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Interessante Abenteuer unter den Indianern 94

Interessante-Abenteuer-unter-den-IndianernJohn Frost
Interessante Abenteuer unter den Indianern
Erzählungen der merkwürdigsten Begebenheiten in den ersten indianischen Kriegen sowie auch Ereignisse während der neueren indianischen Feindseligkeiten in Mexiko und Texas

Die Katastrophe

Der Sohn eines Kickapoo-Häuptlings, welcher mit einem Wiattanon-Mädchen versprochen war, kam nach Fort Knox, zu Vincennes, um dasselbe abzuholen, obwohl ein Indianerkrieg damals gegen die Vereinigten Staaten im Gange war. In diesem Krieg gehörten die Kickapoo zu den furchtbarsten Feinden. Wir befanden uns zu der Zeit zufälligerweise an jenem Ort. Es war Sommer und das Wetter war sehr warm. Der junge Kickapoo wurde in das Fort eingelassen und warf unter anderen Geschenken ein Paar Wildbretkeulen nieder, indem er gegenüber dem kommandierenden Offizier bemerkte, dass dieselben, wenn er sie nicht selbst essen könne (denn sie rochen schon etwas) für seine Hunde und Schweine1 gut genug sein dürften. Zu gleicher Zeit murmelte er, indem er das Zeichen des Strickumlegens um seinen Hals machte, dass sie ihn vielleicht wegen seines Erscheinens unter ihnen hängen würden. (Er bezog sich ohne Zweifel auf den damaligen Krieg mit den Indianern.)

Am Abend desselben Tages wurde der junge Kickapoo nebst anderen Wilden, unter welchen sich ein Wiattanon befand, betrunken.

Der Letztere sagte zu dem Kickapoo: »Vielleicht werde ich dich töten.«

Hierauf stieß er ihm ohne weitere Vorrede das Messer in den Leib, welches den augenblicklichen Tod des jungen Mannes zur Folge hatte. Sogleich gerieten die Wiattanon, die sich in der Gesellschaft befanden, in Besorgnis, dass der Mord des Sohnes eines mächtigen Häuptlings schlimme Folgen für ihren Stamm nach sich ziehen könne. Es wurde deshalb beschlossen, den Vater des Kickapoo dadurch zu versöhnen, dass man eine Deputation an ihn sende, welche ihm ein Fässchen mit zehn Galonen Whiskey als Friedensanerbieten überbringen sollte. Derselbe wurde zu diesem Zweck vom kommandierenden Offizier des Forts geliefert. Sie waren nur eine kurze Strecke gegangen, als sie das Fass öffneten und bis auf den Boden leer tranken. Was nun tun? Am nächsten Morgen erschienen sie abermals im Fort, beklagten den Zufall, wie sie es nannten, und baten um ein anderes Fass Likör. Auch dieses wurde bewilligt und sie machten sich abermals auf den Weg. Doch das zweite Fässchen teilte das Schicksal des früheren. Sein Inhalt bewies sich als eine unwiderstehliche Versuchung. Da kein Whiskey mehr zu bekommen war, so fiel die Gesandtschaft durch.

Hierauf erschienen die Indianer vor dem Fort, ihren Gefangenen in Gewahrsam haltend, dicht unter dem Fenster des Berichterstatters2 und verlangten, dass Gerechtigkeit an dem Gefangenen ausgeübt werde. Er gab ihnen zur Antwort, dass sie die Sache selbst abzumachen hätten, da sich dieselbe allein auf sie beschränke. Nun marschierten sie in indianischen Gliedern davon, den Mörder mit sich führend, der hin und wieder ängstlich um sich blickte, denn der Bruder der Geliebten des Hingeschiedenen hatte gerade hinter ihm seine Stelle eingenommen. Sie waren noch nicht weit gegangen, als dieser Bruder dem Gefangenen ein Messer in den Rücken stieß, welches abbrach, sodass ein Teil desselben in der Wunde stecken blieb. Die ganze Abteilung kehrte daraufhin ins Fort zurück, während der verwundete Indianer sein Totenlied sang.

Er wurde von seinen Freunden in ein auf der Prärie befindliches Dickicht getragen, woselbst alle Bemühungen derselben, die abgebrochene Klinge aus der Wunde zu ziehen, sich als erfolglos erwiesen. Einige Tage darauf starb er.

Ein Bruder des Mörders, dem man den Namen Spinne (Spider) beigelegt hatte, welcher sich damals in Kaskaskia befand, eilte, sobald er das Unglück erfuhr, nach Vincennes. Der Tod hatte jedoch der grauenvollen Szene schon ein Ende gemacht. Er kam trotzdem früh genug, um dem Leichenbegängnis beizuwohnen. Als der Körper eben der Erde übergeben werden sollte, öffnete er die Decke, welche den Leichnam umgab. Nachdem er einen silbernen Schmuck, der seinen Kopf umschloss, abgenommen hatte, band er denselben um das Haupt des Beworbenen und sagte: »Da, Bruder! Dies wird dir im Land der Geister Achtung verschaffen.«

Show 2 footnotes

  1. Benennungen, welche die Indianer den Dienstboten beilegen. Dies schmeckt stark nach dem Stolz der Unabhängigkeit.
  2. Derselbe war ein Richter des Obersten Gerichtshof des nordwestlichen Territoriums und damals auf einer Rundreise begriffen, um die Gerichtshöfe jener ausgedehnten Region zu eröffnen.