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Schinderhannes – Dreizehntes Kapitel

Leben und Taten des berüchtigten Johann Bückler, genannt Schinderhannes
Für Jung und Alt zur Lehre und Warnung aufs Neue geschrieben von W. Fr. Wüst, Reutlingen 1870
Druck und Verlag von Fleischhauer & Spohn

Dreizehntes Kapitel

Schinderhannes macht einen Besuch bei seinem Vater.

Gegen Ostern 1802 machte Schinderhannes seinem Vater heimlich einen Besuch. Er hatte ihn lange nicht gesehen und empfand nun eine rechte Sehnsucht nach ihm.

Früher hatte der Sohn dem Vater öfters Geschenke gemacht, und dieser wusste wohl, dass es gestohlenes Gut sei. Ja, er hatte, wenn er in Not war, im Namen seines Sohnes von den Juden öfters Geld erpresst. So war er also gleichsam Teilhaber der Übeltaten und Mitglied der großen gefährlichen Räuberbande.

Dennoch ermahnte er den Sohn und bat ihn flehentlich, seiner bisherigen Lebensart zu entsagen, seine Räubereien zu unterlassen und sich von seinen verworfenen Kameraden für immer zurückzuziehen. Recht nachdrücklich stellte er ihm die schrecklichen Folgen vor, die ein solches verbrecherisches Leben und Treiben unausbleiblich haben müsse.

»Man hat einen Preis auf deinen Kopf gesetzt«, fuhr er fort. »glaubst du nicht, dass sich Leute finden werden, welchen diesen Preis verdienen wollen? Du hast so viele misshandelt, bestohlen und arm gemacht. In ihrem Herzen kocht die Rache. Die Belohnung, die für deine Gefangennahme bestimmt ist, ist ein weiterer Reiz, dir eifrig nachzustellen. Über kurz oder lang musst du also der Gerechtigkeit in die Hände fallen und wirst den Lohn deiner vielen Übeltaten erhalten.«

Schinderhannes fühlte die Wahrheit dieser Vorstellungen ganz. Sein gesunder Verstand hatte ihm das Nämliche schon oft gesagt. Die Stimme Gottes, sein Gewissen, hatte gar oft schon zu ihm gesprochen und ihn gewarnt. Darum versprach er auch seinem Vater Besserung und gab ihm die Hand darauf. Wirklich verließ er denselben mit dem ernstlichen Vorsatz, das Versprechen zu halten und ein anderer Mensch zu werden. Fr sprach darüber auch mit einem rechtschaffenen Mann in dieser Gegend, worauf er sich in seinen gerichtlichen Aussagen berief, ob es kein Mittel für ihn gebe, in die bürgerliche Gesellschaft zurückzukehren. Er verzweifelte aber an dieser Hoffnung und fasste nun den Vorsatz, sein Vaterland zu verlassen und in Deutschland unter die Soldaten zu gehen, wenn ihm kein anderes Mittel übrig bleibe. Er beschloss daher, sich sogleich auf das rechte Rheinufer zu begeben, was er auch ausführte.