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Slatermans Westernkurier 12/2018

Auf ein Wort, Stranger, gab es Zorro wirklich?

Blödsinn, wird jetzt jeder sagen. Dieser von Johnston McCulley erfundene Groschenromanheld, dessen erstes Abenteuer 1919 erschien, ist nichts weiter als pure Erfindung, wenngleich es der Protagonist trotzdem genauso wie Robert E. Howards Conan, Edgar Rice Burroughs Tarzan oder die von Jerry Siegel und Joe Shuster erschaffene Kultfigur Superman ebenfalls zu Weltruhm gebracht haben.

Jedenfalls scheint es auf den ersten Blick so, aber da gibt es ein paar Dinge, die eine andere Seite dieser Geschichte aufzeigen.

Im Gegensatz zu seinen Heldenkollegen ist Zorro kein reines Fantasieprodukt eines Autors, sondern besitzt sehr viele Bezüge zur amerikanischen Geschichte des 19. Jahrhunderts. Es mag seltsam anmuten, aber die reale Figur, die McCulley zu seinem Protagonisten Don Diego de la Vega, besser bekannt als Zorro, inspirierte, war genauso legendenumwoben und geheimnisvoll wie der Groschenromanheld selber.

 

*

 

Sein Name war Joaquin Murrietta Carillo, er wurde um 1829 in Mexiko geboren und starb am 25. Juli 1853 im Fresno County, Kalifornien.

Dieser besser als mexikanischer Robin Hood bekannte Mann war um 1850 während des Goldrauschs in Kalifornien ein berühmter Revolvermann.

Die meisten biografischen Quellen behaupten, dass Murrietta in Hermosillo im mexikanischen Bundesstaat Sonora geboren wurde. Es heißt, er wäre 1849 nach Kalifornien gekommen, um beim Goldrausch sein Glück zu machen. In der rauen Umgebung der Mining Camps wurde er durch seine mexikanische Herkunft schnell zum Ziel der brutalen Goldgräber, die wie besessen im Boden wühlten und in jedem Neuankömmling einen Konkurrenten sahen, der ihre Ausbeute schmälern konnte.

Berichten nach wurde Murrietta während des Goldwaschens von diesen Männern überfallen und zusammengeschlagen und seine Frau vergewaltigt. Diese Angaben sind allerdings mit Vorsicht zu genießen, da sie historisch nicht eindeutig belegt sind, sondern lediglich John Rollin Ridges angeblichen Tatsachenroman The Life and Adventure of Joaquin Murieta entnommen.

Der Historiker Frank Latta schrieb in seinem 1980 erschienenen Buch Joquin Murrieta and His Horse Gangs, dass dieser aus Hermosillo kam und eine paramilitärische Bande aus Verwandten und Freunden anführte, die ihr Geld in Mexiko mit Pferdediebstahl verdiente und ihm half, mindestens sechs Amerikaner zu töten, die ihn und seine Frau überfallen hatten.

Danach überfielen sie Siedler und Wagenzüge in ganz Kalifornien und stahlen massenhaft Pferde. Schätzungen nach soll Murrietta mit seiner Bande dabei 13 Anglo-Amerikaner und fast drei Dutzend Chinesen getötet haben.

Im Mai 1853 erließen die kalifornischen Behörden ein Dekret, mit dem eine Gruppe von 20 California Rangers für drei Monate angeworben wurde, um die Bande zu verhaften. Der Anführer dieser aus Veteranen des Mexikanisch-Amerikanischen Krieges von 48 bestehenden Bande war der Texas Ranger Harry Love. Der Staat zahlte ihm und seinen Begleitern 150 Dollar monatlich und lobte eine Belohnung von 1000 Dollar zur Ergreifung der Banditen aus.

Eine Menge Geld, wenn man bedenkt, dass der Großteil der Bevölkerung im selben Zeitraum mit gerade mal 10 Dollar oder noch weniger auskommen musste.

Zwei Wochen später meldeten die Rancher Vollzug.

Sie waren am 25. Juli bei Coalinga am Rand der Diablo Range auf eine Gruppe Mexikaner gestoßen. Bei dem nachfolgenden Schusswechsel wurden drei der Mexikaner getötet, zwei weitere gefangen genommen.

Eine Plakette der California Historical Landmark #344 erinnert noch heute an der Kreuzung der State Routers 33 und 198 an den Vorfall.

Um zu beweisen, dass es sich bei den Toten wirklich um Murrietta und seinen Freund Manuel Garcia, besser bekannt als Three-Fingered-Jack, handelte, schnitten die Ranger die Hand von Garcia und den Kopf von Murrietta ab und konservierten beides in Alkohol. Gleichzeitig untermauerten sie mit 17 eidesstattlichen Versicherungen, darunter die eines katholischen Priesters, ihre Behauptungen, dass es sich bei den getöteten Männern tatsächlich um die gesuchten Banditen handelte.

Die Behörden stellten Kopf und Hand im Mariposa County, in Stockton und San Francisco aus. Für 1 Dollar konnte man die Trophäen bewundern.

Danach wurde es mysteriös und die ersten Legenden bildeten sich.

 

*

 

Im August 1853 schrieb ein Unbekannter dem San Francisco Alta California Daily, dass Love und die anderen Ranger unschuldige mexikanische Mustang-Jäger getötet und die Personen für die eidesstattlichen Erklärungen bestochen hatten.

1879 behauptete ein gewisser O. P. Stidger, das Murriettas Schwester ihm gegenüber behauptet hatte, das der ausgestellte Kopf nicht der ihres Bruders war.

Um dieselbe Zeit berichteten mehrere Zeugen, die Murrietta gekannt hatten, diesen als alten Mann gesehen zu haben.

Später hieß es, dass sein Kopf 1906 während des großen Erdbebens in San Francisco und dem darauffolgenden Brand zerstört wurde.

Die Historikerin Susan Lee Johnson schrieb dazu:

»Um Murrietta haben sich im Laufe der Jahre so viele Geschichten entwickelt, dass es schwer ist, Erfundenes von Fakten zu unterscheiden. Allen Berichten nach ist aber gemeinsam, dass ihn die Amerikaner von einem ergiebigen Goldclaim vertrieben und danach seine Frau vergewaltigt, seinen Halbbruder gelyncht und ihn ausgepeitscht haben sollen. Je nachdem, welcher Version man Glauben schenkt, wurde er danach entweder zum Pferdehändler, Pferdedieb oder Banditen.«

Bezeichnend für das Mysterium um Murrietta ist auch die Tatsache, dass es trotz aller Berühmtheit um seine Person bis heute kein Bild oder eine Zeichnung gibt, die eindeutig sein Aussehen wiedergibt.

Zusammengenommen ein Umfeld, das wie geschaffen war, die Fantasie eines Autors anzuregen, um einem Helden wie Zorro Leben einzuhauchen.

Übrigens, die Rechte an McCulleys Story und dem Namen Zorro sind seit 1975 erloschen.

Quellenangaben:

  • federicodecalifornia
  • Wikipedia
  • Archiv des Autors
  • H. J. Stammel, Der Cowboy – Legende und Wirklichkeit, Bertelsmann Lexikon Verlag