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Sir Henry Morgan – Der Bukanier 24

Kapitän Marryat
Sir Henry Morgan – Der Bukanier
Aus dem Englischen von Dr. Carl Kolb
Adolf Krabbe Verlag, Stuttgart 1845

Vierundzwanzigstes Kapitel

Morgans Vorbereitungen in großartigem Maßstab. Ein Blick in den Zustand seines Geistes und mehrere wichtige Gespräche.

Wir kommen nun an die glorreichste von Morgans Taten, welche, was militärische Haltung und erfolgreiche Kühnheit betrifft, keiner in der Geschichte nachsteht, selbst die Heldentaten des Altertums nicht ausgenommen. Allerdings ging sie aus unwürdigen Motiven hervor und wurde durch eine Grausamkeit geschändet, welche einen Krieg auch für den tapferen Sieger unrühmlich macht. Die Grausamkeit ist nicht immer der natürliche Verbündete der Feigheit, sondern wählt nur zu oft auch den Mut zu ihrem Begleiter. Und dieser Bund gebiert Schändlichkeiten und Schrecken, über deren Bericht die Menschheit schaudert. Kein Heerhaufen, von dem die Geschichte spricht, zeigte mehr Mut, als derjenige, welchen Morgan triumphierend über die Landenge von Darian führte. Wenn es je einen grausameren gegeben hat, so verabsäumte die Weitgeschichte, auf all ihren vielen Blättern darüber Bericht zu erstatten.

Wir erblicken in Morgan die Seele und das Leben einer zahlreichen und tapferen Flotte, deren Schiffe allerdings nur klein waren; aber sie führten kühne Männer an Bord, welche zu sterben und sogar im Tod ihre Partie siegreich zu machen wussten.

Nachdem sie am Kap frisches Wasser und Holz eingenommen hatten, gab der Admiral das Zeichen zum Beilegen und beschied unmittelbar darauf seine siebenunddreißig Kapitäne wie auch den Rear- und Vize-Admiral an Bord seines eigenen Schiffes. Die ernsten, finsteren Männer, welche dieser Berufung Folge leisteten, bildeten eine wunderlich gemischte Gruppe. Sie trugen damals nicht die Auszeichnung einer Uniform, aber jeder Kommandeur hatte sich in so kriegerischer Weise herausstaffiert, wie es seine Mittel gestatteten oder sein Geschmack zweckmäßig fand. Diese Krieger hielten sich weniger für Seeleute als für Soldaten, und alle bis auf vier, waren mehr oder weniger durch Panzer geschützt. Es war in der Tat eine wild aussehende, rauhaarige und großartige Bande, die in ihrer Haltung einer Art Banditenwildheit an den Tag legte.

Kraft seiner Bestallung war Henry vom Stellvertreter des Königs nicht nur zum Admiral, sondern auch zum General dieser furchtbaren Streitkraft ernannt und vollkommen ermächtigt worden, alle Stellen unter seinem Kommando zu vergeben. Zuvörderst nun hielt er es, weil ihm die alten Bukaniergesetze namentlich für seine eigene Person nicht zureichend schienen, für zweckmäßig, seine Leute einen neuen Vertrag unterzeichnen zu lassen. Nachdem er die Offiziere unter dem Zelt seines Halbdecks versammelt hatte, hielt er an sie eine gewinnende Rede voll Milde und schwunghafter Ausdrücke über Ehre, Gerechtigkeit und Menschlichkeit, zugleich der ganzen Flotte durch ihre versammelten Repräsentanten folgende Bedingungen bietend:

Er, Morgan, solle als Oberbefehlshaber von der ganzen Beute ein volles ungeschmälertes Viertel erhalten. Desgleichen habe jeder Kapitän je nach dem Umfang seines Schiffes außer seinem eigenen Antheil eine achtzehn- oder zwölffache Mannsportion anzusprechen.

Wer zuerst die englische Flagge auf ein feindliches Schiff oder Fort pflanze, solle zehn Pfund Sterling erhalten.

Wer, wenn es sich um Einzug von Nachrichten handle, einen Gefangenen mache, solle mit zwanzig Pfunden bedacht werden.

Ein Grenadier solle für jede Granate, die er in ein Fortbringe, ein Pfund anzusprechen haben. Wer unter Lebensgefahr einen Offizier von Auszeichnung gefangen nehme, solle zu dem Lösegeld desselben berechtigt sein. Der Verlust von zwei Beinen sei mit dreihundertfünfzehn Pfund Sterling oder, wenn deren vorhanden wären, mit fünfzehn Sklaven zu vergüten, je nach der Wahl der verstümmelten Person.

Der Verlust beider Arme berechtigte den Beschädigten zu einhundertfünfzwanzig Pfund oder achtzehn Sklaven.

Ein Bein oder Arm, ohne Unterschied des rechten oder linken, fünfhundert Kronen oder sechs Sklaven. Ein Auge hundert Kronen oder ein Sklave. Für gänzliche Blindheit zweitausend Kronen oder zwanzig Sklaven. Für einen Finger hundert Kronen oder ein Sklave. Sollte ein Glied des Körpers unbrauchbar werden, ohne ganz verloren zu gehen, so solle dieselbe Entschädigung statthaben, wie bei wirklichen Verlust. Werde jemand so schwer im Leib verwundet, dass er eine Krücke brauche, so solle er vierhundert Kronen oder vier Sklaven erhalten.

Alle diese Entschädigungen sollen unabhängig sein vom individuellen Beuteanteil des Einzelnen und getreulich ausbezahlt werden, ehe es an die Teilung der Beute komme.

Diese Regulationen waren gewiss freisinnig und billig, da die Glieder und das Augenlicht des Admirals nicht höher angeschlagen wurden, als die des gemeinsten Schiffsjungen. In dieser Hinsicht könnten wir den Bukanier einen nützlichen Wink entnehmen.

Auch wurde noch eine weitere Bestimmung vorgeschlagen, des Inhalts, dass das erste Schiff, welches eine Prise von größerem Wert als zehntausend Kronen nehme, tausend davon für sich behalten und im Übrigen gleich mit der ganzen Flotte teilen solle.

Die übrigen Regulationen waren dieselben, welche wir schon früher erwähnt haben.

Alle diese Vorschläge wurden von den verschiedenen Kommandeuren durch Zuruf genehmigt und jede Einwilligung mit einem Glas Wein und einem dröhnenden Hurra bestätigt. Nachdem alle, welche schreiben konnten, mit ihren Namen, die anderen aber mit ihren Kreuzen unterzeichnet hatten, wurde die wirksamere Zeremonie, eine Verleihung von regelmäßigen Bestallungen an diejenigen Kapitäne vorgenommen, welcher eine derartige Auszeichnung bisher gefehlt hatte. Dann ließ sich Morgan als Admiral und General durch einen feierlichen Eid Treue geloben. Dabei war einen besondere Klausel angeführt, dass die Schwörenden in allen Teilen gehorchen und nie die Gerechtigkeit oder Gesetzlichkeit eines erlassenen Befehls beanstanden wollten. Die Verhandlungen des Tages schlossen mit einem Flottendiner.

Da die Flotte jetzt unter regelmäßigen Bestallungen und als ein Teil von Großbritanniens Seemacht segelte, so schickte sich Morgan an, ihr eine neue Gestaltung zu geben. Er teilte sie in zwei Linien und hisste auf seinem eigenen Schiffe eine rote Flagge mit einem weißen Kreuz am Hauptmaste auf. Die Satisfaktion sollte im Kampf den Luvflügel schließen. Jedes Schiff des Letzteren führte am Pic seines Besanmastes dieselbe rote, weißgekreuzte Flagge, am Bugspriet aber und an der kurzen, darauf aufrechtstehenden Stange den königliche Wimpel. Die weiße Linie hatte Joseph Bradley als Befehlshaber, der zum Vizeadmiral mit den militärischen Rang eines Obristen ernannt worden war. Er führte an seinem großen Mast eine weiße Flagge mit drei kleinen, roten Quadraten in einer ihrer Ecken. Dieselbe Flagge befand sich am Besanmast eines jeden Schiffes der Lee-Division, während der königliche Wimpel auf gleiche Weise von den Bugsprieten flatterte wie bei der anderen Linie. Außer dem Vizeadmiral hatte auch jede Linie ihren Rear-Admiral, und jeder dieser Admirale war mit militärischem Rang versehen.

Morgan unterwies sodann seine Kommandeure über die Privat- und Manöversignale für Tag und Nacht – mit einem Wort, er organisierte seine Flotte weit besser, als es je zuvor üblich oder auch nur bekannt gewesen war. Die siebenunddreißig Schiffe konnten daher in demselben Einklang handeln, wie ebenso viele Menschen, die unter dem Kommando eines erfahrenen Kapitäns ein Kompagnie bilden.

Aber ungeachtet dieser mannhaften Ausrüstung konnte Henry Morgan nicht umhin, die Bedenken seines Freundes, des Sir Thomas Modiford, in vollem Maße zu teilen. Sie hatten sich auf eigene Verantwortung hin zum Krieg in einem großartigen Maßstab ausgerüstet und noch obendrein zum Krieg mit den Untertanen einer Macht, mit welcher ihr Gebieter und ihre Nation im freundschaftlichsten Verhältnis standen. Es war jetzt von unendlichem Wert, einen Vorwand zu gewinnen, denn die nichtautorisierten kleinen Angriffe, welche von einigen nichtenglischen Piraten an der Küste von Jamaika verübt wurden, konnten kaum einen so bedeutenden Einfall in das spanische Gebiet mit all dem feierlichen Pomp eines erklärten Kriegsstandes rechtfertigen.

Zum Glück für Morgan und Modiford musste es sich fügen, dass der Rear-Admiral Collier an Bord einer der Prisen, welche er in dem La Hacha gemacht hatte, unter seinen Gefangenen zwei Personen mitbrachte, welche sich bewegen ließen, Folgendes zu beschwören:

Den 29. November 1670.

Eidliche Angabe des Marcus de Cuba, eines Spaniers, Meisterpilot auf der Galerdeene-Prise, geboren auf den großen Kanarien, Alter ungefähr siebenundvierzig Jahre. Nachdem ihm der Eid abgenommen worden, sagte er Nachstehendes aus: Er habe gesehen, wie zu Carthagena die Soldaten gemustert worden und alles in Waffen sei zum Angriffskrieg gegen die Engländer. Ferner sagt er, dass mehrere spanische Schiffe vom Präsidenten Panamas, Don Juan Perez de Guzman, Kaperbriefe erhalten hätten, in deren Besitz sie noch jetzt seien. Dieselben hätten mehrere Engländer genommen. Auch ermutige man die Spanier gegen die Insel Jamaika, namentlich auf die Grundlage hin, dass Alt-Spanien eine Flotte für diese These ausgestattet habe, welche unter dem Kommando eines Don Alonzo stehe. Dies sei alles, was er anzugeben wisse.

Beschworen und niedergeschrieben in obigem Jahr und an obigem Jahrestage im Beisein von Henry Morgan, (es folgen die Unterschriften der übrigen Flottenoffiziere)

Die andere Angabe eines gewissen Lucas Perez war ein wenig ausführlicher. Er beschwor nicht nur, was der andere ausgesagt hatte, sondern erklärte noch obendrein, es seien zwei Schiffe gegen Jamaika ausgerüstet worden, das eine mit achtzehn, das andere mit zwölf Kanonen. Ferner habe der Präsident von Panama mehrere Kaperbriefe gegen die Engländer erteilt, in deren Folge einige englische Schiffe genommen worden seien. Auch diese Aussage wurde wie die vorstehende beschworen.

Diese Dokumente, welche man als ein sehr glückliches Zutreffen betrachtete, wurden augenblicklich an Sir Thomas Modiford abgeschickt. Morgan säumte nicht, sie durch die Flotte zu veröffentlichen, und gab sich alle Mühe, den unter seinem Befehl Stehenden die Überzeugung einzuflößen, dass sie nun in einem gerechten, gesetzlichen Krieg begriffen seien. Sie sollten sich daher mit all dem Mut und der Würde benehmen, welche Soldaten gebühren, die in der Sache ihres gesetzlichen Königs streiten.

Am nämlichen Abend wurde ein abermaliger Kriegsrat gehalten, um die Zweckmäßigkeit einer Abweichung von den Instruktionen des Gouverneurs zu erwägen.

Nachdem alles bereinigt worden war, speisten wie gewöhnlich die Kapitäne oder doch die Kommandeure der Hauptschiffe beim Admiral. Der Abend wurde in der herkömmlichen Heiterkeit verbracht. Als sie im Begriff waren, zu ihren Schiffen aufzubrechen, behielt Morgan Bradley zurück, und so befanden sich um acht Uhr abends die beiden Freunde allein bei vortrefflichem Teres, für den unser Held eine mehr als heldenhafte Vorliebe gewonnen hatte.

»Vizeadmiral und Obrist Bradley, es macht mir ein großes Vergnügen, zum ersten Mal Euch als einem Offizier Sr, Majestät, Karls II., zuzutrinken«, sagte Morgan mit spöttischer Gravität.

»Ich erwidere den Trinkspruch von ganzem Herzen, Admiral«, antwortete Bradley. »Aber glaubst du, dass wir unter der königlichen Bestallung besser fechten werden?« »Für dich und mich kann dies keinen Unterschied ausmachen«, antwortete Morgan, »denn unser Mut ist feine Tugend, die sich um eines so geringfügigen Umstandes willen ändern lässt. Die anderen dagegen werden umso schlechter kämpfen, denn kein Ruf ist so begeisternd als Sieg oder der Galgen! Vor dem Letzteren sind wir jetzt sicher. Aber ich will die Schufte in eine Lage versetzen, dass es bei ihnen heißen soll: Entweder Sieg oder etwas Schlimmeres als Meister Dreibein. Joseph, dies soll unser letzter Kreuzzug sein. Was sagst du dazu, wenn wir unser altes Besitztum zu Barbados wieder ankauften?«

»Von Herzen gern, Heinz; und wenn wir unsere einzelnen Tausende zu zehn gemacht haben – hurra nach Wales, zu den Bergen und dem alten Schloss!«

»Wenn du so willst, wünsche ich dir alles Glück, aber mir ist der Wurf in diesen Zonen gefallen. Meine junge, zarte Frau könnte nicht leben in den erkältenden Nebeln unserer Heimat. Und ich fürchte, auch mir würden sie nicht mehr zusagen, Joseph. Meine körperliche Kraft scheint abnehmen zu wollen, und der Durst quält mich unablässig. Gib das Glas herüber. Es ist immerhin etwas Angenehmes um den Durst.«

»Morgan, erlaube mir, dir zu bemerken, dass du dich in der letzten Zeit nicht so gut gehalten hast, als diejenigen, welche dich lieben, wünschen könnten. Ein verheirateter Mann sollte ein regelmäßigeres Leben führen.«

»Das soll auch geschehen, nur im Augenblick noch nicht. Weißt du auch, Joseph, dass ich, um mir auch nur den Schein von Glück und Zufriedenheit zu wahren, unaufhörlich meine Blicke auf meine Erfolge im Leben, meine Stellung und meinen Ruf heften muss? Wie hohl ist nicht das Glück, wenn man es völlig erreicht hat!«

»Nicht, wenn man rechtlich dazu gekommen ist. Verzeiht mir meine Derbheit, Admiral.«

»Von Herzen gerne, Joseph. Aber was haben wir gewonnen, als wir rechtlich und tugendhaft waren? Der Mensch findet nirgends Glück, als in der Aufregung.«

»Und sind deine Begriffe über geistige Dinge noch immer dieselben?«

»Vollkommen. Der Mensch ist seine eigene Vorsehung. Und dennoch gibt es ein Geschick, obwohl es nicht unwandelbar ist. Hat es dir weh getan, Bradley, dass ich Collier und nicht dich auf die La Hacha-Expedition schickte?«

»Durchaus nicht, Morgan. Du hieltest ihn wohl für ebenso tapfer, aber für geschickter, als mich?«

»Keineswegs, mein tapferer Freund, durchaus nicht. Ich wusste nur, dass er grausamer war. Dieser Feldzug soll als die letzte meiner Anstrengungen die glänzendste und erfolgreichste sein. Du kennst meinen alten Satz – mein Glück mit Blut zu taufen. Es erregt dir Grauen, wenn du diese Spanier foltern sollst. Du könntest sie wohl gewandter besiegen als Collier, aber was die Daumschrauben, das langsame Feuer und das Ablösen von Gliedern betrifft, ach, Bradley, du würdest der Flotte nicht viel mehr zurückgebracht haben als den Ruhm.«

»Ich kann einmal nicht anders. Aber willst du mich bei der nächsten Gelegenheit entschädigen? Als der Zweite im Kommando habe ich ein Recht, diesen Ehrenposten zu fordern.«

»Den sollst du haben, aber jetzt zur Sache. Könnt ich nur St. Katharina festhalten und so eine kleine Handhabe an das spanische Festland gewinnen. Was sagst du zu einem neuen Reich in der Neuen Welt? Ich könnte verteidigen, was ich gewonnen habe und es noch obendrein ausdehnen. Ja, Bradley von Küste zu Küste, vom Norden bis zum Süden.«

»Zu welchem Zweck, mein Freund? Du bist kinderlos und wirst es wahrscheinlich bleiben, wenn man aus dem zarten Gesundheitszustand deiner Frau einen Schluss ziehen darf.«

»Despotische Souveräne können Gesetze bezwingen und machen.«

»Wenn du solche Ideen hast, so bin ich nicht auf deiner Seite.«

»Ich fürchtete es und doch freut es mich. Freilich, ich hatte einmal eine verwandte Seele. Doch fassen wir die Gegenwart ins Auge. Mein Plan geht auf Panama.«

»Auf Panama?«, rief Bradley, erstaunt aufspringend. »Willst du mit deinen Schiffen durch die Luft segeln oder bist du so toll, zu glauben, dass wir das Kap Horn umschiffen können?«

»Keines von beiden, und doch, verlass dich darauf, werde ich nach Panama kommen. Wer glaubst du wohl, dass jetzt der Präsident sei?«

»Das wissen wir alle – Don Perez de Guzman, ein behutsamer Befehlshaber und ein sehr tapferer Mann.«

»Dieser behutsame Befehlshaber und sehr tapfere Mann ist der einzige Bruder des Don Alonzo de Guzman, den ich vom Wrack in der Cardigan-Bay geholt habe. Könnte nicht auch Don Alonzo dort sein?«

»Und seine Frau, die schöne Lynia?«

»Und wenn es wäre? Ah, und wenn es wäre?«

»Und wenn es wäre, so ist gewiss nicht weniger eine Mrs. Morgan zu Jamaika.«

»O Jammer! Aber was ist sie mir, wenn ich an die großartigen Zwecke meines Lebens denke?«

Bradley lächelte bitter und dachte: Kann dieser Mann ein Held sein, wenn er Ehebruch und wahrscheinlich Schändung für die großartigen Zwecke seines Lebens hält? Er sprach zwar nicht aus, was in seinem Inneren vorging, aber Morgan erriet dennoch den Inhalt seiner Gedanken.

»Nein, Bradley, denke nicht gemein von mir. Ich werde stets Amelia Morgan, das arme, gebrechliche Ding hegen und pflegen! Aber du weißt, welche Breite man in diesem Weltteil der Moral gestattet, und dass ich im besten Fall nur ein tapferer Bukanier bin. Als solchen hat sie mich geheiratet. Auch ist es möglich, dass weder Don Alonzo noch seine Gattin in Panama sind. Aber erinnere dich, dass ich diesem weit berufenen Präsidenten mein Kriegerwort gegeben habe. Ich versprach ihm, vor Ablauf von zwölf Monaten bei ihm einzukehren, und die Zeit entschwindet rasch. Ich will Wort halten – und sollte ich diesen Alonzo treffen, so darf es dich nicht Wunder nehmen, wenn ich daran denke, wer mich so in die Welt hinausgestoßen und mich zu dem Piraten, zu dem Desperado gemacht hat, als welchen mich die Leute zu bezeichnen belieben.

»Du würdest das Haar seines Hauptes krümmen, wenn er jetzt gefesselt zu deinen Füßen läge.«

»Würde ich nicht? Ah, wohl, aber sein Reichtum, sein Weib?«

»Du würdest sie heilig halten.«

»Na, sprechen wir jetzt von weniger romantischen Dingen. Einige meiner Beweggründe, warum ich Kuba zu nehmen wünsche, kann ich nicht eingestehen. Indes gibt es doch noch viele, die gut und rechtfertigbar sind. Wir müssen die Instruktionen des Gouverneurs beiseitesetzen und vorderhand Kuba gehen lassen. Leite du die Sache für mich ein und bringe Panama als unseren Bestimmungsort in Vorschlag. Ich werde dergleichen tun, als gäbe ich nur eine kalte Zustimmung zu der Idee. Es wäre mir lieb, wenn es den Anschein gewänne, als sei ich überstimmt worden. Der Reichtum des Gebietes ist ungeheuer.«

»Und ein passenderer Bestimmungsort ließe sich für unsere wackere Streitmacht nicht auffinden. Nur ist ein wichtiges Hindernis vorhanden – die Schwierigkeit, hinzukommen.«

»Überlass das mir, mein teurer Freund morgen früh wollen wir die Formalitäten eines Kriegsrats noch einmal durchsprechen.«

Während dieses Gesprächs hatten die beiden Freunde reichlich getrunken. Nun trat eine Pause ein, welche für eine geraume Weile weder der eine noch der andere unterbrechen zu wollen schien. Die Lampe, welche über ihren Häuptern hing, war vernachlässigt worden und brannte nur trübe. Das Schiff stahl sich langsam durch das Wasser, und die Hitze war übermäßig.

Die häufigen Libationen hatten die Einbildungskraft der beiden Abenteurer ein wenig in Unordnung gebracht. Sie versanken in eine tiefe Melancholie.

Endlich sagte Bradley in gedämpfter, feierlicher Stimme: »Henry Morgan, wie viele Menschen hast du im Laufe deines kurzen Lebens erschlagen?«

»Wie meinst du dies, Joseph Bradley? Als Kommandeur und durch die Hände anderer mehr als tausend – vielleicht sogar zweitausend.«

»Mit eigener Hand?«

»Vielleicht vierzig.«

»In ehrlichem Kampf?«

»In ehrlichem Kampf – mit Säbel, Muskete oder Pistole.«

»Und wie viele hast du ermordet?«

»Das ist eine vorlaute Frage. Ich habe nie gemordet. Die Leute sind unter der Folter gestorben, wenn sie hartnäckig waren; aber da ist von keinem Morden die Rede, sondern nur von Vergeltung, und sie waren Spanier. Einige, welche die Folter schlechter trugen, habe ich erschlagen; aber auch dies war kein Mord, sondern Erbarmen. Drei oder vier überlistete ich, sodass sie den Tod fanden; aber auch dies waren keine Ermordungen, sondern nur Duelle, denn sie versuchten, mich durch List in den Tod zu verstricken oder hatten mir Kränkungen zugefügt, die schlimmer waren, als der Tod.«

»Es ist ein Glück für dich, Henry«, fuhr Bradley traurig fort, »dass du dich für deine eigene Vorsehung hältst – ich meine ein Glück für dich in diesem Leben. Aber glaubst du, du wirst ruhig auf deinem Bett sterben?«

»Ich glaube dies fest. Noch einen Becher! Du betrachtest diesen Gegenstand zu düster. Könnte ein Tod zu schrecklich sein für den verräterischen, knabenverlockenden Menschendieb Vagardo?«

»Ich glaube nicht, wenn er durch den Arm der Gerechtigkeit gehängt würde.«

»Du meinst auf gesetzlichem Wege?«

Joseph Bradley nickte bejahend.

»Nehmen wir aber an, dieser Arm sei machtlos. Ist dann nicht die natürliche Gerechtigkeit befugt, ihr zweischneidiges Schwert zu schwingen?«

»Was gerecht ist, ist gerecht – was es nicht ist, ist es auch nicht. Das ist freilich eine törichte Antwort, aber ich kann nicht weiter über diesen Punkt sagen. Man erzählt sich seltsame Geschichten über diesen Elenden, den Vagardo, Henry.«

»Wohl, und wenn der Gegenstand einmal wieder zur Sprache kommt, so sage nur den maulaufsperrenden Narren, Vagardo und Mandeville seien als Opfer ihres eigenen Geizes gefallen. Sage ihnen, sie hätten mir, Henry Morgan, im Schlaf ein Rezept über die holländische Mode, den Zucker zu raffinieren, gestohlen. Sie waren ungeduldig, es sogleich zu probieren, und begaben sich um Mitternacht zu ihrem großen Siedekessel. Zu sehr auf die Operationen erpicht, betäubten die Dünste einiger starken Ingredienzien ihre Sinne. Sie fielen hinein und starben einen elenden Tod. Wurden wir nicht köstlich gerächt, Bruder Joseph. Du siehst, dass es im Grunde doch eine Vorsehung gibt, welche über dem Geschick guter kleiner Knaben wacht und nicht duldet, dass sie ungestraft gestohlen werden.«

»Dieser Hohn, Morgan, ist fast so schrecklich wie der Tod des Elenden. Ich traue dir darin nicht und schaudere. Du wirst nicht in seinem Bett sterben.«

»Kehre dich nicht daran, Joseph, und begnüge dich mit dem Glauben, dass dir dies beschieden sei. Möchtest du wohl die Frage durch einen Blick in die Zukunft auf die Probe stellen? Vielleicht unterhält dich eine derartige Torheit. Für mich aber, der ich glaube, dass ich unter gewissen Beschränkungen mein eigenes Geschick beherrsche, sind solche Dinge nur höchst lächerlich. Ich habe einen Obi-Mann an Bord. Wenn du Lust hast, so sollst du, wie der ehrliche Shakespeare sagt, nun alles erfahren, was du zu wissen wünschst.«

»Ich gestehe dir, Morgan, dass mein Geist sehr traurig gestimmt ist. Augenscheinlich bin ich jetzt körperlich stärker and weit rüstiger an Gesundheit als du, und doch bist du zuversichtlich und so heiter wie ein Mensch, der eine lange Aussicht auf Glück vor sich hat. Wir werden nicht mehr oft Gelegenheit zu vertraulichem Verkehr haben. Lass uns daher die gegenwärtige bestens benutzen. Es ist jetzt fast dreizehn Jahre her, dass wir unsere Heimat verlassen haben. Weißt du nichts vom Schicksal unserer Väter?«

»Was sind dreizehn Jahre, Joseph, für gesunde und kräftige Männer im gesunden Klima der walischen Küste. Unsere Väter sind ohne Zweifel noch am Leben und wohl. Auch fühlen sie sich wahrscheinlich nur allzu glücklich, dass sie nichts von ihren schlimmen Söhnen hören. Ich bin überzeugt, dass deines Vaters Pension regelmäßig bezahlt wird. Meine drei Brüder sind ohne Zweifel lange, baumstarke Bursche und sprechen vortrefflich Walch. Wahrscheinlich würde es ihnen sehr leidtun, wenn sie hören müssten, dass ihr Bruder Harry noch am Leben ist. Hierüber brauchst du kein Bedenken zu tragen.«

»Aber wenn mir während dieses Zuges etwas Bedenkliches zustieße, willst du für die Gemächlichkeit meines alten Vaters Sorge tragen? Die Zeiten sind unruhig und dürften wohl die Zuschüsse von Sir George Glenllyn oder seiner Tochter schwierig, vielleicht unmöglich machen. Willst du dies tun, Heinz?«

»Wenn ich denken könnte, dass unser Ausflug dein teures Leben gefährde, so würde ich augenblicklich nach Santiago in Kuba umholen lassen.«

»Es kommt wenig darauf an, wo es geschieht. Die Kugel, durch welche ich sterben soll, wird mich finden, und ginge ich zu den Enden der Erde.«

»Das ist so viel wie nichts gesagt. Auf alle Fälle aber will ich für Deinen Vater Sorge tragen, obwohl es nicht nötig sein wird; denn wohnt nicht der meine in seiner Nähe? Ermuntere dich; wir wollen den Obi-Mann hereinkommen lassen.«

»Wie du willst. Es ist gleichgültig, wie man im Müßiggang die Zeit tötet. Ich nehme die Herausforderung an.«

Beide taten nun wieder tiefe Züge. Sie hatten schon bei Weitem mehr, als sich mit der Klugheit vertrug. Aber so musste es wohl bei Leuten sein, welche im Begriff waren, sich ihr künftiges Geschick prophezeien zu lassen.

Morgans Aufgebot gehorsam, trat ein großer, starker, etwa fünfzigjähriger Neger mit einem garstigen, spitzbübischen Gesicht ein. Seine Miene war schlau und doch wild. Er näherte sich dem Admiral mit einem vertraulichen Grinsen, das einen schroffen Gegensatz zu der fast wegwerfenden Untertänigkeit seiner Begrüßung bildete.

»Na, Hecattykick, was sagst du zu einem Becher Teufeltöter in dieser bitterkalten Nacht?«

»Dank und neunzehn Gebet für der große Admiral, Massa Morgan. Wird’s nit kälter, kälter, kälter jede Jahr, jede Monat und jede Tag, und niemand wiss’, warum?«

»Du rußiger Lügner, es ist ein Klima bloß für Luzifer und seine mit Eisen beschlagenen Teufel. Indessen fürchte ich doch, dass ich nicht außer demselben leben kann.«

»Es ist kälter, Sär, und warum so? Just, um es zu machen recht für Buckra Body1. Pardon, große Admiral – ein bissel mehr trink, bitt’, Sär. Arm Negers Herz is kalt.«

»Du siehst, sogar dieser einfältige Betrüger schwatzt von seinem Herzen, Bradley. Ist das nicht eine schöne Satire auf die Sentimentalität? Na, du schwarzer Incubus, sag uns, was uns auf diesem Kreuzzug und einige Zeit nachher befallen wird?«

»Ja, Admiral, wenn der groß’ Obi will.«

»Mag er wollen oder nicht, ich werde dein Fell mit der Kuhhaut bearbeiten lassen, bis es zu einer einzigen weißen Blase anschwillt, wenn du nicht augenblicklich den Anfang machst. Nimm noch einen Becher von dem starken Wasser, du tintiger Unheilsprophet, und dann beginne augenblicklich deine Mummerei.«

Der Neger gehorchte schweigend. Nachdem er mit einem tiefen Seufzer des Entzückens den Rum hinuntergegossen hatte, schickte er sich an, ein weißes Tischtuch über die dunkle Seite der Kajüte zu hängen und dann die Lampe in eine Lage zu bringen, von wo aus ihr Licht voll auf die weiße Oberfläche fiel. Dann nahm er zwei Weingläser, goss in jedes ein wenig Wein und kratzte etwas darauf, das zu einem weißen Pulver zerfiel und in der Flüssigkeit verschwand oder von derselben aufgelöst wurde. Alles dies geschah unter vielen Grimassen und Verzerrungen seiner langen Gliedmaßen. Der Vorgang belustigte Morgan sehr, während Bradley mit Verachtung, in die sich ein wenig, aber nur sehr wenig Furcht mischte, darauf

Dann erbat sich der Schwarze mit vieler Demuth ein wenig Blut. Das war ein dreistes Ansinnen, weshalb es auch mit einem Fluch und der Beteuerung zurückgewiesen wurde, die Anmaßung des Negers sei eine der größten Unverschämtheiten, welche nur je in das Gehirn eines Weißen oder Schwarzen gekommen wäre. Hecattykick beharrte jedoch auf seiner Forderung und erklärte, ohne ein wenig von der Lebensessenz werde der Zauber unwirksam sein.

Bradley gab zuerst nach und bot seinen Arm dar, aus welchem der Nekromant mit der Spitze eines Federmessers einige Tropfen Blut zog. Morgan ließ sich dieselbe Torheit gefallen und der Neger mischte beide Portionen in einer kleinen Tasse zusammen, indem er noch etwas Salz beifügte.

All dies kitzelte Morgans Einbildungskraft sehr, übte aber eine ganz andere Wirkung auf dessen Gefährten. Die Feierlichkeit des hässlichen Negers und sein Gesicht, welches so starr wie geschnitztes Ebenholz blieb und weder unter den Hohnreden noch unter den Scherzen Morgans sich bewegte, begann allmählich auf den Aberglauben des weniger verderbten Bradley zu wirken.

Dann folgten Verbeugungen, Kreisbewegungen, Gemurmel, Geschrei und schreckliches Geplapper. Nachdem dies einige Minuten angedauert hatte, hielt der Schwarze inne und das Schweigen wurde eindrucksvoll.

Der Neger bot sodann jedem seiner Zuschauer das Glas mit dem arzneilichen Wein, welchen sie ohne Bedenken austranken. Dann warf er etwas auf die Flamme der Lampe und das Licht wurde plötzlich so blau, wie es nur irgendein Liebhaber des Schrecklichen wünschen konnte.

In diesem Augenblick bedeutete er den beiden Kommandeuren, sie sollten auf das achten, was sie auf der Oberfläche des weißen Tuches sähen, und forderte sie sodann pomphaft auf, ihm ihr Gesicht mitzuteilen. Zum großen Ärger des Zauberers erklärten sie, dass sie nichts sähen, wohl aber einen sehr üblen Schwefelgeruch verspürten, für den er wahrscheinlich seinen Rücken gut gestriemt erhalten werde.

Ohne sich einschüchtern zu lassen, entgegnete der Neger ruhig, er habe vergessen, ihnen die Augen mit dem Gemisch von Blut und Salz zu salben. Sie ließen sich dies gefallen. Dann forderte sie der Schwarze abermals auf, hinzusehen. Dieses Mal wollte jedoch Morgan haben, dass der Beschwörer zu gleicher Zeit sein eigenes Geschick lese, und zwang ihn, dieselben Förmlichkeiten an sich selbst vorzunehmen. Nach einigen Drohungen geschah dies. Der Schwarze schaute auf das Tuch hin oder tat wenigstens dergleichen und rief, er sehe Admiral Morgan auf dem Halbdeck

seines Schiffes, wie er ihm, Hecattykick, einen neuen Anzug und hundert Piaster gebe, worüber er mächtig erfreut sei.

»Nun kommt die Reihe an dich, Bradley«, sagte Morgan. »Lass mich alles wissen, was du siehst, und trage Sorge, dass du ebenso scharfsichtig seist, wie unser rußiger Freund. Blick hin und sprich.«

Bradley schaute hin, sprach aber nicht. Infolge des Weines und vielleicht auch der Droge des Negers befand er sich in jenem Zustand nervöser Aufregung, dass er nicht nur alles sehen, sondern auch alles prophezeien könnte. Da saß er, starren Blickes vor sich hin glotzend und ohne Spur von Leben. Das Ende dieser Verzuckung abwartend setzte sich Morgan ruhig nieder und schluckte einen guten Zug Kanariensekt hinunter. Aber kaum hatte er die Flasche wieder auf den Tisch gestellt, als ihr sein Kopf schwerfällig folgte und er in einen versteinerten Schlaf verfiel. Dann begannen die Orgien Hecattykicks. Er plapperte, lachte und wurde ungemein lecker, indem er nach den erlesensten Weinen griff, bis sie alle hinuntergegossen waren. Dann nahm er seine Zuflucht zu den verschiedenen spirituösen Getränken. Hierdurch wurde er bald so leblos wie der Admiral; aber er purzelte nicht auf, sondern unter den Tisch und bot ein abschreckendes Bild bestialischer Betrunkenheit.

Da der bestimmteste Befehl erlassen worden war, niemand solle in die Kajüte des Admirals eintreten, so wurden die betreffenden Personen nicht gestört. Das Boot des Vizeadmirals Bradley, in dessen Sternschooten sich nur ein einziger Mann befand, taute ruhig an dem Stern der Satisfaktion die ganze Nacht über im friedlichen Wasser. Diejenigen, welche sich die Mühe machten, über die Sache nachzudenken, bildeten sich ein, die beiden Hauptpersonen der Flotte verbrächten ihre Nacht wachend, um Pläne für den glücklichen Ausgang des beabsichtigten Unternehmens zu entwerfen.

Der Morgen brach an. Bradley saß noch immer fest schlafend oder in seiner Verzückung vor dem Tischtuch. Morgan schlief, den Kopf zwischen den ausgestreckten Armen auf den Tisch gelegt. Der Neger lag elend betrunken unten auf dem Deck. Die Lampe war längst verloschen. Durch die dumpfe Kajüte zog ein unerträglicher Geruch.

Joseph Bradley war der Erste, welcher teilweise wieder zur Besinnung kam. Er rieb seine Augen und stierte wild umher. Es dauerte einige Minuten an, ehe er völlig begreifen konnte, wo er war und was alles um ihn her zu bedeuten hatte. Seine Umgebung trug ein gemeines, schmutziges, abscheuliches Aussehen. Er schauderte und zitterte, als er sich umsah. Seine beiden Begleiter lagen mit ihren blutbeschmierten Gesichtern in einem totenähnlichen Schlaf da. Was von Morgans Antlitz frei geblieben war, zeigte eine Totenfarbe. Der Neger bot einen zu ekelhaften Anblick, als dass man nur nach ihm hätte hinsehen mögen. Vergossener Wein und Branntwein nebst Überresten von Speisen dienten dazu, das Krasse der Szene zu erhöhen.

Dies war ein trauriges, klägliches Ende des Zaubers, aber dennoch stand Bradley noch immer unter dem Einfluss dessen, was er für übernatürlich hielt. Es fiel ihm schwer, Morgan zu wecken. Auch stand es geraume Zeit an, ehe dieser furchtbare Flottenführer seine wirren Sinne wieder sammeln konnte. Bradley sah noch immer verstört aus. In dem unsteten Lichte seiner Augen lag ein Ausdruck, der entweder auf körperliche oder geistige Kranheit hindeutete.

»Wir sind schändlich betört und vergiftet worden, Joseph«, lauteten die ersten zusammenhängenden Worte, welche der Oberbefehlshaber ausstieß.

»Sir Henry Morgan«, versetzte der noch immer verwirrte Bradley, »ich habe Visionen gesehen und Prophezeiungen gehört.«

»Sir Henry Morgan? Na, du machst mich zum Ritter und ich danke dir dafür. Aber wie steht es mit deinen Visionen und Prophezeiungen? Hast du sie vom Tischtuch? Hinweg damit und lass uns in der Hinterkajüte unsere Personen säubern, damit wir wieder wie zwei anständige Admirale aussehen, die Sr. Majestät Bestallung tragen. So kann in …”

»Sir Henry Morgan, ich sage, ich habe Gesichte geschaut.«

»Mein Lord John von Bradley, ich sage Euch, wir beide sind abscheulich betrunken gewesen und obendrein von diesem schwarzen Spitzbuben betäubt worden. Komm und reinige dich. Dann wollen wir diese Bestie in Eisen legen und sie bis auf einen Zoll ihres Lebens peitschen lassen, sobald sie wieder nüchtern ist.«

»Ich sage dir, Morgan, ich habe Gesichte geschaut.«

»Gut, die kannst du mir aber mit einem reinen Gesicht mitteilen.«

Mit diesen Worten stieß Morgan den Gesichteschauer gegen ein weißes Tischtuch in der Hinterkajüte, wo die beiden Kommandeure ihren äußeren Menschen erneuerten. Onashie Hecattykick, der schwarze Zauberer, wurde in Fesseln gelegt und erhielt, sobald er hinreichend nüchtern war, um das, was ihm bevorstand, gehörig zu würdigen, statt seiner hundert Piaster ebenso viel Streiche auf den bloßen Rücken. Auch wurde ihm eine Ehrenweste angelegt, indem man ihm seinen wundgestriemten Leib mit Schwefel und Salz pflasterte, die man auf grobes, altes Segeltuch strich.

Die beiden Admirale frühstückten zusammen. Nun kam die Reihe an Bradley, unmitteilsam zu werden. Er benahm sich traurig, schwermütig und schien durchaus nicht geneigt zu sein, von seinen Gesichten zu reden. Vergeblich deutete Morgan darauf hin, dass die Prophezeihung des Negers in Betreff seiner eigenen Person so schlecht ausgefallen sei; denn sein Freund bestand darauf, er habe wirklich übernatürliche Dinge gesehen und gehört.

Endlich teilte Bradley auf Henrys angelegentlichste Bitte das Resultat seiner Eindrücke mit, ohne dass er jedoch einzeln darauf einging. Die Offenbarungen, die er erhalten habe, sagte er, beträfen sie beide und seien in Betreff Morgans sehr günstig, denn sie liefen darauf hinaus, dass er viele Jahre geehrt leben und als ein Mann von Titeln sterben werde.

»Oh, kümmre dich nicht um mich. Ich bin meine eigene Vorsehung und werde schon für mich selbst Sorge tragen. Aber sprich von dir selbst, mein teurer Joseph.«

»Der nächste Feldzug wird verhängnisvoll für mich sein.«

»Ich werde für das Gegenteil Sorge tragen. Collier soll ihn führen.«

»Henry Morgan, das ist in der Tat unfreundlich. Ich würde ja der schwachsinnigste Mensch sein, wenn ich mich so einschüchtern lassen wollte. Vielleicht war alles nur das Blendwerk der Trunkenheit. Ich schäme mich vor mir selbst.«

»Das hat mein verständiger Owen gesprochen. Dieser Obismus ist der einfältigste Betrug, der je einen Dummkopf verblendete. Die armen Betörten werden bis zum Wahnsinn vergiftet. Wenn sie wieder zu sich gekommen sind, tun sie eben das, von dem sie glauben, es sei ihnen im Delirium befohlen worden. Ich denke, diesem Hecattykick wird das Prophezeien vergangen sein. Doch jetzt an unser Geschäft.«

Sämtlichen Kapitänen wurde nun das Signal erteilt, sich zum Kriegsrat einzufinden, um über ihre Bestimmung eine Entscheidung zu treffen. Die Berufenen fanden sich an Bord der Satisfaktion ein. Morgan redete die siebenunddreißig Befehlshaber mit der Erklärung an, wenn es seinen Waffenbrüdern zweckmäßig scheine, so wünsche er in Gemäßheit von Sir Thomas Modifords Instruktionen Santiago in Kuba oder die Havanna selbst anzugreifen. Indes sei er bereit, die Meinung der verehrlichen Ratsmitglieder zu hören.

Als Zweiter im Kommando schlug sodann Bradley zum Erstaunen aller Anwesenden Panama in den südlichen Seen vor. Der kühne Antrag brachte anfangs männiglich zum Schweigen, aber sobald sich die Überraschung ein wenig gelegt hatte, ergriff Kapitän um Kapitän das Wort, um sich dem ungeheuerlichen Plan, welcher von so unübersteiglichen Hindernissen begleitet sei, entgegen zu setzen. Wir haben nicht nötig, uns ein Weiteres über diese Einwürfe zu verbreiten, unter denen hauptsächlich die Zahl der zu bekämpfenden Plätze, der Zug durch ein feindliches, unbekanntes Land, die Unmöglichkeit, die Artillerie so weit zu führen und namentlich das ungesunde Klima aufgeführt wurden.

Bradley begann sodann, alle diese Entgegnungen der Reihe nach zu beantworten, und gewann endlich einige der Verzweifelten seiner Zuhörer für seine Meinung. Dann schien Morgan selbst halb überzeugt zu sein. Nun bekehrte sich einer nach dem anderen, bis zuletzt alle über das einig wurden, was ihnen kurz zuvor als unausführbar erschienen war.

Morgan hielt sodann folgende Anrede. »Meine teuren Freunde, ich hoffe, Euer bekannter Mut, Eure wackere Haltung und der Erfolg werden beweisen, dass Ihr richtig geurteilt habt. Es ist ein edles heldenhaftes Unternehmen. Ich kann mich kaum enthalten, den Vizeadmiral Bradley zu umarmen, weil er so weise war, einen Gedanken zu fassen, den, wie ich weiß, sein Herz so kühn ausführen wird. Aber wir wagen viel, meine Freunde, wenn wir also vom Buchstaben unserer Instruktionen abgehen, obwohl ich glaube, dass wir in ihrem Geist handeln. Ihr müsst mich gegen Sir Thomas Modiford nach Kräften rechtfertigen und werdet daher nichts einzuwenden haben, wenn ich von euch verlange, dass ihr mir das Resultat eurer Beratung unter euren Unterschriften und Sigille zugehen lasst.«

Dieses sehr natürliche Ansinnen wurde augenblicklich zugestanden und folgendes Dokument ausgefertigt, welches wir wortgetreu nebst den Unterschriften wiedergeben; denn es ist ein Mittel, einem Häuflein Tapferer, die eine der merkwürdigsten Taten ausführten, welche die Welt je gesehen hatte, etwas nachhaltigeren Ruhm zu verleihen.

An Bord der Fregatte Satisfaktion
den 2. Dezember 1670.

Geehrter Sir,

wir haben ernstlich in Erwägung gezogen, welcher Platz wohl am vorteilhaftesten für die Sicherheit der Engländer sein dürfte, namentlich aber für die von Sr. Majestät Insel Jamaika, um einen Einfall der Spanier zu verhindern. Es ist uns, deren Namen hiernach unterzeichnet sind, von den übrigen Kommandeuren der ganzen Flotte übertragen worden, uns über einen Ort zu vereinen, den wir zum Besten Jamaikas und zur Ehre unserer Nation nehmen könnten, weshalb wir denn auch zu dem Beschluss gekommen sind, dass für das Wohl von Jamaika und von uns allen die Eroberung von Panama am zweckdienlichsten sei, weil der Präsident daselbst mehrere Kaperbriefe zur großen Beschädigung von Jamaika und unserer Kauffahrer verliehen hat, wie aus beifolgenden eidlichen Angaben zweier Spanier erhellt. Dies ist die Ansicht und Entschließung von uns allen.

Oberst-Lieutnant und Vize-Admiral Joseph Bradley,
Richard Norman,
Thomas Harrison,
Robert Delander,
John Harmonson,
John Galoone,
John Pynne,
Diego Moleene,
Near-Admiral Collier,
Lawrance Prinee,
John Morris,
Thomas Rogers,
Charles Swan,
Henry Wills,
Richard Ludbury,
Clement Simmons.

An Henry Morgan, Esquire, für den gegenwärtigen Feldzug Admiral und Oberbefehlshaber von Sr. Majestät Jamaika-Flotte.

Als dieser Beschluss nach gebührender Unterzeichnung Morgan überreicht wurde, lächelte er seinen Ratgebern sehr gnädig zu, machte ihnen ein Kompliment über ihr gediegenes Urteil und entließ sie mit der Erklärung nach ihren verschiedenen Schiffen, dass er selbst nie so viel Weisheit gehabt haben würde, auf eine so glänzende Heldentat zu verfallen, die sie für ihn und sich selbst vorbereitet hätten. Bradley allein blieb zurück und begab sich mit Morgan in dessen Staatskajüte.

»So«, sagte Bradley lächelnd, aber ein bitterer Ausdruck überflog seine breiten Züge. »Es hat mich einige Mühe gekostet, Admiral, dir einen Besuch bei Mrs. Guzman leicht zu machen.«

»Pst, Mann, es ist das Allerbeste, über was man einig werden konnte. Dieses Papier«, er nahm den Bescheid auf, »ist für uns beide ebenso gut, wie eine Schenkung von dreitausend Pfund Renten.«

»Es ist mein Todesurteil, Henry Morgan.«

»Ist dein Geist noch immer von der Neger-Vision angesteckt? Sei doch mannhafter.«

»Du glaubst wirklich, dass das wahnsinnige Unternehmen gelingen werde?«

»Zuverlässig, Joseph, und zwar in der allerbesten Weise. Es wird uns, soweit ich rechnen kann, sieben Achtel unserer Leute kosten. Welche glänzende Beute bleibt dann den Überlebenden, wenn sie gemacht ist!«

»Ich werde nicht darunter gehören.«

»Du wirst – ich habe es gesagt. Wir müssen zuerst das starke Fort Chagre nehmen. Es ist so ziemlich, wie das Benagen einer Feile; wird uns wenigstens dreihundert Tote und Verwundete kosten. Wir wollen Colliers Eisenkopf dagegen loslassen. Ob er damit die Mauer einstößt oder ihn selbst eingestoßen kriegt, kommt wenig in Betracht. Der Platz wird gewonnen werden.«

»Morgan, ich bestehe auf meinem Recht und fordere das Kommando in diesem Angriff.«

»Und das weiße Tischtuch?«

»Was hat dies mit meiner Ehre zu schaffen?«

»Dann sollst du gehen. Aber versprich mir vorher feierlich, dass du dich vor Schaden in Acht nehmen willst. Der ist der schlechteste Oberbefehlshaber, welcher den Sieg und das Leben seiner Soldaten aufs Spiel setzt, indem er sein eigenes Leben bloßstellt. Eine Schellenkappe für solche Generale.«

»Ich will mich so viel schonen, wie es ein tapferer Mann tun darf.«

»Bei deinem heiligen Ehrenwort?«

»Auf Ehre, ich will es.«

»Dann will ich gehen und den Angriffsplan entwerfen.«

»Und ich mein Testament aufzusetzen.«

»Joseph Bradley, wenn ich noch einmal etwas der Art höre, so lasse ich Hecattykick zuerst aufhängen und schicke dann dich mit wichtigen Depeschen nach Jamaika. Merke dir aber, sie sollen in weiter nichts bestehen, als in einer Bitte an den Gouverneur, dir alle Tischtücher aus dem Weg zu räumen, und meinem Kompliment an Mrs. Morgan, der ich von Panama einen halben Metzen Juwelen bringen will.«

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  1. Für den Weißen