Timetraveller – Episode 35
IFÖS Compound Saudi-Arabien, 19.12.2013
»Andres?«
Peter Andres, geboren und aufgewachsen in Frankfurt am Main, Klassenkamerad von Joyce La Fayette – und einer ihrer frühen Eroberungen, wie er hin und wieder in geselliger Runde preisgab – verdrehte die Augen, als er die Stimme seines Vorgesetzten hörte.
Seit Wochen dachte er daran, dem Unternehmen den Rücken zu kehren. Mehr und mehr störte ihn, was sie hiertaten.
Was er tat.
Ihm erschien es zunehmend falsch, eine Horde schwerreicher Idioten in einen Glider zu setzen, dessen Technik bei einer gelungenen Spionage-Aktion entwendet worden war, sie zu Welt Primeval 01 zu karren und ihnen dort in einer speziell für sie erschaffenen Anlage jeden nur erdenklichen Saurier vorzuführen.
Saurier, die andere unter Einsatz ihres Lebens auf Terra und auch auf anderen Welten eingesammelt und nach P-01 geschafft hatten.
Die Verantwortlichen hatten dabei wild gemixt, was Natur und Evolution durch Jahrmillionen trennten. So kam es, dass drei Meter lange Pareiasauridae aus dem Perm von allseits bekannten T-Rex oder einem Raptor aus der Kreide gejagt wurden, während über ihnen der Archaeopteryx aus der Jura kreiste; zwischen dem ältesten und dem jüngsten Saurier lagen so knapp 200 Millionen Jahre.
Während der Umsiedlung waren 17 Mitarbeiter der IFÖS und insgesamt 328 Tiere gestorben. Vier davon waren erstickt, als sie sich an den Arbeitern verschluckten …
Das Klima, mehr aber noch die Luft-Zusammensetzung hatte es vielen Tieren nicht leicht gemacht, dort zu leben. Ein Saurier, der an 18 Prozent Sauerstoff gewöhnt ist, tut sich bei der Hälfte schwer.
Andere wiederum waren aufgeblüht; wer an vier Prozent Sauerstoff gewöhnt ist, empfindet das Doppelte als äußerst angenehm!
Inzwischen, drei Jahre, nachdem die letzten Bauarbeiten und Umsiedlungsprogramme abgeschlossen waren, lebten auf P-01 35.890 Tiere. Nicht alle waren umgesiedelt worden, denn auf P-01 hatte bereits ein stabiler Bestand existiert.
Hinzu kam die erste Generation jener Tiere, die auf P-01 geboren worden war. Als besonders fruchtbar hatten sich dabei Compsognathen und die Raptoren erwiesen.
Auch wenn die Compys aussehen wie Hühner, so vermehren sie sich doch wie Kaninchen – ein Spruch, den die Paläontologen mehr als einmal gemacht hatten.
Der Brachiosaurus hingegen war ein eher scheuer Zeitgenosse, wie sich zeigte. Sie vermehrten sich nur sehr zögerlich; gerade einmal vier Babys waren bislang verzeichnet worden.
Das Besucherzentrum selbst war eine Anlage, wie sie moderner und luxuriöser nicht sein konnte. Errichtet inmitten einer Region, die einen besonders guten Blick auf einen Großteil der Saurier bot, verfügte sie über zehn Gästezimmer, eine große Küche, einen Spa-Bereich sowie über die Start- und Landeplätze der Glider.
Unzählige Kameras und Drohnen überall auf P-01 sorgten dafür, dass die Gäste zu jeder Tages- und Nachtzeit die Tiere auf großen LED-TV-Geräten beobachten konnten.
Das Programm, auf vier Tage angelegt, sah am zweiten Tag eine Fahrt mit der 500 Kilometer langen Monorail vor, welche in 150 Metern Höhe über das Areal führte.
Am dritten Tag wiederum stand ein Flug mit dem Featherbird an; ein ultraleichtes und nahezu geräuschloses Flugzeug, das hoch am Himmel flog, dank Kameras die Welt unter ihm auf einen großen Monitor zauberte und gelegentlich mit einer Herde Flugsaurier flog, um den Gästen ein besonderes Erlebnis zu bieten.
Das Personal der Anlage war auf ein Minimum beschränkt, dauerhaft stationiert war nur eine Wartungs-Crew. Küchen- und Zimmerpersonal reiste hingegen mittels eines automatisch agierenden Gliders ohne eigenen Piloten knapp acht Stunden vor den Gästen zur Anlage, um sich auf die Ankunft der Zeit- und Welten-Touristen vorzubereiten.
Die Touristen; jeder von ihnen zahlte genau 1.500.000 Dollar, legten wert auf einen Piloten im Cockpit. Auch wenn der Glider weitestgehend autonom sein Ziel ansteuerte, gab ihnen die Anwesenheit eines Menschen im Cockpit ein beruhigendes Gefühl.
Und gute Gefühle waren es, mit denen dieser kleine Zweig der IFÖS, der Interdisziplinären Forschungseinrichtung Östlicher Staaten – eine Abspaltung der SSSK – ihr Geld machte.
Hätten die Millionäre und Milliardäre gewollt, dass eine ausgebildete Krankenschwester an dem Flug teilnahm und ihnen alle eine Impfung gegen Saurierbisse verpasste, sie hätten auch dies erhalten.
Waren die Kunden zufrieden, prahlten sie im verschwiegenen Kreis und reichten die Kontaktnummer weiter.
»Andres? Da sind Sie ja!« Ludger van Beeren, Flugleiter bei W & T Travel, wie das Unternehmen offiziell hieß, klang ein wenig ungeduldig. Seit zwanzig Minuten suchte er seinen Untergebenen, doch dieser hatte sich nicht blicken lassen.
»Der Flug beginnt in zehn Minuten! Wo sollte ich sonst sein?«, fragte Peter Andres unschuldig. »Jeder Pilot betritt eine halbe Stunde vor dem Start die Kabine, bereitet sich auf den Flug vor und legt die Uni…«
»Schon gut, Sie haben recht!« Ludger van Beeren winkte ungeduldig ab. Er war sich sicher, dass sich Andres absichtlich nicht gemeldet hatte. In den letzten Wochen war der Mann ein wenig … seltsam. Noch aber gab es keinen Grund, ihm eine Verwarnung auszusprechen.
Warum auch? Weil er war, wo er hätte sein sollen, und lediglich nicht geantwortet hatte? Im Zweifel konnte er behaupten, unter der Dusche gestanden zu haben.
Weil er nicht mehr lächelte, wie er es früher getan hatte?
Nein, es gab keinen Grund, ihn zu verwarnen.
Noch nicht.
Ging es so weiter, dessen war sich van Beeren sicher, würde es nicht mehr lange dauern, und Andres baute Scheiße.
»Was ist los mit Ihnen?« Ludger van Beeren wollte nicht, dass es so weit kam. Andres war ein verflixt guter Pilot. Ein Mann der ersten Stunde. Wenn etwas an ihm nagte, konnte man es eventuell aus der Welt schaffen. Ein vorgezogener Bonus oder ein langfristiger Mitarbeiterkredit konnte finanzielle Sorgen beiseiteschaffen.
Ein paar Tage Urlaub kitteten eventuelle Beziehungsprobleme.
Wenn alles nichts half, konnte man einen gedienten Veteranen auch mal befördern. Andres stand ohnehin auf der Liste. Wenn dies ein Lächeln auf das Gesicht des Mannes zauberte …
»Ich bin … unzufrieden!«, gab Andres zu. »Zu Beginn war es spannend, zu einer fremden Welt zu reisen. Aber seit drei Jahren ist es Routine; Welt P-01 hin, Welt P-01 zurück. Wir forschen nicht, wir fliegen lediglich schwerreiche Idioten zu einem Ressort!«
Ludger van Beeren gestattete sich ein Grinsen. »Bei einem Gehalt von 50.000 im Monat sind Sie ebenfalls inzwischen schwerreich!«
»Aber kein Idiot!«, erwiderte Andres, was beide Männer grinsen ließ, ehe Andres wieder ernst wurde. »Geld ist nicht alles. Ich möchte auch … Erfüllung und … Herausforderung in meinem Beruf.« Er seufzte. »Zudem halte ich das gesamte Projekt für falsch. Wir haben einfach Spezies gemischt, geben einen Dreck auf ihr Befinden und stellen sie aus. Daran … möchte ich mich nicht mehr beteiligen.«
»Verstehe«, erwiderte van Beeren. »Ja, ich kann Sie gut verstehen! Und ich bin froh, dass Sie so offen sind. Wie wäre es, wenn ich Sie in unsere Erkundungsdivision versetzen lasse? Ein völlig anderes Thema, Herausforderung …«
»Das wäre großartig!«, stieß Andres hervor. »Ich bin ein guter Pilot, ich werde niemanden enttäuschen!«
»Sie sind ein verdammt guter Pilot. Nur – ich habe Sie falsch eingeschätzt. Dachte, Sie würden gerne eine ruhige Kugel schieben. Dabei wollten Sie die ganze Zeit mehr …« Er klopfte Andres auf die Schulter. »Gut, dass wir darüber gesprochen haben!« Damit wandte er sich um.
»Sie haben mich nicht deswegen gesucht, oder?«
Sein Vorgesetzter stoppte. »Ach so, das … Ich wollte Ihnen sagen, dass wir heute einen Prinzen aus dem Königshaus auf der Tour haben. Er zahlt mehr, um gleich nach dem Eintritt einen Überflug zu erhalten. Ich habe ihm 45 Minuten versprochen!«
Andres hob den Daumen. 45 Minuten, das war nichts. Er würde eine Herde Brachos aufspüren und ein weniger tiefer als erlaubt fliegen. Dann noch den T-Rex aus nächster Nähe, und der Prinz würde ihm ein saftiges Trinkgeld in die Hand drücken.
Geld, so wusste er, konnte man nie genug haben. Vor allem nicht, wenn er künftig für die Erkundung arbeiten würde.
Die vollständige Story steht als PDF, EPUB, MOBI und AZW3 zur Verfügung.
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