Archive

Elbsagen 28

Elbsagen
Die schönsten Sagen von der Elbe und den anliegenden Landschaften und Städten
Für die Jugend ausgewählt von Prof. Dr. Oskar Ebermann
Verlag Hegel & Schade, Leipzig

28. Die Zerstörung von Helfenstein

Wenn man bei Tolkewitz in der Nähe von Pillnitz über die Elbe setzt, so kommt man in das Dorf Niederpoiritz und wendet sich dann rechts den Grund hinauf zum Rittergut Helfenberg, in dessen Nähe auf einem Hügel die Ruinen der alten Burg Helfenstein, die auch Rothfels (von ihren ehemaligen Besitzern, den Dehn-Rothfelsern) oder die Hilfenburg hieß, liegen, die früher unter dem Volk den wendischen Spottnamen Babaricy, die Burg des Weiberkerls (Barbar) führte, weil die Schlossherren wegen Entführungen von Wendenmädchen berüchtigt waren. Wann die Zerstörung dieser Burg fällt, weiß man nicht, als Ursache derselben aber erzählt man folgende Begebenheit.

Der letzte Besitzer der alten Burg hat eines Tages als Vasall von seinem Lehnsherrn den Befehl erhalten, mit in den Krieg zu ziehen und also schweren Herzens von seiner jungen wunderschönen Gemahlin davonziehen müssen, seinem Bruder aber, der in der Nähe eine andere Burg besaß, sein Schloss und Habe, natürlich auch seine Gemahlin zur Beschützung empfohlen. Dieser war aber ein böser Ritter gewesen, der allen Lastern gefrönt hat, und der schlimmsten Raubritter einer im Land. Der war gar oft in die Burg seines Bruders geritten und hatte die schöne Schwägerin so lange getröstet, bis er sich sterblich in sie verliebte. Er hatte auch weder seiner Verpflichtung gegen den entfernten Bruder noch der Achtung, die er seiner frommen Schwägerin schuldig war, gedacht, sondern derselben frech seine Liebe entdeckt und verlangt, sie solle ihm zu Willen und ihren Gatten untreu sein. Die wies ihn aber kurzerhand ab und drohte, es ihrem Mann, wenn er heimgekehrt sei, zu entdecken. Da hatte er ihr die erdichtete Mär vom Tod ihres geliebten Gatten in ferner Schlacht zugehen lassen und nach einiger Zeit seine schändlichen Anträge erneuert, war jedoch abermals zurückgewiesen worden und ihm von der frommen Burgfrau für immer der Besuch von Helfenstein untersagt. Unter schweren Drohungen war er davongeritten, allein nicht lange hatte es gedauert, dass er eine furchtbare Gewitternacht benutzte, um mit seinen Raubgesellen unbemerkt gen Helfenstein zu ziehen. Sie erstiegen die Burg. Nachdem die wenigen Getreuen, die sich zur Wehr gesetzt hatten, gefallen waren, ergriffen sie seine Schwägerin trotz ihres Sträubens, nahmen sie mit aufs Ross und jagten eilig davon. Diese aber, weil sie keine Hilfe und Rettung mehr erhoffte, sah die Gelegenheit und war in der Nähe eines bei Helfenstein gelegenen Brunnens vom Ross heruntergeglitten und eilig entflohen. Wie sie sich aber umgeschaute und jenen ihr schon so nahe gesehen hatte, dass kein Entkommen mehr möglich gewesen war, empfahl sie ihre Seele dem Herrn und stürzte in den Brunnen. Der böse Schwager aber, wütend, dass sein Bubenstück misslungen sei, den Zorn seines Bruders fürchtend, kehrte um und ließ das Schloss von seinen Raubgesellen in Brand stecken, dann aber war er, wie von den Furien der Rache gejagt, davongeritten. Weit leuchtete aber die Brandfackel in die umliegenden Täler hinein und auch ein Trupp Reisige, der seines Weges zog, gewahrte sie, das waren der Herr von Helfenstein und seine Mannen, die heim aus fernen Kämpfen zogen. Sie jagten wohl, was die Pferde laufen mochten, allein sie kamen doch erst an den Toren an, als alles zerstört und bis auf wenige Mauern niedergebrannt war. Ein alter, verwundet zurückgebliebener Knappe berichtete seinem Herrn die schreckliche Kunde. Da hatte dieser sein Schwert und Schild abgelegt und war in ein Kloster gegangen, für die Seele seiner treuen Gattin zu beten. Sein schändlicher Bruder aber hat nirgends im Land Schutz finden können, sondern die Strafe ereilte ihn bald und er musste mit seinen Kumpanen seine Untat auf dem Rad büßen.