Epidemisches Vorkommen des Teufelswahns in Artois
Epidemisches Vorkommen des Teufelswahns in Artois
Aus: Der Wahnsinn in den vier letzten Jahrhunderten. Nach dem Französischen des Calmeil. Bearbeitet von Dr. Rudolf Leubuscher. Halle. 1848
Unter dem Namen Vaudoisie herrschte im Jahre 1459 in Artois ein Wahn, dass die Dämonen viele heimlich in der Nacht zu den Zusammenkünften trügen, wo Bündnisse mit dem Teufel stattfänden und fleischliche Vermischung. Ohne zu wissen, wie es geschehen war, fänden sich am anderen Morgen die Teilnehmer der nächtlichen Vereine in ihrer Wohnung wieder.
»Am Ort der Zusammenkunft ist ein Teufel mit menschlicher Form, dessen Gesicht aber von keinem gesehen wurde. Der liest ihnen seine Befehle vor, und dann muss jeder seinen Hintern küssen. Er gibt ihnen Geld und Wein und Speisen in großer Menge. Und dann nimmt jeder ein Weib, denn Weiber und Männer befinden sich zusammen, das Licht verlöscht, und sie erkennen einander fleischlich. Plötzlichist jeder wieder an den Platz zurückgekehrt, von dem er fortgeführt worden war.« Um dieses Wahnsinns willen wurden viele Vornehme und Gemeine aus Arras eingekerkert und gefoltert. Viele gestanden und gaben die Namen von vielen Reichen und Vornehmen an, die sie bei den Zusammenkünften gesehen haben wollten. Diese wurden ebenfalls gefangen genommen. Viele von den Reichen kauften sich durch Geld los, andere flohen und bewiesen aus der Ferne ihre Schuldlosigkeit; aber diegeringeren Leute wurden unbarmherzig zu Tode gemartert oder verbrannt. Die Richter selbst legten den Angeklagten die Namen von vornehmen und mächtigen Personen in den Mund, nach deren Reichtümern sie gierig verlangten.