Archive

Das schwarze Buch vom Teufel, Hexen, Gespenstern … Teil 16

Das schwarze Buch vom Teufel, Hexen, Gespenstern, Zauberern und Gaunern
Dem Ende des philosophischen Jahrhunderts gewidmet
Adam Friedrich Böhme, Leipzig, 1796

Durch das Gebet Manasse, durch die weisen Sprüche Salomos, durch die Klagelieder Jeremiä, durch die Frömmigkeit des Daniels, durch die Keuschheit des ägyptischen Josephs und durch die fälschlich verklagte Susanna soll der Geist gleich einem Lamm erscheinen.

Johann Handbeck, ein Mann von 32 Jahren, katholischer Religion und aus Straßburg gebürtig, war der Sohn eines desertierten französischen Soldaten und nachherigen Galanteriekrämers. Bis in sein sechzehntes Jahr hielt er sich bei seinen Eltern auf, zog mit diesen im Land herum, diente nachher einige Jahre bei Galanteriehändlern und fing endlich selbst einen kleinen Granadenhandel an, mit dem er auch im Ansbachischen, Bayreuthischen und Nürnbergischen hausierte. Auf diesen Hin- und Wiedermärschen wurde er mit einem berüchtigten Landfahrer Anton Müller bekannt, der sich durch betrügerisches Spiel und Schatzheben auf dem Land ernährte. Müller starb 1786 zu Kehl, und die Dirne, die er bei sich hatte, wurde nun Handbecks Frau. Mit dieser durchzog er mehrere Gegenden und benutzte den Aberglauben und die Begierde nach Reichtum beim einfältigen Haufen. Er gab sich dabei für einen Handelsmann aus, zu welchem Ende er sich auch mit falschen Musterkarten von Tüchern etc. hinreichend versehen hatte. Schon im Jahr 1782 wurde er als ein Vagabund in Schweinau bei Nürnberg arretiert, nach Kadolzburg gebracht und ihm dort die Ansbachischen Lande verboten. Dessen ungeachtet zog er nach wie vor im Ansbachischen und den angrenzenden Ländern herum, bis er endlich zum zweiten Mal über einer falschen Schatzgräberei angetroffen uud gefänglich eingezogen wurde. Diese Geschichte und seine dabei gespielte immer sehr feine Betrügerei scheint so merkwürdig und geschickt auf dergleichen Betrüger aufmerksam zu machen, dass sie hier umständlich erzählt zu werden verdient. Seine gerichtliche Aussage war Folgende:

Am 23. Februar sei er in der Absicht von Nürnberg auf Rothenburg gegangen, um irgendwo eine Gelegenheit auszukundschaften, wo er und sein Schwager Leonhard Müller, Bruder des verstorbenen Anton durch ihre betrügerische Schatzheberei Geld bekommen könnten. Mittags sei er auf dem Straßenhof bei Obernzenn eingesprochen, habe sich allda Essen und Trinken geben lassen und dabei zuerst mit der Wirtin, dann auch mit dem inzwischen nach Hause gekommenen Wirt ein Gespräch über Schatzheberei angefangen. Auf die Äußerung der Wirtin, dass bei Obernzenn auf dem Feld ein Schatz liegen solle, sagte er, dass er einen feinen Mann kenne, der ein Geistlicher sei und die Schätze zu heben wisse, wozu er nichts brauche, als allein drei Hände voll Erde von jenem Platz, woselbst der Schatz läge. Dieser Geistliche würde auf seine Kosten hinreisen und nichts als den zehnten Teil vom Wert des Schatzes verlangen. Die Wirtin versagte diesem Unternehmen ihren Beifall, allein der Wirt, gereizt von großer Geldbegierde und abergläubig genug, um in die Falle zu gehen, verlangte die Beiholung des weisen Mannes, wo inzwischen er für die Beiholung des erforderlichen Erdreichs sorgen wolle.

Handbeck sah nun die Erreichung seines Endzwecks vor sich. Er verließ den Straßenhof, ging nach Nürnberg und erzählte seinem Mitbetrüger Müller vom anscheinenden Fang. Nach wenigen Tagen traten beide ihre hoffnungsvolle kleine Reise an, nachdem sich Letzterer zuvor in die Kleidung eines katholischen Geistlichen gesteckt, ein schwarzes Käpplein aufgesetzt und sich von Handbeck die Tonsur hatte scheren lassen. So kamen sie denn wieder auf dem Straßenhof an. Da der Wirt die verlangte Erde noch nicht beigeholt hatte, ging dieser in Begleitung des Handbecks nachts um 8 Uhr zum Platz und trug sie freudenvoll heim. Mit Sehnsucht erwartete man die Mitternachtsstunde, schaffte die Knechte und Mägde beizeiten zu Bett. Endlich, als sie die Hausuhr verkündete, nahm die Beschwörung ihren Anfang. Handbeck, der Wirt und die Wirtin setzten sich hinter den Tisch, lasen einen Psalm und beteten. Müller aber trug die drei Hände voll Erde, nachdem er sie zuvor mit Mastix geräuchert und mit angeblichem Weihwasser besprengt hatte, in die Stubenkammer, kam danach wieder, las aus einem Büchlein teils Lateinisch, teils Deutsch allerhand her und versicherte die in Gedanken schon reichen Wirtsleute, dass durch das Gebet Manasse, durch die weisen Sprüche Salomonis, durch die Klagelieder Jeremiä, durch die Frömmigkeit des Daniels, durch die Keuschheit des ägyptischen Josephs der Geist gleich einem Lamm erscheinen, seinen Schatz mitbringen und überliefern und auf alles, was man ihn frage, Rede und Antwort geben müsse. Als hierauf an die Tür geklopft wurde, welches daher kam, weil Müller vorher schon in der Kammer bei der Tür einen Stein mit einer Schnur angebunden und an dieselbe ein Stück brennenden Schwamm befestigt hatte, wovon also die Schnur abbrennen und der Stein an die Tür fallen musste, sagte derselbe, dies sei der Geist.

Er ging nun in die Kammer zurück und fragte mit rauer Stimme, ob noch eine Seele bei der von ihm gesegneten Erde vorhanden wäre, die zu erlösen sei. Mit verstellter klarer Stimme antwortete er sich selbst: Ja!

Müller: Warum er (der Geist) sich denn da bei der Erde aufhalten müsse.

Geist: Weil er das zeitliche Gut den Menschen entzogen und es in die Erde gegraben habe.

Müller: Worin besteht denn das vergrabene Hab und Gut?

Geist: In geschlagenem Gold und Silber, das sich auf 30.000 Gulden beläuft, nebst anderen Kostbarkeiten und Juwelen, bei 18.000 Gulden am Wert.

Müller: Warum hast du den Schatz nicht gleich mitgebracht?

Geist: Weil du die Hälfte des Schatzes zurücklassen sollst, damit der böse Geist, der sich noch bei mir befindet und nicht zu lösen ist, dabei herumwandeln kann.

Müller: Das kann nicht sein, dass ich etwas zurücklasse.

Geist: So verlang ich wenigstens ein Versöhnungsopfer; und zwar sollst du von jedem Hundert Gulden einen nehmen, solches nach der Summe des Schatzes berechnen und in reinem Gold erlegen, dieses Geld alsdann         in ein Papier versiegeln, auf die Erde legen und segnen, sonach aber dasselbe in ein Laib Brot stecken, dieses in einen Kasten legen und drei Tage unberührt liegen lassen. Nach  diesem Zeitraum komm wieder. Dann will ich dir den ganzen Schatz überliefern. Das versiegelte Geld musst du aber unter die Armen austeilen.

Soweit die Beschwörung, welche noch vonseiten des Betrügers dadurch anschaulicher gemacht wurde, da derselbe das brennende Licht mit einem Topf bedecken ließ und sich unbemerkt die Hände mit Phosphoröl beschmierte, welche dann im Finstern einen leuchtenden Schein von sich warfen, den Müller für die Seele des Geistes ausgab, die sich hier schimmernd sehen lasse.

Nun sollte der Straßenhofwirt das vom Geist verlangte Versöhnopfer von 400 Gulden beischaffen. Um dem Wirt allen Argwohn zu nehmen, erbot sich Handbeck, die Hälfte dieser Summe selbst dazuzulegen, bei nun ermangelndem Geld aber Mittwoch nach Ostern wiederzukommen und die Sache zu vollenden. Dies geschah. Der betrogene Wirt brachte 200 Gulden an Gelder, welches Müller in Empfang nahm, dasselbe nebst den von Handbeck dazugelegten 64 Gulden, dann ein Paket, worauf 8 Karolin geschrieben gewesen, statt deren aber sich in solchem nur runde Bleiplatten befanden, in ein Papier wickelte und versiegelte, solches dann in seinen Hut auf die darin gehabte Erde, woselbst auch schon ein mitgebrachtes falsches mit Bleiplatten gefülltes Paket versteckt gewesen war, legte, den Segen darüber sprach, es mit Weihwasser besprengte, danach aber einen Laib Brot oben aufschnitt, in solches das falsche Paket hineinsteckte, das Brot versiegelte und es dem Straßenhofwirt mit der Äußerung zustellte, dass er diesen Laib nunmehr in seinen Kammerbehälter legen und allda drei Tage lang unberührt lassen solle; was auch von diesem versprochen wurde. Während dieses Hokuspokus streute Müller die in seinem Hut gehabte Erde in der Stube umher, vergaß aber nicht, hierbei das darunter versteckt gehabte und in der Geschwindigkeit gegen Bleiplatten vertauschte Paket rechten Gelds heraus und zu sich nehmen. Beide Betrüger blieben noch bis 4 Uhr früh im Straßenhof sitzen und schärften dem Wirt wiederholt sehr ein, den Brotlaib ja vor Verfluss dreier Tage nicht zu berühren.

So gingen sie endlich unter der Äußerung ab, nunmehr nach Herrieden, einem Eichstädtischen Städtchen zu gehen, allda für den Geist zu beten und für seine Erlösung Messen lesen zu lassen.

Aus Neugierde oder vielleicht Ahndung eines Betruges brach der Wirt gleich nach dem Abgehen der Schelme sein Versprechen, öffnete   den versiegelten Laib sowie das in solchem verwahrte Paket und überzeugte sich nur zu           deutlich vom ihm gespielten Betrug. Wütend griff er nach seiner Flinte, eilte den Betrügern nach und holte sie unweit Oberdachstetten ein. Handbeck versuchte zu entrinnen. Allein ein glücklicher Schuss in die Beine hemmte seine Schritte. Müller wurde durch einen Flintenschlag ebenfalls niedergeworfen. Nun bat Letzterer um Pardon, indessen sich Ersterer in das Gebüsch verkrochen hatte und dem Wirt 172 Gulden vom abbetrogenen Geld überlieferte. Die fehlenden 28 Gulden hatte Handbeck bereits zu sich geschoben. Der Wirt war froh, nur so viel wieder zu erhalten. Die beiden Betrüger fanden einander in einer Stunde wieder und nahmen ihren Weg nach Nürnberg.

Steckbriefe verfolgten sie, die Obrigkeit spähte nach ihnen, fand aber nur den Handbeck in der Vorstadt Gastenhof, woselbst er sich das zerschossene Bein wollte behandeln lassen, zog ihn ein und lieferte ihn nachbarschaftlich aus.

In seinem Verhaft gestand Handbeck nach vielem Leugnen ein, dass er auf gleiche Art in Gesellschaft der beiden Müller im Jahr 1787 den Eichstädtischen Wirt Körber zu Donbühl um 300 Gulden in Gold, dann im nämlichen Jahr einen unbekannten Bauer auf einem Weiler bei Riederstetten um 13 Karolin, im Jahr 1782 den Schultheis Deffes in einem unterhalb Brunn vier Stunden von Straßburg gelegenen Dörfchen um 33½ Karolin, ferner unweit von Memmingen einen unbekannten Zöllner, dessen Haus ganz allein am Wasser stehe, um 250 Gulden an Gold, ingleichen in einem, eine Stunde von Tübingen gelegenen Dorfe den dortigen Wirt um 200 Gulden, im Jahr 1784 einen Müller eine halbe Stunde von Schweinsdorf wohnhaft, um 100 Taler in Gold, ferner nach Ostern 1785 einen Bauer zum Heiligen Kreuz, unweit Forchheim um 300 Gulden in Gold, weiter nach Pfingsten 1786 einen Bauer im Schwarzwald um 40 Louisdor, gleich darauf aber einen anderen Bauer unweit Freiburg um 40 Karolin betrogen habe.