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Deutsche Märchen und Sagen 41

Johann Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

41. Wie Albertus Magnus einen Neugierigen strafte.

Ein landfahrender Schuhmacher kam einmal nach Köln. Oftmals hatte er vordem groß Wunder sagen hören von Bruder Albrecht, dacht nun bei sich selbst: »Sollten all diese Dinge wahr sein, wie möchte ich sie dann wohl erproben.« Er kam mit seinem Schnappsack zu Bruder Albrechts Wohnung und fragte dreist, wo Bruder Albrecht wäre? Der Knabe fragte ihn, was er wolle? Der andere sprach, er müsste Herrn Albrecht sehen und sprechen. Da ging der Knabe zu Albrecht und meldete ihm, ein Jüngling mit einem Schnappsack wollte ihn sprechen.

»Hast du ihn nicht gefragt, was er wolle von mir?«, sprach Bruder Albrecht.

»Ja wohl,« antwortete der Knabe, »aber er will nur mit Euch selbst sprechen, und ich glaube, er kennt Euch wohl.«

»Geh hin und frage ihn, was er wolle, und lass ihn dir seine Botschaft künden, ich habe sogleich mein Werk getan.«

Der Knabe tat also, aber der mit dem Schnappsack sprach: »Ich muss nun einmal mit dem Herrn selbst sprechen. Geht und sagt ihm das, und ich wolle nicht von hinnen scheiden, ehe ich ihn sah und sprach. Sollte ich Euch mein Geheimnis sagen, warum ich hierherkam? Nein, ich sage es ihm selbst, bei Gott!«

Da ging der Knabe und brachte Bruder Albrecht die Antwort und Albrecht ließ den Jüngling vor sich kommen in seine Zelle und fragte ihn, was er wollte?

Der sprach: »Meister, ich habe nun schon manch seltsames Wort über Euch reden hören, von Gauklereien und Behändigkeit, und komme nun Euch zu bitten, dass ihr mir etwas von Euren Künsten zeigt, damit ich dem Gerede glauben könne.«

»Knabe, kamst du darum zu mir, und wolltest du darum mich sprechen?«, fragte Bruder Albrecht.

Und der andere sprach: »Ja sicherlich, und heute gehe ich nicht von Euch, ihr hättet mir denn etwas von Eurer Kunst sehen lassen.«

Bruder Albrecht sprach freundlich: »Gib mir deinen Sack, ich will auch nicht, dass du von mir scheidest, sondern etwas von meiner Kunst gelernt zu haben.«

Der andere gab Albrecht den Sack.

Der Meister steckte seine Hand hinein, zog sie wieder heraus und band den Sack fest zu, gab ihn alsdann dem Burschen zurück und sprach: »Nun geh schnell und sonder Weilen nach Hause, aber mach den Sack nicht auf, bis du zu Hause bist, was auch geschehen möge. Wenn du ihn da öffnest, dann wirst du etwas sehen. Binde ihn aber wieder fest zu und komm und sage mir, was du gesehen hast.« Dessen war der andere froh und er schied von Bruder Albrecht. Als er eben das Stadttor von Köln im Rücken hatte, da hätte er doch gar zu gern gewusst, was in dem Sack war. Er setzte sich denn hin und knüpfte ihn auf, doch da sprangen zwei stämmige Kerle heraus, von jeder Seite einer, die trugen Leisten in der Hand und gingen dem Burschen brav zu Leibe, je länger, je mehr und schlugen ihn so lang, bis er nicht mehr wusste, wo er war. Zuletzt bedachte er sich, dass Bruder Albrecht gesagt hatte, er müsse den Sack wieder zubinden. Das tat er und zugleich verschwanden die beiden, die ihn so jämmerlich geschlagen hatten. Als er nun von ihnen erlöst war, da wagte er nicht weiter zu gehen, sondern kehrte stracks wieder nach Köln zurück und zu Bruder Albrecht. Dem erzählte er, wie es ihm ergangen war, bat ihn auch mit vielen Worten, dass er den Sack doch machen möge, wie er zuvor gewesen war.

Da sprach Bruder Albrecht: »Ich will dir doch noch eine Kunst lehren, damit du noch mehr von meinen Künsten weißt.«

Der Bursche rief aber in großer Angst: »Ach, nein, edler Meister, ich bitte Euch um nichts anderes, als dass ihr diese eine Kunst von mir nehmt. Eure Künste dünken mich allzu stark. Ach, ich bitte Euch, Herr, wollt ihr das, ich will nimmermehr Eurer Kunst gehren, ich bin genug gestraft.« Da tat der Meister nach des Burschen Wunsch und entließ ihn, und der war gar erfreut darüber. Als er aber nach Hause kam, da wagte er noch nicht den Sack selbst zu öffnen, sondern ließ einen anderen das tun, denn die Probe von Meister Albrechts Kunst hatte er noch nicht vergessen, vergaß sie auch nicht sein ganzes Leben lang.