Archive

Till Eulenspiegel in 55 radierten Blättern – 41. Blatt

Till Eulenspiegel in 55 radierten Blättern
von Johann Heinrich Ramberg, mit Text nach der Jahrmarkts-Ausgabe. Verlag C. B. Griesbach. Gera. 1871

Eulenspiegel wird in Hamburg ein Barbiergeselle.

ulenspiegel reiste dann von Lübeck nach Hamburg. Als er hier auf dem Holzmarkt stand und sich etwas umsah, kam ein Barbier zu ihm, der fragte ihn, was er für ein Geselle wäre.

Eulenspiegel antwortete: »Ich bin ein Barbiergeselle.«

Da fragte der Barbier: »Hast du Lust, eine Stelle bei mir anzunehmen?«

Als Eulenspiegel ihm dieses zusagte, sprach sein neuer Meister zu ihm: »So gehe gleich in mein Haus und warte, bis ich komme. Dort, wo die großen Fenster sind, da ist mein Haus, da gehe hinein.« Nach diesen Wor­ten ging der Barbier weiter. Eulenspiegel ging auf das Haus los, stieß mit dem Kopf das eine Fenster ein, stieg durch dasselbe und grüßte die ganze Familie. Die Frau nebst den Kindern fingen laut an zu schreien.

Erstere fuhr ihn mit den Worten an: »Warum führt dich Bösewicht der Kuckuck zu dem Fenster herein?«

Eulenspiegel ant­wortete: »Liebe Frau, zürnt nicht über mich, dass ich durch das Fenster hereinkomme, denn Euer Mann hat es mir ge­heißen, der will mich als Geselle annehmen. Und ich bin ge­wohnt, alles zu tun, was mir geheißen wird.«

Indem er sich darüber mit der Frau stritt, kam der Barbier, hörte und sah den Spektakel und sprach zu ihm: »Warum bist du denn nicht zur Tür hineingegangen? Ist sie dir etwa nicht weit genug? Aus welcher Ursache stößt du mir das Fenster ein?«

Eulenspiegel antwortete: »Ihr sagtet, mein lieber Herr, ich sollte da hineingehen, wo die großen Fenster wären, und Ihr wolltet bald nachkommen. Ich habe also getan, was Ihr mir geheißen habt.«

Der Barbier schwieg, weil er einen Gesellen sehr nötig hatte, und dachte, vielleicht nimmt er etwas weniger Lohn oder ich ziehe es ihm ab, dann kann ich meinem Schaden doch wieder nachkommen. Und so ließ er die Sache auf sich beruhen, gab dem neuen Ge­sellen die Rasiermesser zum Schleifen und sprach: »Schleife sie glatt aus dem Rücken, gleich der Schneide.«

Eulenspiegel nahm ein Messer und schliff den Rücken der Schneide gleich. Nachdem Eulenspiegel eins von den Messern geschliffen hatte, wollte der Meister die Arbeit besehen, und siehe, da hatte der neue Geselle den Rücken beinahe der Schneide gleich geschliffen.

Da sprach sein Meister: »Was machst du nun für Streiche? Du verdirbst ja durch solches Schleifen die Messer gänzlich?«

Eulenspiegel erwiderte: Warum sollte das so nicht gut werden? Ich mache es ja, wie Ihr es mir geheißen habt.«

Darüber wurde der Herr zornig und sprach: »Ich sehe, dass du ein grober Schalk bist! Lass deine Schlei­ferei liegen und gehe wieder hin, wo du hergekommen bist.«

»Ja«, sagte Eulenspiegel, »das will ich tun, wir können so nicht ewig beisammen bleiben!« Er lief in die Stube und sprang zum Fenster wieder hinaus, wo er hereingekommen war. Da das der Barbier sah, wurde er sehr zornig und wollte ihn einholen, damit er das Fenster bezahle. Aber Eulenspiegel war weit geschwinder und entkam ihm, ging auf ein Schiff und fuhr nach Bremen.