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Sir Henry Morgan – Der Bukanier 16

Kapitän Marryat
Sir Henry Morgan – Der Bukanier
Aus dem Englischen von Dr. Carl Kolb
Adolf Krabbe Verlag, Stuttgart 1845

Sechzehntes Kapitel

Morgan kehrt nach Barbados zurück, trifft daselbst mit alten Freunden und noch älteren Feinden zusammen. Eine schwarze Venus, nach dem Leben gezeichnet. Morgans schreckliche Rache.

Während Morgans Sklaverei und seiner Dienste in L’Olonois Flotte war in Westindien vielerlei vorgegangen. Wie wir schon früher angegeben hatten, hatten Pen und Venables die schöne Insel Jamaika gewonnen, über die Obrist Modiford zum Gouverneur ernannt wurde. Barbados hatte seinen freien Handel fast ganz und damit auch viel von seinem Wohlstand verloren. Lordly Lovel aber saß nach immer auf Morgans früheren Besitztum und hatte Mandeville bei sich, der sein Oberverwalter und Faktotum geworden war. Diese beiden edlen Seelen passten wunderbar gut füreinander, Lovels Eitelkeit, Schlemmerei und Wildheit fand entsprechende Gegenzüge in der Demut, Geselligkeit und Schmiegsamkeit des parasitischen Mandeville, der einen Fußtritt mit ebenso viel Dank hinnahm, wie eine Handvoll Dollar. Der eine durfte sich nur auf Laster aller Art besinnen und der andere war diensteifrig, sie auszuführen.

Obrist Modiford befand sich zu St. Jago auf Jamaika und war hoch erfreut, seinen Liebling und Protegé Morgan wiederzusehen. Letzterer war in einem sehr gelegenen Zeitpunkt mit seinen Waren angelangt. Er verkaufte Ladung und Schiff mit ungeheurem Gewinn und war wieder vergleichsweise ein reicher Mann.

Aber Morgans Geist halte nun eine ganz andere Organisation gewonnen. Er unterhielt nicht länger den Wunsch, sich durch die langsame und verdrießliche Mühe des Gewerbefleißes sein Vermögen zu vergrößern, sondern hatte sich vorgenommen, sein Glück dem Schwert zu verdanken. Auf alle Bitten des Obristen, dass er sich in Jamaika niederlassen möchte, hatte er stets nur eine Antwort: »Noch nicht!«

Nachdem er fast zwei Monate die Gastfreundschaft des Gouverneurs genossen hatte, kaufte er sich ein kleingedecktes Fahrzeug, das zum Teil nach Indianerweise aufgetakelt war, aber vortrefflich segelte. In diesem schiffte er sich nach Bridgetown auf Barbados ein. Er verabschiedete sich von seinem Freund aufs Innigste und nahm die Angabe zum Vorwand, er wolle sehen, ob er es nicht möglich finde, Penabock wieder anzukaufen, da der Preis der Pflanzung inzwischen beträchtlich gefallen sei. Auch wünsche er, seine alte Freunde wieder zu besuchen.

Morgan erreichte bald den Ort seiner Bestimmung und wurde von seinen Bekannten mit dem herzlichsten westindischen Willkommen empfangen. Um dies würdigen zu können, muss man wissen, dass ein Willkomm in den Indien zehnmal herzlicher ist als jeder andere, mag dieser nun sonst statthaben, wo er will. Morgan sprach nicht viel von seinen vergangenen Abenteuern und verriet auch kein großes Erstaunen, als er entdeckte, dass Kapitän von Vagardo, alias Sir Paul Plunket und jetzt Squire Lovel, im ruhigen Besitz seines vormaligen Gutes war, welches derselbe, wie dem Leser bekannt ist, mit dem Geld unsres Helden gekauft hatte. Morgan war jetzt ein Mann geworden, der stumm brütete und plötzlich handelte.

In seiner Abwesenheit war Friedensrichter Hetherfall gestorben und die Pflanzung auf dessen Sohn Philip übergegangen, welcher Morgan in seine alte Heimat einlud. Henry zog es jedoch vor, im schon damals sehr achtbaren Gasthaus Cowleys zu bleiben, und führte für seinen Entschluss so gute Gründen an, dass sich auch der junge Hetherfall zufrieden geben musste. Indessen wurde verabredet, dass er am nächsten Tag mit all seinen alten Bekannten bei einem Diner zusammentreffen solle. Wenn er auch hin und wieder einige Freunde vermisse, so werde er an ihrer Stelle die neuen Ankömmlinge treffen.

Morgan fand, dass sich während seiner dreijährigen Abwesenheit alles viel verbessert hatte. Das Speisezimmer, in welches er geführt wurde, war hoch, kühl, sehr geräumig und hatte durch grüne Veranden hinreichend Licht und Luft. Man fing gerade an, die Kunst eines gemächlichen Lebens unter den Tropen zu begreifen.

Wir übergehen die geräuschvolle Begrüßung, welche Morgan von seinen alten Freunden zuteil wurde, desgleichen die achtungsvolle Aufmerksamkeit, die er von den anwesenden Fremden genoss. Alles hatte bereits Platz genommen und die Gerichte waren aufgetragen; nur noch zwei Stühle standen leer. Endlich traten Lovel und Mandeville ein – denke man sich ihre Überraschung, als sie Henry Morgan in guter Gesundheit und reich gekleidet auf dem Ehrenplatz sahen!

Lovel wurde leichenblass, ja, mehr als blass, denn die Bleifarbe des Todes malte sich auf seinem Gesicht ab. Die feurigen Karbunkel seiner Nase wandelten sich zu einem hässlichen Blau um. Seine Hände fassten fest mit krampfhafter Gewalt die Lehne seines Stuhles, welcher ungestüm unter ihm erschütterte. So sich haltend blickte er Morgan sprachlos an, als sehe er ein Kirchhofgespenst vor sich. Mandevilles Aufregung war nicht so groß, aber er sah gleichfalls entsetzt den unerwarteten Gast an und wagte es nicht, ihn anzureden.

Diese kurze Szene erregte große Überaschung unter der Gesellschaft, denn niemand begriff den Grund derselben. Aber Morgan machte der Spannung bald ein Ende. Er schüttelte die Locken, welche reichlich über seine Schulter niederwallten, strich den Schnurrbart mit der Miene eines Petitmaitres, erhob sich vom Tisch und ging anmutig auf das erschreckte Paar zu. Der erste Gedanke der beiden Ehrenmänner war Flucht, aber noch ehe sie denselben in Ausführung bringen konnten, hatte unser Held schon jeden bei der Hand genommen, diese Gliedmaßen mit seinen ehernen Fingern so kräftig und schmerzlich zusammendrückend, dass die so Begrüßten gerne laut hinausgeheult haben würden, wenn sie sich nicht geschämt hätten.

»Sir Paul, Sir Paul, treffen wir so glücklich und fröhlich wieder zusammen?«, sagte Morgan scherzhaft. »Ihr sollt mich nicht mehr verfolgen, Sir Paul. Braucht nicht zu erschrecken, Mann – braucht nicht zusammenzufahren – Ihr habt mich nur zweimal verkauft – was weiter? Alles in Ehren – es war Kriegsglück. Ihr seht, wir können uns nicht trennen und sind füreinander das Schicksal. Lasst uns daher heiter sein und der edlen Gastfreundschaft des Squire Hetherfall Ehre machen. Und Ihr, mein kleiner Mandeville – freut mich in der Tat, Euch zu sehen, obwohl ich wünschte, dass Ihr etwas fetter wäret. Häutig, aber stark, ohne Zweifel, und Ihr schwingt Euer Rohr noch so kräftig als nur je – ah, ich sehe es. Nun, Gentlemen«, fuhr er fort, indem er die Gefangenen noch immer festhielt, »wenn Ihr wüsstet, wie tief ich diesem würdigen Paar verpflichtet bin, so würde es Euch nicht überraschen, dass ich so hoch erfreut bin, Sie wiederzusehen. Sir Paul Plunket wird Euch selbst sagen, dass er …«

Morgan hielt absichtlich inne. Lovel aber, der allmählich seine Geistesgegenwart wiedergewonnen hatte, bot all seine natürliche Unverschämtheit auf, warf sich in die drollige Positur eines Marktschreiers, blinzelte furchtbar und ergänzte in gedehntem Ton: »… den tapferen Mr. Morgan vom Strick rettete.«

»Richtig«, versetzte Henry. »Warum sollte also der achtbare Ritter nicht gleichfalls hocherfreut sein, mich zu sehen? Und Ihr, Mr. Mandeville, bin ich Euch nicht gleichfalls sehr verpflichtet? Nur keck herausgesprochen.«

»Nun ja«, erwiderte der Sklavenvogt, »ich denke … ich glaube … ich möchte mir anzudeuten erlauben, dass ich der Erste war, welcher Mr. Morgan lehrte, wie tugendhaft und verdienstlich es sei, seinen Vorgesetzten zu gehorchen. Und wenn … wenn … ich ein wenig zu hart schlug, so möge er vergeben und vergessen …«

»Wohl gesprochen. Wir wollen vergessen, wenn wir vergeben haben. Ihr seht, meine Freunde, welche Dankesverpflichtungen mir gegen diese beiden Gentlemen obliegen. Und nun wollen wir mit Mr. Hetherfalls Erlaubnis uns so gütlich tun, als wären wir eben den Ochsenhautriemen und dem Galgen entkommen.«

Sie taten sich auch recht gütlich, diese wackeren Pflanzer. Morgan kehrte dieselbige Nacht nicht zu dem ehrlichen Mr. Cowley zurück, sondern taumelte in einem Zustand der vollkommensten Nüchternheit, die lustigsten Lieder singend, zwischen Lovel und Mandeville nach Penabock.

Man wies ihm das beste Bett an. Viele der Neger kamen und küssten ihm die Hände, vor Freude weinend, dass sie ihn wieder zu sehen bekamen. Morgan hätte in derselben Nacht nur seine Hand auszustrecken gebraucht, und Lovel wäre nebst Mandeville von seinem eigenen Haushalt in Stücke gerissen worden.

Am folgenden Morgen stand Henry frühzeitig auf und wandelte über die einst so geliebten Schauplätze, die, wie man wohl sagen kann, er selbst geschaffen hatte. Überall traf er auf Merkmale der glühendsten Anhänglichkeit. Einige Fragen überzeugten ihn, dass alles zum Verderben ging, denn um die Ausfälle einer schlechten Wirtschaft wieder einzubringen und eine kostspielige Schlemmerei fortführen zu können, wurden die Sklaven, namentlich die Weißen, grausam und über ihre Kräfte angestrengt. Sie alle baten Morgan, er möchte sein Eigentum wieder ankaufen oder ihnen wenigstens Befehl erteilen, den gegenwärtigen Besitzer zu ermorden.

Er brütete tief und schien mit einer großen Idee schwanger zu gehen. Vermutlich war er nicht ganz gleichgültig gegen ihre Vorstellungen. Er brachte in Erfahrung, dass sich eine Weibsperson auf dem Gut befinde, die beträchtlichen Einfluss über Lovel besitze, aber nur selten sichtbar sei. Dies gab für eine Weile dem Strom seiner Gedanken eine andere Richtung.

Nie hat es wohl eine vollendetere Probe der tiefsten Heuchelei gegeben, als diejenige, welche Morgan in seinem Benehmen gegen Lovel an den Tag legte. Höflich und unbefangen schien er alles Frühere vergessen zu haben oder sich dessen nur mit Vergnügen zu erinnern, indem er seinen Feind auf den Glauben brachte, er halte das frühere Benehmen desselben für eine Schickung der Vorsehung, die zu seinem Glück führte, weshalb er ihm nicht grolle, sondern sich eher zum Dank gegen ihn verpflichtet fühle. All dies wusste er so natürlich und fein einzuleiten, dass Lovel der Überzeugung lebte, unser Held habe ihm nicht nur vergeben, sondern beehre ihn auch mit seiner Freundschaft. Zu gleicher Zeit wünschte Mandeville sich selbst Glück, dass er mit unzerbrochenen Gliedmaßen davongekommen war. Nach einem substanziellen Frühstück, bei welchem viel Heiterkeit und noch mehr Herzlichkeit herrschte, wagte es Lovel, Morgan zu bitten, er möchte seinen Aufenthalt bei ihm wählen – eine Einladung, welcher Letzterer mit der Miene der unverhohlsten Freude annahm. Für denselben Tag wurde ein Erwiderungsdiner veranstaltet. Zu Penabock trug alles den Anschein der freundschaftlichsten Gesinnung und des ungetrübtesten Frohsinns.

Der Leser weiß bereits, dass dieser Lovel, der Mann von vielen Namen und vielen Stellungen, nicht nur durchaus ein Schurke, sondern auch im höchsten Grad von eitler Prahlerei aufgebläht war. Wir müssen ihm aber auch noch mitteilen, dass er trotz seines längst zurückgelegten fünfzigsten Lebensjahr ebenso gut ein Schlemmer in seiner Diät als auch ein Lüstling gegen das zartere Geschlecht war. Er hatte zu einem ungeheuren Preis eine schöne Negerin angekauft. Damit man nicht glaube, wir bedienen uns in ihrer Schilderung einer in den Romanen so beliebten Figur, der Hyperbel, so wollen wir die Zeichnung ihres Porträts einem Augenzeugen überlassen, welcher als ein mehr denn sechzigjähriger Mann folgende Beschreibung von ihr gab.

»Eine Negerin von der größten Schönheit und Majestät, die ich nur je an einer Frauensperson sah, Ihre Statur groß und vortrefflich geformt, wohlgebildet, ein volles Auge und eine bewunderungswürdige Anmut. Sie trug auf ihrem Kopf einen Turban von grünem Taft mit Weiß und Philiamort gestreift, darüber einen kunstreichen Schleier, den sie nach Belieben zurückschlug. An ihrem Leib, zunächst der Leinwand, hatte sie ein Kleid von Orangegelb und Himmelblau, nicht in geraden Streifen, sondern wellenförmig, und darüber einen Mantel von purpurroter Seide mit strohfarbiger Zeichnung. Dieser Mantel war groß und mit einem sehr breiten schwarzen Band, dem ein reicher Edelstein zur Zierde diente und über der rechten Schulter in einen Knoten schürzte. Er kam dann unter dem linken Arm hervor, hing lose und nachlässig fast bis auf den Boden. An ihren Beinen trug sie Buskins von gedrehter Seide, mit silbernen Spitzen und Fransen besetzt. Ihre weißledernen Schuhe waren mit himmelblauen Bändern geschnürt, und in ihren Ohren trug sie große Pendelocks, während ihr Hals und ihre Arme von schönen Perlen umgeben waren. Aber ihre Augen waren die reichsten Edelsteine – die größten und orientalischsten, die ich je gesehen habe.

Als ich alle diese Vollkommenheiten an ihr bemerkte, beschloss ich, den Versuch zu machen, ob ich sie nicht überreden könne, dass sie ihre Lippen öffne, teils aus Neugierde, um zu sehen, ob ihre Zähne so schön weiß und rein seien, wie ich hoffte; denn es ist eine allgemeine Ansicht, dass die Neger weiße Zähne haben, obwohl man darin sehr irrt, weil das Weiß gegen das nahe Schwarz nur eben vorteilhafter absticht. Betrachtet man sie näher, so findet man die Zähne, welche in der Ferne von seltenem Weiß zu sein schienen, gelb und schlecht. Weil ich dies wusste, so wurde ich neugierig, und deshalb erkundigte ich mich hauptsächlich; denn es gab nun nur noch ein Ding, was mir an der seltensten schwarzen Schönheit, die ich je gesehen hatte, besonders auffallen konnte. Ich meine ihre Sprache und eine anmutige Zurschaustellung dessen, was ihre Vollkommenheit in allem Übrigen vereinigen und bestätigen sollte. Zu diesem Ende nahm ich einen Gentleman mit mir, der gut Spanisch sprach, und wartete, bis sie herauskam. Dies geschah mit weit größerer Majestät und Anmut, als ich je die Königin von ihrem Prunksessel herabsteigen sah, um auf einem Maskenball im Banketthaus mit einem englischen Baron die Measures zu tanzen. Und in der Tat, hätten ihre Begleiter und Freunde mit anderen Requisiten, (die im Gefolge so vielen Prunks und so großer Schönheit sein sollten) ihr aufgewartet, so würde ich haltgemacht haben und nicht weitergegangen sein. Da ich sie aber nur wenig bedient fand und zugleich in Betracht zog, sie sei nur Mr. Lovels Geliebte und daher zugänglicher, so redete ich sie mithilfe meines Dolmetschers an und sagte ihr, ich habe in England einige Kleinigkeiten aufgefunden, die um ihres Wertes willen zwar ihre Annahme nicht verdienten, da sie aber neu seien, doch einiger Beachtung wert sein dürften, weil sie auch von großen Königinnen Europas getragen würden. Ich bat sie, dieselben der Annahme zu würdigen. Mit vieler Gravität und Zurückhaltung öffnete sie das Papier, aber sobald sie den Inhalt sah, gefielen ihr die Farben so sehr, dass sie ihren Ernst in das lieblichste Lächeln, welches ich nur je gesehen hatte, umwandelte. Dann zeigte sie ihre Perlenreihen so rein, weiß, orientalisch und wohlgeformt, wie Neptuns Hof nie mit etwas Ähnlichem gepflastert war. Und um zu zeigen, ob dies oder das Weiß ihrer Augen weißer oder orientalischer sei, schlug sie Letztere auf und warf mir einen Blick zu, der eine hinreichende Belohnung für ein weit größeres Geschenk gewesen wäre. Dann ließ sie mir sagen, ich solle mich auf etwas besinnen, worin sie mir einen Gefallen tun könne, und ich werde sie bereit und willig finden. Dann schlug sie mit einer anmutigen Verbeugung ihres Halses den Weg zu ihrem Zimmer ein.«

Auf diese Schilderung der darin berührten schwarzen Schönheit kann man sich unbedingt verlassen, und Lovel war in Wirklichkeit der Sklave dieses Weibes; denn obwohl sie den Namen trug, war doch er dem vollen Inhalt des Wortes nach der Geknechtete. Seine Eifersucht war grenzenlos, aber nur Wenigen der zügellosen Pflanzer wurde es je gestattet, sie zu sehen. Sie hieß Zoabinda, obwohl man sie in der Regel nur als »die Mistress« anredete.

Zoabinda konnte damals nur Spanisch sprechen. Ihre Negerzunge hatte sie fast ganz vergessen und Englisch wollte sie nicht lernen. Natürlich mochte Lovel keinen anderen Beschützer als sich selbst in ihre Nähe kommen lassen. Man kann sich denken, dass er sich in diesem Punkt nicht so auszeichnete, wie im Seelenverkauf oder im Bukanierwesen.

Nun, am zweiten Tag seines Aufenthalts zu Penabock war es Morgan gestattet, diese rara avis in terris zu sehen. Aber dies genügte, in ihm schnell den Entschluss zur Reife zu bringen, dass er sie besitzen müsse. Seine Kenntnis der spanischen Sprache war Lovel nützlich, für ihn selbst aber vom größten Vorteil. Morgan warb um Zoabinda für seinen Freund und machte ihr vor den Augen seines Freundes den Hof für eigene Rechnung.

Er brauchte sich nicht viel Mühe zu geben. Die schwarze Schönheit liebte ihn augenblicklich mit all der blinden Wut ihrer leidenschaftlichen Natur. Zu gleicher Zeit gingen ihr aber auch die Augen für die Notwendigkeit eines ausgesucht schlauen Benehmens auf. Je mehr man ihr gestattete, in Morgans Gesellschaft zu sein, desto mehr gab sie sich den Anschein, als liebe sie ihren Gebieter. Dieser war nicht nur zufrieden, sondern auch hoch erfreut und wurde so zu seinem eigenen Glücke getäuscht.

Endlich hatte sich Lovel so weit einlullen lassen, dass er in seinen vermeintlichen Freund und in seine Geliebte das größte Vertrauen setzte. In der Tat fühlte er sich so vollkommen sicher, dass er die beiden allein oft beisammen ließ und sich eines größeren Glückes zu erfreuen schien, als zu irgendeiner Periode seines sehr ereignisvollen Lebens. Morgan musste wohl das kleine Fahrzeug ganz vergessen haben, welches müßig in der Carlisle Bay lag. Er war ganz und gar in Anspruch genommen von den Freuden der Gastlichkeit und von dem süßen Austausch freundschaftlicher Dienstleistungen. Inzwischen hatte er Zoabinda ganz zu seinem Eigentum gemacht und sich dieselbe mit mancher einfachen und unnötigen Förmlichkeit für jetzt und alle Zeit zugeschworen. Die Indianerweiber wissen, wie sie sich opfern müssen.

Alle Teile verharrten einen vollen Monat in dieser trügerischen Windstille. Die benachbarten Pflanzer meinten, Morgan werde sich zuletzt unter ihnen ansiedeln und dadurch ihren Wünschen entsprechen, denn er war allenthalben geschätzt und spielte den Liebenswürdigen zum Wunder gut. Er ging in den Geist ihres ganzen Treibens ein und machte sie, wenn er nicht gerade mit Festlichkeiten beschäftigt war, stets auf Verbesserungen aufmerksam. Man betrachtete ihn als ein Wunder von Heroismus und als das reinste Pröbchen eines guten wohlwollenden Herzens.

Endlich war seine kleine Barke vollständig viktualisiert und sorgfältig für die See hergerichtet. Dies erregte nur wenig Beachtung, denn Morgan hatte einige Winke fallen lassen, dass er eine Lustpartie zu machen wünsche. Die Krise nahte heran.

Morgan hatte eines Tages mit seinem Wirt über ein großes Geheimnis in Betreff der Zuckersiederei gesprochen – ein Geheimnis, welches er den Spaniern abgelernt haben wollte und durch das er imstande sei, aus dem gleichen Material, welches die Nachbarn benutzten, ein Produkt zu liefern, welches den doppelten Marktwert besitze. Zu jener Zeit übertraf der spanische Zucker den von den englischen Pflanzungen bei Weitem, da Letzterer viel gröber und voll von Unreinigkeiten war.

Lovel ging mit aller Gier hierauf ein, und die Nacht wurde festgesetzt, in welcher ihm Morgan das große Geheimnis lehren sollte. Die Mitteilung sollte um Mitternacht stattfinden und niemand dabei zugegen sein, als Lovel und sein Verwalter Mandeville. Morgan hatte einige wunderliche, aber doch wohlfeile Ingredienzien beischaffen lassen und ließ dann Lovel und Mandeville feierlich auf die heiligen Evangelisten schwören, dass sie das Verfahren geheim halten wollten.

Alle Betreffenden sahen der Ankunft dieser wichtigen Nacht mit größter Sehnsucht entgegen. Der verschwenderische Pflanzer hoffte, die Verluste, welche er seiner Schlemmerei und seiner üblen Wirtschaft verdankte, dadurch auszugleichen. Der Sklaventreiber dagegen meinte, es dürfte sich ihm bald eine schöne Gelegenheit bieten, durch ein Brechen seines Eides zu Vermögen zu kommen. Und Morgan – möge ihm Gott seine Hoffnungen und Handlungen vergeben!

Genau um Mitternacht begaben sie sich mit Lichtern zum Siedhaus. Morgan nahm mehrere Substanzen mit sich, darunter namentlich eine Flüssigkeit in einer großen Flasche. Sie standen am Rand eines großen, in Mauerwerk eingesenkten, fast zwölf Fuß tiefen Kessels von entsprechendem Umfang, in welchen sie vermittelst einer kleinen Leiter hinuntersteigen. Auf dem Boden angelangt, verteilte Morgan mit großer Aufmerksamkeit auf die Ordnun zwei oder drei Schichten Salz, Alaun und Pottasche, sprach sehr gelehrt von den wunderbaren Wirkungen, welche sie auf die Reinigung des Zuckers und Erhöhung der Süßigkeit üben, und begann dann zu zweifeln, ob er nicht übereilt gehandelt habe, indem er so willfährig sein Geheimnis zwei Personen mitteile, die vielleicht bald miteinander Händel kriegen, ihrem Eid zum Trotz das Geheimnis verraten, sich trennen und dadurch Anlass geben, dass der eine mehr Vorteil daraus ziehen als der andere.

Hierauf umarmten sich die beiden Freund Lovel und Mandeville und schworen sich gegenseitig ewige, wandellose Treue zu. Morgan war darüber hoch entzückt und forderte sie noch weiter auf, zu beteuern, dass sie freudig füreinander sterben wollten, sollte einem von ihnen je das Ansinnen gemacht werden, dieses Opfer für den anderen zu bringen. Den Eid, welcher allem die Krone aufsetzen sollte, wurde geschworen, und Morgan drückte seine Zufriedenheit aus. Dann stieg er rasch die Leiter hinauf, zog sie nach und ließ die beiden im Kessel drunten.

Wir halten uns kaum für gerechtfertigt, das zu berichten, was der Sage nach nun folgte. Der Bericht stammt aus einer zweifelhaften und boshaften Quelle – aus einem Zeugnis, das bei der Untersuchung entweder nicht abgelegt oder doch unterdrückt wurde. Allerdings hat die Sache teilweise große Wahrscheinlichkeit für sich, wenn man Morgans bekannte Rachsucht und die unverzeihlichen Kränkungen und Benachteiligungen, mit denen er sowohl von Lovel als auch von Mandeville überhäuft worden war, ins Auge fasst. Unser Gewährsmann ist ein weißer Sklave, welcher aussagt, er habe sich selbige Nacht im Siedhaus verborgen, weil seine eigene Hütte so gar unbequem gewesen sei. Seinem Bericht entnehmen wir nachstehenden Vorgang.

Morgan blickte auf sie hinunter, brach in ein wildes Freudengelächter aus und redete in seinem grimmigen Triumph einige Zeit so unzusammenhängend, dass die armen Elenden in dem Kessel eine geraume Weile nicht glauben konnten, es sei ihm wirklich Ernst.

»Schurke, Memme, Blutsauger, schau auf, ich bin es … Henry Morgan, der dich jetzt verhöhnt. Meine Zeit ist gekommen und auch die eurige, ihr elenden verächtlichen Wichte! Einer von euch wird lebendig gesotten … ein Opfer soll mich zufriedenstellen … nur ein einziges … merkt euch dies … Morgen, ehe der Überlebende befreit wird, werde ich in meinem schnellsegelnden Schoner diesen verhassten Platz weit im Rücken haben. Wer ist derjenige, welcher gesotten werden soll? Vereinigt euch darüber … ihr seid ein paar lieben Freunde … wer will für den Andern sterben? Ich will die Leiter niederlassen … macht nicht allzuviel Umstände darüber, welcher von euch die Ehre und das Vergnügen haben soll, für den anderen zu sterben … aber beeilen müsst ihr euch. Zoabinda, Zoabinda, einige weitere Eimer Rohrbrühe … jedenfalls wird einer von euch einen süßen Tod sterben … süß in jedem Betracht … ist es nicht süß, für einen Freund das Leben zu opfern? Was sagt Ihr, van Vagardo, Sir Paul? Was sagst du, Geißel der ehrlichen Menschheit, klapperdürrer Mandeville?«

»Habt Mitleid … habt Erbarmen … um Eures Erlösers willen, erbarmt Euch!«, rief Mandeville.

»Bei der Mutter, die Euch gebar, habt Erbarmen«, stimmte Lovel ein.

Nun erschien Zeobinda mit einem sehr lieblichen Grinsen über der Ziegelmauer, schaute hinunter und goss auf die dem Verderben geweihten Elenden Eimer um Eimer Rohrbrühe, bis sie fast an die Knie in der süßen Flüssigkeit standen.

Während die Verurteilten heulten, beteten und weinten, fuhr Morgan fort, ihre Todesangst zu verhöhnen und erinnerte Vagardo an die verschiedenen Vorfälle der Vergangenheit.

»Mandeville«, sagte er, »kannst du diese Narbe auf meiner Stirn sehen? Das Licht ist zureichend. Blicke auf, Mensch! Es wird das letzte Mal sein, denn ich bin überzeugt, es wird dir eine Freude machen, für deinen teuren Freund und Gönner zu sterben.«

»O nein, nein, er ist ein kaltblütiger, herzloser Schurke.«

»Wie mögt Ihr auch so sprechen, Mister Mandeville? Welch ein Lügner müsst Ihr sein! Na, ich sehe schon, alle Tugend und aller Heldenmut muss sich in der Brust dieses tapferen Ritters konzentriren. Er wird Euch überbieten und für Euch sterben, obwohl Ihr ihn geschmäht habt.«

»Der schmutzige Elende! Süßer, angenehmer Henry Morgan, nehmt mein halbes Besitztum und lasst diesen gemeinen Sklavenvogt sterben! Wir haben viele angenehme Tage miteinander verlebt, mein teurer Freund, und noch viele können folgen.«

»Na, das halbe Besitztum ist schon etwas, aber Ihr werdet alt, und es ist Zeit, dass Ihr Euch für das Grab vorbereitet. Tut Eure Sünden von Euch … gebt mir die herrliche Zoabinda.«

»Von Herzen gern, rettet mich nur aus dieser Not.«

»Hörst du? Verstehst du dies, Zoe?«, fragte Morgan.

Sie verstand es vollkommen und goss ihre Verachtung gegen ihren Gebieter in einem neuen Eimer voll Brühe aus, den sie ihm über den Kopf schüttete.

»Ich hatte einen teuren Freund, einen gewissen Joseph Bradley. Kennst du ihn, du falscher Lovel? Er beredete mich, wenn ich dich in meine Gewalt bekäme, dir mit dem Schwert in der Hand ehrenhaft gegenüberzutreten. So schwöre ich dir denn jetzt: Wenn dein spitzbübischer Verwalter statt deiner in dem Kessel kocht und dir

die Leiter ablässt, so will ich dir einen Säbel in die Hand geben und dich, obwohl du ein Schurke bist, wie einen Gentleman erschlagen. Es geschieht um des armen Harfnerssohnes willen, der mit Herz und Seele ein Gentleman ist.«

»Lasst mich hinauf, guter Mr. Lovel«, sagte Mr. Mandeville, »Euer Tod ist gewiss, mein teurer Gebieter. Ich kann vielleicht … entkommen.«

Statt aller Antwort packte Lovel seinen Diener an der Kehle, und es folgte nun ein ungestümer Kampf.

»Zünde das Feuer an, Zoabinda«, sagte Morgan mit entzücktem Kichern.

Sie gehorchte auf das Bereitwilligste. Als die Flüssigkeit warm zu werden begann, ließ er die Leiter nieder, und nun folgte ein schaudervoller Kampf unter den beiden Elenden, in dessen Verlauf die Flüssigkeit immer heißer und unerträglicher wurde. Es war ein verzweifeltes Ringen, und sobald einer die erste Leitersprosse erreichte, wurde er vom anderen wieder in das heiße Nass heruntergerissen. Sie schrien laut hinaus in wahnsinnigem Schmerz, zerrauften einander das Haar und bissen sich wie gefräßige Wölfe. Als endlich die Flüssigkeit zu sieden und das Fleisch sich in Massen von ihren Beinen abzulösen begann, wurde der Kampf eigentlich teuflisch. Es war im höchsten Grad grässlich, auf die Szene niederzuschauen, aber doch sah Morgan zu, und freute sich – ja, und mit Schauder müssen wir berichten, bei Zoabinda war es dergleiche Fall.

Die Leiter hing noch immer in den Kessel hinunter, aber der Dampf beraubte die tollen Ringer bald ihrer Besinnung. Ihr Geächze und Geschrei wurde immer schwächer, bis endlich beide zusammenbrachen und in gegenseitiger Umarmung starben.

»Keiner wollte sich für den anderen zum Opfer bringen, und so sind jetzt beide liebend miteinander gestorben«, sagte Morgan ruhig. »Das Feuer wird von selbst auslöschen. Komm Zoe, lass uns zu Bett gehen, und mögen wir nicht den Tod dieser Schändlichen sterben!«

Die Leiter wurde im Kessel gelassen. Das Feuer erlosch allmählich, und Morgan schloss sorgfältig die Türen des Siedhauses.

Als sie sich nach Penabock zurückbegaben, bemerkte Letzterer bloß, Sir Paul sei sein ganzes Leben über in heißem Wasser gewesen und jetzt sehr passend in heißem Zucker gestorben.

Am anderen Tag wurden die gesottenen Leichen der beiden Opfer aufgefunden. Morgan stellte sich sehr erschüttert. Zoabinda verfiel augenblicklich in eine höchst gefährliche Krankheit, und allenthalben verbereite sich Bestürzung und Freude über dieses schreckliche Ende. Die Leichen wurden einer Untersuchung unterworfen. Da sich keine Beweise ermitteln ließen, wie sie also ihren Tod gefunden hatten – man fand nämlich die Türen fest von innen verschlossen, und Morgan gab an, er habe den Verunglückten ein wichtiges chemisches Geheimnis in Betreff der Zuckerreinigung mitgeteilt – so kam die Jury zum Schluss, Lovel und Maudeville hätten sich eingeschlossen, seien aber in ihrer Hast oder von den Dünsten des Präparats betäubt, in den Kessel gefallen und dasselbst zugrunde gegangen. Letzteres war die allgemeine Ansicht, da man die Leiter fest an ihrem Ort stehen sah. Das Verdikt wurde daher auf zufälligen Tod infolge von Erstickung erlassen. Der Kessel aber, weil er seinen Gebieter getötet hatte, mit meinem Deodand von fünfhundert Pfunden belegt. Man erhob diese Strafe vom Besitztum und ließ sie den Gerichtsdienern der Insel zugutekommen.

Dieses ehrenhafte und weise Verdikt hinderte nicht, dass bald danach sehr seltsame Gerüchte in Umlauf kamen, ohne dass sich übrigens jemand viel darum kümmerte, denn männiglich war eben damals mit dem Verkauf von Lovels Pflanzung, Sklaven und Eigentum im Interesse seiner Erben beschäftigt.

Nachdem Lovels Beerdigungskosten bestritten und seine Schulden bezahlt waren, blieben noch drei Pfund, vierzehn Schillinge und drei Pence Courant für seinen Erben übrig, wenn immer derselbe seine Ansprüche geltend machen mochte. Man muss gestehen, dass seine Nachbarn gute Käufe machten und viel zu höflich waren, einander hinaufzusteigern.

Man glaubte, Morgan werde das Ganze ankaufen, denn er hätte es für einen von ihm selbst bestimmten Preis haben können. Die Erinnerung an den hingeschiedenen Freund war ihm übrigens zu schmerzlich, als dass er sich im Besitz von dessen Verlassenheit hätte glücklich fühlen können, weshalb er sich damit begnügte, nur die kranke, sterbende Zoabinda anzukaufen, welche er für einige Dollar erstand, da die Ärzte sie bereits aufgegeben hatten. Es stellte sich indessen heraus, dass er eine sehr gute Spekulation gemacht hatte, denn sie befand sich kaum an Bord seines kleinen Fahrzeugs in der Carlisle Bay, als sie sich überraschend schnell wieder erholte.

Morgan hatte jetzt nichts mehr auf der Insel zu tun, als an dem Abschiedsmahl teilzunehmen, das ihm der Gouverneur, der Rat und einige der vornehmsten Einwohner gaben. Ehe er ihnen Lebewohl sagte, empfahl er ihnen mit Tränen in den Augen, dem Andenken an die Tugenden seines teuren hingeschiedenen Freundes ein Marmormonument zu errichten. Sie würden auch ohne Zweifeleine Subskription eröffnet haben, wenn sie nicht so arm gewesen wären. So aber drückten sie eben dem Scheidenden die Hand und blieben wohlgemut beisammen, um sich mit einem Hazardspiel, bei welchem der Einsatz in ganzen Talerrollen bestand, zu vergnügen.