses Anerbieten ausgeschlagen.
»Und Ihr habt recht gehabt«, riefen einstimmig Aramis und Porthos.
Athos versank in eine tiefe Träumerei und erwiderte nichts.
Aber als er mit d’Artagnan allein war, sagte er: »Ihr habt getan, was Ihr tun musstet, aber Ihr habt vielleicht unrecht gehabt.«
D’Artagnan stieß einen Seufzer aus, denn diese Stimme antwortete auf eine geheime Stimme seiner Seele, die ihm sagte, dass großes Unglück seiner harre.
Der nächste Tag ging unter Vorkehrungen für die Abreise hin.
D’Artagnan verabschiedete sich von Monsieur de Tréville. Noch zu dieser Stunde glaubte man, die Trennung der Garden und der Musketiere würde nur ganz kurz sein. Der König würde sein Parlament noch an demselben Tag halten und am anderen Morgen abreisen. Monsieur de Tréville beschränkte sich also darauf, d’Artagnan zu fragen, ob er seiner bedürfe. D’Artagnan aber antwortete stolz, er habe alles, was er brauche.
Die Nacht versammelte alle Kameraden der Gardekompanie des Essarts und der Musketierkompanie des Monsieur de Tréville, welche Freundschaft miteinander geschlossen hatten. Man verließ sich, um sich wiederzusehen, wann und wenn es Gott gefiele. Die Nacht war also, wie man sich denken kann, eine höchst geräuschvolle, denn bei einem solchen Fall lässt sich die äußere Unruhe nur mit der äußersten Sorglosigkeit bekämpfen.
Am Morgen trennten sich die Freunde beim ersten Trompetenschall, die Musketiere liefen zur Villa des Monsieur de Tréville, die Garden zu der des Monsieur des Essarts. Jeder der Capitaine führte seine Kompanie sogleich zum Louvre, wo sie der König Revue passieren ließ.
Der König war traurig und schien krank zu sein, was ihm von seinem guten Aussehen benahm. Es hatte ihn in der Tat am Tag vorher mitten im Parlament, während er zu Gericht saß, das Fieber ergriffen. Er war darum nicht minder entschlossen, an demselben Tag abzugehen und wollte trotz allen Bemerkungen, die man ihm machte, die Revue halten, in der Hoffnung, durch dieses erste, kräftige Entgegenstreben die Krankheit zu besiegen, die sich seiner bemächtigte.
Als die Revue vorüber war, marschierten die Garden allein aus, da die Musketiere erst mit dem König abgehen sollten, wodurch es Porthos vergönnt war, mit seiner herrlichen Equipierung einen Ritt durch die Rue aux Ours zu machen.
Die Prokuratorin sah ihn in seiner neuen Uniform und auf seinem schönen Pferd vorüberreiten. Sie liebte ihn zu sehr, um ihn abziehen zu lassen. Sie machte ihm ein Zeichen, abzusteigen und zu ihr zu kommen. Porthos war prächtig: Seine Sporen klirrten, sein Panzer glänzte, sein Schwert schlug stolz an seine Beine. Dieses Mal fühlten die Schreiber keine Lust zum Lachen, so sehr hatte Porthos das Ansehen eines Ohrenabschneiders.
Der Musketier wurde bei Monsieur Coquenard eingeführt, dessen kleine grauen Augen vor Zorn blitzten, als er seinen angeblichen Vetter ganz flammend erblickte. Eines jedoch tröstete ihn einigermaßen: Man sagte allgemein, es würde ein sehr heftiger Feldzug werden. Er hoffte ganz still im Grunde seines Herzens, Porthos werde dabei das Leben verlieren.
Porthos machte Monsieur Coquenard sein Kompliment und verabschiedete sich von ihm. Meister Coquenard wünschte ihm alles mögliche Glück. Madame Coquenard konnte ihre Tränen nicht zurückhalten, aber ihr Schmerz gab zu keinem bösen Gedanken Anlass. Man wusste, dass sie sehr an ihrem Verwandten hing, um dessen willen sie manchen furchtbaren Streit mit ihrem Gatten durchzufechten hatte.
So lange die Prokuratorin ihrem schönen Vetter mit den Blicken folgen konnte, neigte sie sich zum Fenster hinaus, das man hätte glauben können, sie wolle sich herausstürzen, und winkte mit dem Sacktuch. Porthos empfing alle diese Zeichen der Zärtlichkeit als ein Mann, der an dergleichen Kundgebungen gewöhnt ist. Als er jedoch um die Straßenecke ritt, nahm er seinen Hut vom Kopf und schwenkte ihn zum Lebewohl.
Aramis schrieb einen langen Brief. An wen? Niemand wusste es. Ketty, welche an demselben Abend nach Tours abreisen sollte, wartete auf diesen geheimen Brief im Nebenzimmer.
Athos trank in kleinen Zügen die letzte Flasche seines spanischen Weines.
Während dieser Zeit defilierte d’Artagnan mit seiner Kompanie. Als er zu dem Faubourg Saint-Germain kam, drehte er sich um und schaute die Bastille heiter an, der er bis dahin glücklich entgangen war. Da er nur die Bastille anschaute, sah er Mylady nicht, die ihn, auf einem Isabell reitend, mit dem Finger zwei Menschen von ziemlich schlimmem Aussehen bezeichnete, welche sich sogleich den Reihen näherten, um ihn zu betrachten. Auf eine Frage, die sie mit dem Blicke machten, antwortete Mylady, er sei es. Sobald sie sich überzeugt hatte, dass kein Versehen bei Ausführung ihres Auftrags stattfinden konnte, spornte sie ihr Pferd und verschwand.
Die zwei Männer folgten sodann der Kompanie und bestiegen beim Ausgang aus dem Faubourg Saint-Antoine Pferde, welche ein Bedienter ohne Livree für sie bereithielt.