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Der Mann, der nicht sterben konnte

Der Mann, der nicht sterben konnte

Fünfmal blickte Byson Kaula dem Tod ins Auge und fünfmal sprang er dem Sensenmann im wahrsten Sinn des Wortes wieder von der Schippe.

Der Grund hierfür ist ebenso banal wie erschreckend. Die Geschichte dieses Mannes ist deshalb so unfassbar, spielt sie doch nicht im tiefsten Mittelalter, in den dunklen Jahren irgendwelcher Hexenverfolgungen und Teufelsaustreibungen, sondern in unserer Zeit.

Genauer gesagt begann alles im Jahre 1992, im Grenzgebiet zwischen Malawi und Südafrika.

Aber der Reihe nach.

Byson Kaula kehrte damals aus Südafrika in seine Heimat Malawi zurück und übernahm eine Farm, auf der er Obst, Weizen, Mais und Maniok anbaute, und zwar so erfolgreich, dass er schon bald fünf Mitarbeiter beschäftigte.

Kaulas Aussagen nach wurden seine Nachbarn dadurch allmählich so neidisch, dass sie ihm die Pest an den Hals wünschten.

So kam es schließlich, wie es kommen musste.

Er behauptet zwar heute noch, dass es nur eine Verkettung unglücklicher Zufälle war, die ihn als Mörder dastehen ließen, aber die Justiz war anderer Meinung.

Kaula sagte damals, dass es diese Nachbarn waren, die einem seiner Angestellten aufgelauert und ihn so schwer verletzt hätten, und nicht er. Er hätte sich lediglich um ihn gekümmert, und als er den Mann eines Tages zur Toilette bringen musste, weil er aufgrund seiner Verletzungen nicht gehen konnte, sei er ausgerutscht und der arme Kerl derart unglücklich gestürzt, dass er noch im Krankenhaus verstarb.

Das Gericht glaubte ihm jedoch kein Wort und klagte ihn stattdessen des Mordes an. Auf Mord stand in Malawi unter dem damaligen Diktatur Kamuzu Bandas aber die Todesstrafe, und so wurde er in den Todestrakt des Gefängnisses von Zomba gebracht, wo er auf seine Hinrichtung wartete.

Zwei Monate harrte Kaula in seiner Zelle aus, dann reiste der Henker an.

Der Mann, der aus Südafrika kam und in den umliegenden Ländern herumreiste und dort sehr gut von seinem makabren Broterwerb lebte, weil er einer der Wenigen war, die sich mit Falltür, Henkersstrick und Co auskannten, nahm sich des Todeskandidaten von Zomba, einundzwanzig an der Zahl, an und richtete einen nach dem anderen hin.

Die Exekutionen begannen um 13 Uhr.

Dann geschah das Unfassbare.

Als noch drei der zum Tode Verurteilten übrig waren, unter ihnen auch Kaula, stellte der Henker seine Arbeit ein.

»Es ist zu viel, ich kann nicht mehr, ich bin müde. Ich komme nächsten Monat wieder.«

Damals war er fast verrückt vor Angst, sagte Byson einmal, in der Zwischenzeit kann er den Mann verstehen.

 

***

 

Das Unglaubliche an dieser Geschichte ist, dass Kaula auch beim zweiten Termin des Henkers nicht mehr an die Reihe kam und auch beim dritten Mal verschont wurde, weil der Henker irgendwann einfach zu müde war.

Der todgeweihte Kaula nahm sein Schicksal aber nicht als Glück wahr, sondern zerbrach an dem psychischen Druck, dreimal aus der Todeszelle geholt zu werden, auf den Galgen zu warten und dann wieder umdrehen zu können. Er versuchte zweimal, sich das Leben zu nehmen, aber auch das schlug fehl.

Es hatte den Anschein, als ob Byson Kaula tatsächlich nicht sterben konnte.

1994, nach dem Ende der Diktatur in Malawi, wurde durch den neuen Präsidenten Bakili Muluzi die Todesstrafe ausgesetzt und in Haftstrafen umgewandelt.

Kaula wurde nach 23 Jahren schließlich endgültig aus dem Gefängnis entlassen.

Seine Frau war verstorben, die Kinder verzogen, die einstige Musterfarm zerfallen und von Unkraut überwuchert. Heute kehrt Kaula jedes Wochenende in das Gefängnis von Zomba zurück, um anderen Gefangenen beizustehen.

Das, was er erlebte, hat ihn unter den Menschen seiner Region zu einer lebenden Legende gemacht und ich bin sicher, es gibt auch hier viele Menschen, die über dieses Schicksal nur den Kopf schütteln können.

Quellenhinweis:

(gs)