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Elbsagen 06

Elbsagen
Die schönsten Sagen von der Elbe und den anliegenden Landschaften und Städten
Für die Jugend ausgewählt von Prof. Dr. Oskar Ebermann
Verlag Hegel & Schade, Leipzig

6. Der Zweikampf bei Waltirsche

Ein Ritter, namens Heinrich von Saalhausen, Herr auf Großpriesen und Schwaden, hatte sich einst mit seinem jüngeren Bruder Friedrich, der in Tetschen hauste, wegen einer Erbschaft arg überworfen. Die Brüder gerieten so sehr in Zorn, dass sie sich nach damaliger Sitte zu einem Zweikampf auf Leben und Tod herausforderten. Tag und Stunde sowie die Art des Kampfes wurden sogleich festgesetzt. Als Kampfplatz wurde ein Hügel, der vom Volk das Steinbüchsel genannt wurde, gewählt. Als der Tag der Entscheidung gekommen war, fand sich Ritter Heinrich frühzeitig am Platz ein. Sein Weg vom Schloss Schwaden hatte ihn schnell ans Ziel geführt. Friedrich indessen, der von Tetschen aus einen verhältnismäßig langen Weg zurücklegen musste, ließ lange auf sich warten.

Heinrich war vor der blutigen Entscheidung gar nicht bange. Er hatte sich überdies daheim vor dem Weggehen durch einen kräftigen Trunk ermutigt. Da nun eine außergewöhnliche Sonnenhitze auf Fluss und Tal brütete, ließ er sich unter einem Baum im Gras nieder und schlief fest ein. Mittlerweile erschien Friedrich von Tetschen. Er band sein Pferd an einen Baum, begab sich an den vereinbarten Kampfplatz und fand seinen Bruder, vor dessen tödlichem Hass ihm graute, schlafend in seiner Gewalt. Nun wäre es ihm ein Leichtes, sich seines feindlichen Bruders ohne Gefahr zu entledigen. Aber Friedrich war zu edelmütig, um einen Wehrlosen zu töten. Er ging zu seinem Bruder hin, nahm dessen Lanze an sich und weckte ihn dann. Heinrich sprang auf und sah sich mit Schrecken wehrlos, aber Friedrich lächelte ihm versöhnlich zu und mahnte ihn zum Frieden. Durch den Edelmut des Bruders tief gerührt, bot nun auch Heinrich gern die Hand zur Versöhnung. Sie umarmten sich in neu erwachter brüderlicher Liebe und gelobten, zum Andenken an die glückliche Lösung ihres Zwistes ein Gotteshaus zu errichten. Das Gelöbnis haben sie gehalten und gemeinsam die Walirscher Kirche gebaut. Die Lanzen der versöhnten Brüder wurden im Kirchenraum angebracht. Die eine ist im Laufe der Jahre abhandengekommen, die andere aber zeugt noch heute von dem glücklichen Ausgang des hitzig begonnenen Bruderstreites.