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Oberhessisches Sagenbuch Teil 31

Oberhessisches Sagenbuch
Aus dem Volksmund gesammelt von Theodor Bindewald
Verlag von Heyder und Zimmer, Frankfurt a. M., 1873

Der wilde Fraustein

Der wilde Fraustein befindet sich im Wald zwischen Grünberg und Laubach. Man sieht daselbst einen sehr großen, platten Stein, in welchem eine Vertiefung ist, die dem Griff einer menschlichen Hand gleicht. Ehedem wohnte nämlich da ein wilder Mann und eine wilde Frau, die man bei einem ungeheuren Topf oft ihre Arbeit verrichten und kochen sah. Der Mann verließ aber die Frau, ging fort ins Wirtshaus und kam nicht wieder, sodass die Frau in ihrem Zorn ihm den Felsblock nachwerfen wollte. Davon behielt er den Eindruck ihrer Hand bis auf den heutigen Tag.


Wildfrauhaus bei Wohnfeld

Ein Berg zwischen dem Petershainer Hof und dem Dörfchen Wohnfeld heißt das Wildfrauhaus. Einzelne Felsbrocken liegen daselbst, und einer ist die Tür zu der Wohnung der wilden Frau, die drinnen im Berg haust. Früher soll sie sich auch gezeigt und namentlich den armen Holzlesern unvermerkt ihre Last abgenommen haben, die sie dann an dem Platz, wo ihre Grenze war, erst wieder auf ihrem Buckel verspürten. Weiter ist von derselben nichts zu sagen. An schönen Sonntagnachmittagen ging das junge ledige Volk hin und trieb da eine Kurzweil, wie solches schon die Alten taten.


Die Burg zu Lehrbach

Die Reste des alten Schlosses der Herren und späteren Grafen von Lehrbach, von denen viele in der hessischen Geschichte von nicht geringer Bedeutung gewesen sind, finden sich heutzutage in dem großen Garten des Hofguts daselbst und ein ehemaliger Burgkeller wird noch immer von dem Pächter benutzt. In diesem Keller ist es nicht recht geheuer und bei Nacht würde man vergeblich einem Menschen zureden, hineinzugehen. Maurer, die einmal die Sandsteinplatten des Bodens aufbrechen sollten, mussten von dieser Arbeit unverrichteter Sache wieder abstehen. Ihre Laterne wurde ihnen von unsichtbarer Gewalt ausgelöscht. Sie mochten es anfangen, wie sie wollten, stets umgab sie dichte Finsternis.

Aus dem Burgkeller heraus zur Stätte der früheren Wohngebäude sieht man alljährlich, meist gegen Abend und vornehmlich kurz vor Weihnachten, eine der alten Ritterfrauen kommen, die haben schon viele gesehen. Ein Mann, der diese Erscheinung für einen Lug hielt, passte eines Tags auf sie, und richtig! Plötzlich sah er ihre Gestalt aus dem Keller heraufsteigen. Alsbald stand sie vor ihm und schaute ihn schreckhaft an. Ganz weiß war sie nicht gekleidet, sie hatte ein schwarzes kariertes Brokatkleid an, lange Haare wallten auf ihren Rücken herab und im Gesicht selbst bemerkte er ein großes Muttermal. Sie tat ihm zwar kein Leid und verschwand auch gleich wieder, der Mann selbst aber machte, dass er davonkam und begehrte sie nicht zum zweiten Mal wiederzusehen.