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Jack Lloyd Folge 34

Jack Lloyd – Im Auftrag Ihrer Majestät

Eine erste Feuerprobe

Jack und Elena hatten sich zwei Zimmer im Goldenen Schwan gemietet. Gleichzeitig machten sich Pablo, Joe und die anderen Männer auf, um ein leer stehendes Haus zu finden, in dem sie ihre weiteren Pläne verfolgen konnten. Sie wurden schnell fündig, denn die goldenen Zeiten Caracas waren bereits eine Weile her. Ein altes Lagerhaus etwas außerhalb der Stadt direkt an einem heruntergekommenen Landgut erschien Joe als perfektes Versteck für die kleine Gruppe. Die Männer ließen sich hier häuslich nieder und schickten einen Boten zu Jack, der ihm erklären sollte, wie er sie finden konnte. Um den Schein zu waren, hatten Jack und Elena beschlossen, für die Zeit ihres Aufenthaltes in Caracas im Goldenen Schwan zu bleiben. Die Unterkunft kostete zwar einen stolzen Kurs, aber wenn ihr Plan gelang würden sie die Ausgaben mit hohem Gewinn wieder einfahren.

Jack und Elena gesellten sich in den frühen Abendstunden zu ihren Gefährten auf dem alten Landgut außerhalb der Stadt. Die Stadttore wurden früh am Abend geschlossen, sodass die beiden die Nacht bei ihren Freunden verbringen mussten. Sie nutzten die Stunden, um in aller Ruhe das Vorgehen für die nächsten Tage festzulegen. Es galt, das Vertrauen des Gouverneurs zu gewinnen und herauszufinden, wann die Silberflotte eintreffen würde und wie man dann am besten an das Hauptschatzschiff herankommen konnte.

Am nächsten Tag warteten sie bis zur Mittagszeit. Dann machten die beiden Anführer der kleinen Gruppe sich wieder auf den Weg in die Stadt. Am Tor wurden sie kaum beachtet. Wieder im Schwan angekommen wartete bereits eine Nachricht auf Jack. Der Gouverneur ließ ihn und seine Begleiterin zum abendlichen Festbankett einladen. Elena atmete tief durch, als Jack ihr das edle Büttenpapier zeigte. Sie hatte damit gerechnet, dass es eine Weile dauern würde, bis der Gouverneur sie zu sich rief. Aber wahrscheinlich hatte Jacks Aufschneiderei die Sache erheblich beschleunigt.

»Das ging schnell«, murmelte die junge Frau leise.

»Je schneller wir das Vertrauen der hiesigen Würdenträger genießen, desto schneller können wir an der Verwirklichung unserer Pläne arbeiten.«

»Ich hoffe nur, dass heute Abend niemand anwesend ist, der sich am Hofe von Spanien auskennt. Sonst sind wir verloren, bevor wir irgendetwas verwirklichen konnten.«

Jack schluckte eine Erwiderung herunter. Elena hatte in den letzten Stunden kaum eine Gelegenheit ausgelassen, ihn spüren zu lassen, dass sie sein Vorgehen für übertrieben hielt. Allmählich reichte es ihm mit derartigen Vorhaltungen.

»Ich fürchte, die Gefahr das jemand unter den Anwesenden Euch oder Euren Vater kennt, ist wesentlich größer.«

»Wir waren schon sehr lange nicht mehr in Caracas. Und wenn wir hier waren, dann nur um mit den hiesigen Kaufleuten Handel zu treiben. Ich war nie im Palast des Gouverneurs.«

»Dann können wir nur hoffen, dass die Papiere, die wir gefälscht haben, den Gouverneur wirklich überzeugen.«

Elena atmete tief durch. Der Abend würde lang und schwer werden. Sie wollte sich noch etwas ausruhen, bevor sie sich auf den Weg zum Gouverneurspalast begaben.

Nachdem Elena etwa eine Stunde geschlafen und sich dann angekleidet hatte, klopfte sie an die Tür zu Jacks Gemach. Der junge Kapitän, den in der Zwischenzeit die Nachricht erreicht hatte, dass der Gouverneur ihnen eine Kutsche senden würde, hatte sich ebenfalls bereits für den heutigen Abend bereit gemacht. Er trug eine extra für diesen Zweck gekaufte spanische Paradeuniform. Elena schluckte kurz, als Jack die Tür öffnete und nur wenige Zentimeter von ihr entfernt vor ihr stand. Ihr Blick suchte seine Augen.

Jack, dem der Anblick, der sich ihm bot, überaus gefiel, lächelte Elena freundlich an. »Es freut mich zu sehen, dass Ihr bereits fertig seid. Wir werden in Kürze von einer Kutsche des Gouverneurs abgeholt.«

»Das ist erfreulich. Ich glaube, dieses Kleid hätte einen Fußmarsch bis zum Palast kaum unbeschadet überstanden.«

»Das wäre natürlich ärgerlich, meine Liebe«, erwiderte Jack lächelnd. Dass Elena eine attraktive junge Frau war, war für ihn keine Neuigkeit. Dass die Spanierin aber im Kleid einer Edelfrau einen solchen Eindruck auf ihn machen würde, hätte er nicht gedacht. Elena reichte ihrem Begleiter eine Hand, die dieser galant ergriff. Dann führte Jack sie eine Treppe hinunter, wo sie durch die Vorhalle des Goldenen Schwans auf die Tür zuhielten. Die Kutsche ihres wohlhabenden Gastgebers wartete bereits auf die beiden, als sie das Haus verließen.

Die kurze Fahrt durch die Straßen der Stadt verbrachten Elena und Jack schweigend. Beide hingen ihren Gedanken nach, und bei beiden hatten die Gedanken eine Menge mit dem jeweils anderen zu tun. Jack, der schon kurze Zeit, nachdem Elena Teil seiner Crew geworden war, versucht hatte, aufzuhören, sie als Frau zu betrachten und in ihr einfach nur seinen Stellvertreter sah, wurde von einer Woge der Gefühle regelrecht überrollt. Elena hingegen kämpfte schon lange gegen das Gefühl, sich zu diesem jungen Mann hingezogen zu fühlen, an. Heute Abend fiel es ihr besonders schwer, sich ihm nicht direkt an den Hals zu werfen. Aber sie würden Abstand waren müssen. Elena war nichts weiter als die Tochter eines Gönners, die von ihrem Vater ausgesandt worden war, seinen Schützling in die mächtigen Kreise der neuen Welt einzuführen. Wenn man vermuten würde, dass sie und Jack mehr als nur eine geschäftliche Beziehung zueinander unterhielten, würde ihre Tarnung gefährliche Risse bekommen.

Die Kutsche fuhr am Palast vor und die Tür wurde von einem Diener geöffnet. Elena verließ, auf den Arm eines Bediensteten gestützt, das Gefährt und wartete, dass Jack neben ihr aus der Kutsche sprang. Dann hakte sie sich bei ihm unter und die beiden begaben sich die Treppe hinauf auf die geöffneten Flügeltüren des Gouverneurspalastes zu. Auf dem steinernen Treppengelände waren im Abstand von wenigen Metern Fackeln aufgestellt, die den Abend hell erleuchteten. Noch dämmerte es nur, aber in wenigen Stunden würde die Villa des Stadthauptes von den Fackeln in ein warmes Licht getaucht sein.

Elena und Jack betraten die große Vorhalle des Palastes. Sie sahen sich einen Moment um, dann stand auch schon jemand neben ihnen, der eine Liste in der Hand hielt und Jack freundlich nach seiner Einladung fragte. Der junge Mann reichte dem Diener mit einem freundlichen Lächeln auf den Zügen das Schreiben des Gouverneurs. Der Bedienstete deutete eine Verbeugung an, machte ein Kreuz auf seiner Liste und wandte sich dann erneut der Tür zu, um die nächsten Ankömmlinge willkommen zu heißen. Jack, der Elena für einen Augenblick aus den Augen gelassen hatte, wandte sich wieder seiner Begleiterin zu.

Elena lächelte Jack freundlich an und murmelte leise: »Das wäre also schon mal gelungen. Und wir wurden noch nicht verhaftet.«

»Dann hoffen wir mal, dass es zumindest für den heutigen Abend dabei bleibt.«

Elenas Lächeln vertiefte sich für einen Augenblick, bis es von einer Sekunde auf die andere völlig erstarb. Die Gesichtsfarbe der jungen Frau wechselte in ein gefährliches Weiß.

Jack zog beide Augenbrauen fragend zusammen. Dann folgte suchte er nach dem Grund des plötzlichen Schreckens seiner Vertrauten. Am anderen Ende des Raumes stand ein älterer Mann mit schulterlangem weißem Haar. Seine Kleidung und seine ganze Haltung machten den Eindruck eines wohlhabenden Mannes, der es gewohnt war, Befehle zu geben.

Jack flüsterte leise: »Wer ist das?«

»Unser Tod, Jack. Das ist unser Tod.«

Fortsetzung folgt …

Copyright © 2011 by Johann Peters