Felicitas Mayall – Nacht der Stachelschweine
Felicitas Mayall – Nacht der Stachelschweine
Laura Gottberg ist Hauptkommissarin bei der Münchener Kripo. Sie ist geschieden und hat zwei Kinder großgezogen, Sofia und Luca, die aber beide noch längere Zeit bei ihr wohnen werden. Sie ist Tochter eines deutschen Vaters und einer italienischen Mutter, die bereits verstorben ist.
Ihr Vater ist dabei, dement zu werden, was ihr Leben nicht gerade einfacher macht. Er bekommt Essen auf Rädern und ruft sie ständig auf ihrem Handy an, auch wenn sie gerade beruflich unterwegs ist.
Laura und ihr Kollege, Peter Baumann, bekommen zunächst die Meldung, dass man eine Tote in der Isar gefunden hat. Wenn es sich um Fremdverschulden handelt, sind sie zuständig und müssen ermitteln.
Als Laura sich gerade mit ihrer Familie beschäftigen muss, ruft ihr Chef an, ein unbequemer Zeitgenosse namens Becker, der sich hochgedient hat, nur mit Verwaltungsarbeit vertraut ist und sie ständig unter Druck setzt. Laura geht zunächst nicht ans Telefon und lässt ihn auf Band sprechen. Spät am Abend ruft sie ihn zurück.
Der Kriminaloberrat hat ein Hilfeersuchen der Polizei in Siena bekommen. Es geht dabei um eine tote junge Frau aus München, Carolin Wolf, die man dort in der Gegend gefunden hat und die Mitglied einer Gruppe von Deutschen war, die in einem ehemaligen Kloster in der Nähe eine Weile leben und dort unter der Leitung der Therapeutin Katharina Sternheim eine Selbsterfahrungsgruppe gründet haben.
Die italienische Polizei bittet darum, dass ihr die Münchener statt eines Dolmetschers einen Kollegen oder eine Kollegin schicken, der oder die Deutsch und Italienisch spricht. Becker hat sofort an Laura gedacht, die beide Sprachen wegen ihrer Eltern fließend sprechen kann und befiehlt ihr, in die Toskana zu reisen.
Sie ist zunächst sauer, weil sie ihren Vater nicht lange allein lassen kann und auch ihre beiden Kinder noch minderjährig sind. Aber sie ist findig. Sie schickt ihre Kinder zu deren Vater und bittet ihren Kollegen Baumann, nach ihrem Vater zu sehen.
Bevor sie in die Toskana fliegt, erfährt sie noch, dass die Tote in München offenbar in die Isar gestoßen wurde. Außerdem hat sie gleich das nächste Problem. Ihr Kollege Baumann hat sich wohl in sie verliebt und führt sich deshalb ziemlich blöd auf, was sie im Moment gar nicht gebrauchen kann.
Sie besuchen gemeinsam das Elternhaus der in der Toskana getöteten Deutschen und überbringen den Eltern, die nun völlig fertig sind, die schlimme Nachricht. Das Elternhaus und auch das junge Opfer erscheinen den Ermittlern zunächst als merkwürdig.
Am Ende kann Laura endlich in die Toskana fliegen und trifft dort auf einen gut aussehenden und sehr netten Commissario namens Angelo Guerrini. Gemeinsam setzen sie ihre Ermittlungen fort.
Felicitas Mayalls Kriminalroman spielt zwar teilweise auch in München, die Ermittlungen werden aber zum überwiegenden Teil in der Toskana durchgeführt. Dabei beschreibt die Autorin die italienische Region mit Liebe und Verbundenheit, und der Leser bemerkt sehr deutlich ihre Freundschaft zu diesem Land und seinen Leuten.
Die Charaktere, die in ihrer Geschichte beschrieben werden, kann man ein bisschen in nette und weniger nette Zeitgenossen aufteilen. Neben der Liebe zu der Familie der Hauptperson und den toskanischen Bauern sowie für den weltoffenen, klugen und gebildeten Teil der italienischen Polizei kann man Hass gegenüber faschistisch angehauchten Polizisten, ambivalente Gefühle gegenüber der ein wenig sektiererischen Psychogruppe der deutschen Touristen und Verachtung gegenüber eitlen, machtbesessenen und Druck ausübenden Vorgesetzten beobachten.
Aber die Geschichte lebt geradezu von der Verschiedenheit und Differenziertheit der Personen, und gegenüber der psychologisch sehr guten Beschreibung der Charaktere und der Kommunikation unter ihnen tritt die eigentliche Kriminalgeschichte meiner Meinung nach deutlich in den Hintergrund.
Allein die detaillierte Beschreibung der Abläufe in der Selbsterfahrungsgruppe und die ebenso differenzierte Sicht auf einen geistig behinderten Charakter, der in Mordverdacht gerät und dem man übel mitspielt, könnten schon ein ganzes Buch füllen. Auch die beschriebene Liebesgeschichte bietet keine einfache Kost, sondern echte Gefühle und natürlich auch eine gewisse Tragik.
So bleibt am Ende die Empfindung, mit Nacht der Stachelschweine einen sehr intensiven psychologischen Roman mit sehr interessanten, differenzierten Persönlichkeiten gelesen zu haben, der zusätzlich eine Kriminalgeschichte bietet, die aber eher am Rande stattfindet.
Fazit:
Felicitas Mayalls Roman Nacht der Stachelschweine ist eine Liebeserklärung an die Toskana und ihre Bewohner und an die Liebe selbst. Auf der anderen Seite werden aber faschistoide Züge bei der Polizei und Größenwahn von Vorgesetzten negativ beurteilt und eine Selbsterfahrungsgruppe kritisch hinterfragt.
Die Geschichte ist in erster Linie ein guter psychologischer Roman und erst in zweiter Linie ein Krimi, sodass ich das Buch dem Leser empfehlen möchte, der beides in genau dieser Reihenfolge zu schätzen weiß.
Felicitas Mayall hieß eigentlich Barbara Felizitas Veit-Mayall, wurde 1947 in München geboren und starb im Juli 2016. Sie war Journalistin bei der Süddeutschen Zeitung und Schriftstellerin.
Die Autorin wuchs in Wiesbaden und Hamburg auf, studierte Politik und Zeitungswissenschaften und absolvierte die Deutsche Journalistenschule in München. Nach schriftstellerischen Erfolgen widmete sie sich ab 1978 nur noch dem Schreiben von Belletristik und Sachbüchern. Kinder- und Jugendbücher sowie einen Teil der Sachbücher veröffentlichte sie unter ihrem Geburtsnamen Barbara Felizitas Veit, Kriminalromane und andere Sachbücher unter ihrem Pseudonym.
Sie bekam zwei Söhne. 1995 heiratete sie den Australier Paul Mayall und lebte danach abwechselnd in Australien und am Chiemsee. Mehr als 25 Jahre ihres Lebens aber verbrachte sie in München-Haidhausen.
Sie starb im Alter von nur 68 Jahren nach schwerer Krankheit.
Quellen:
- Felicitas Mayall, Nacht der Stachelschweine, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg, 19. Auflage, Januar 2015.
- de.wikipedia .org
- www.rowohlt.de
Bilder:
- Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung des Rowohlt Verlags.
- Foto der Autorin. Copyright: Paul Mayall. Ebenfalls mit freundlicher Genehmigung des Rowohlt Verlags.
(ww)