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Interessante Abenteuer unter den Indianern 85

Interessante-Abenteuer-unter-den-IndianernJohn Frost
Interessante Abenteuer unter den Indianern
Erzählungen der merkwürdigsten Begebenheiten in den ersten indianischen Kriegen sowie auch Ereignisse während der neueren indianischen Feindseligkeiten in Mexiko und Texas

Tanz der Chippewa

Die Unmöglichkeit, den Charakter und die Gebräuche der Indianer zu studieren, wo sie eigentlich studiert werden sollten, nämlich in den Wildnissen ihres Geburtslandes, müssen der richtigen Darstellung derselben stets hindernd in den Weg treten. Es war ein edler Gedanke unseres Landmannes, des Herrn Catlin, jene teilweisen und mageren Berichte zu verwerfen, welche während seiner Jugend in Bezug auf unsere Ureinwohner im Umlauf waren, und sich zu entschließen, den Indianer in seinem eigenen Element, umgeben von den mächtigen Werken der Natur, denen er besonders angehört, zu erblicken. Er hatte den Indianer im zivilisierten Leben als einen einzeln stehenden, entarteten Wanderer kennengelernt, ohne Vaterland, ohne Heimat und ohne Freund. Seine Hand war gegen jedermann erhoben, und jedermanns Hand richtete sich gegen ihn. Er reiste zu den Steppen des Westens. Dort war der Indianer ein anderes Wesen, der Herr der Schöpfung, der Abkömmling eines Geschlechtes von Helden, mit welchen die Helden Homers und Tassos nicht zu vergleichen waren; der Kämpfer, welcher Taten ausführte, vor welchen der Weiße schaudern würde. Dort, unter neuen Gesetzen und erhabenen Naturszenen ist der Indianer der zivilisierte Mann und der Europäer der wandernde und trostlose Verstoßene. Aus diesem Grund ist Herrn Catlins Buch unter allen Büchern über die Indianer das unterhaltendste und belehrendste. Er führt darin auf das Bestimmteste an, dass der Indianer ein Mensch ist wie alle anderen, dass ihn Neigungen und Gefühle gleich uns beseelen, dass er Liebe für seine Freunde, Dankbarkeit für empfangene Wohltaten und Sympathie für Güte geradeso wie andere Menschen entfaltet. Der Herausgeber ging unter viele zahlreiche Stämme, von welchen einige noch an den Beleidigungen litten, die ihnen zugefügt worden waren. Er war nicht mit Büchse und Skalpiermesser, sondern mit einer Palette bewaffnet. Er liebte den indianischen Charakter, er betrauerte ihr kommendes Geschick und erschien unter ihren Stämmen als ein Freund. Als ein Freund wurde er von ihnen bewillkommnet. Der Unterschied der Farbe und das Andenken erlittener Beleidigungen war vergessen. Der weiße Mann wurde in jeden Wigwam gelassen, nahm an jeder Jagd und an jeder Zeremonie teil. Er wurde sogar zum Medizinmann erhoben und zu den größten zeremoniellen Feierlichkeiten zugelassen. Können wir uns wundern, dass er die armen Indianer lieben lernte und dass seine Erzählung uns zwingt, sie ebenfalls zu lieben?

Bei seiner Rückkehr in die östlichen Staaten zeigte Herr Catlin seine Galerie von indianischen Gemälden in New York. Danach ging er damit nach London. Während er sich dort aufhielt, wurde er von einer Gruppe von Chippewa, welcher kurz darauf eine Gruppe von Iowa folgte. Sie wurden sämtlich in dem nämlichen Gebäude zusammen mit seiner indianischen Gemäldegalerie zur Schau gestellt. Es wurden ihnen von allen Klassen des englischen Volkes die größten Gunstbezeugungen bewiesen. Während der Vorstellungen gaben sie den Weißen Gelegenheit, Dinge zu sehen, und wir können hinzufügen, verschiedenerlei Geräusche zu hören, welche ihre Vorväter weder gesehen noch gehört hatten. Ihre Darstellungen waren wahrhaft indianisch und belehrten die Zuschauer mehr über den eigentlichen Charakter der Indianer an einem Abend, als dies sämtliche Bücher im Königreich imstande gewesen wären, Herrn Catlins Buch jedoch ausgenommen.

Einige von ihren Vorstellungen, zusammen mit den sie begleitenden Vorfällen, waren ebenso belustigend wie belehrend.

Das Folgende ist Catlins Bericht von ihrem ersten Auftreten im Exchange-Gebäude zu Manchester.

Am Abend, an welchem sie unseren Anzeigen zufolge in meinem Vorstellungslokal zuerst auftreten sollten, waren die Säle schon früh gefüllt. Wir waren genötigt, die Türen zu schließen. Ich hatte in der Mitte meines Saales eine starke Plattform errichtet, auf welcher die Indianer ihre Tänze ausführen sollten. Obwohl ich alle Stühle aus dem Saal hatte bringen lassen, so war doch jeder Platz so dicht voll Menschen gedrängt, als Männer, Frauen und Kinder sich möglicherweise gruppieren konnten. Mitten durch diese gedrängte Masse stürzten die Indianer, in indianischen Gliedern, Schild, Bogen und Köcher um sich geschlungen, mit Kriegskeulen und Tomahawks in den Händen, indem sie das schreckliche Kriegsgeschrei anstimmten und sich bestrebten, die Plattform zu erreichen. Dies erschreckte die Masse, welche unter Gekreische und Geschrei, das beinahe so schrecklich war, als das der Indianer, Platz machte. Die Indianer gewannen auf diese Weise bald einen Zugang zur Plattform, auf welche sie sprangen, ohne zu den Treppen zu blicken, welche für sie hingestellt waren, und standen in Lebensgröße vor der staunenden, gaffenden Menge. In einem Augenblick hatten sie sich gesetzt und ließen die Pfeife herumgehen, während ich sie vorstellte und die verschiedenen Gebräuche, welche sie der Versammlung anschaulich machen sollten, durch eine kurze Vorlesung erläuterte.

Ich beschrieb das Land und den Stamm, zu welchem sie gehörten, sowie den Grund, aus welchem sie über den Atlantik gekommen waren. Ich drückte der Versammlung gleichfalls das Vergnügen ans, welches ich empfand, darüber, dass die Gelegenheit sich mir jetzt böte, viele meiner Angaben, welche ich früher über das Aussehen und die Gebräuche dieses Volkes gemacht hatte, bestätigt zu sehen, von welchen ich vollständig überzeugt war, dass sie schwer zu verstehen seien.

Nachdem ich dies getan hatte, sagte ich der Versammlung, dass ich es den Indianern nun überlassen würde, sie mit solchen Tänzen und Belustigungen zu unterhalten, auf welche dieselben verfallen würden, und dass ich mich bemühen würde, jede Belustigung, wie sie sie gaben, zu erklären, wozu ich mich hinreichend befähigt fühlte, da ich mich acht Jahre lang unter den verschiedenen Stämmen in Amerika aufgehalten hatte. Ein Sturm von Beifall erhob sich beim Schluss meiner Bemerkungen, und die große Ungeduld wurde von allen Seiten an den Tag gelegt, den Anfang der seltsamen Gaukeleien zu sehen, welche eben dargestellt werden sollten. In diesem Augenblick sprangen die Männer unter plötzlichem Geschrei alle auf ihre Füße. Sie schwangen ihre Waffen und warfen ihre Büffelhäute ab, während die Frauen und Kinder sich ans Ende der Plattform setzten. Ein anderer gellender Schrei des Kriegsrufs erfolgte, der Mediziner oder Doktor schlug die Trommel und begann den Kriegsgesang zu singen, und im Nu begannen sämtliche Indianer zu tanzen. Als sie plötzlich inne hielten, um etwas auszuruhen, erhob sich ein ungeheures Beifallsgebrüll, was den armen Menschen bewies, dass sie es gut getroffen hatten und mit großer Güte und mit vielem Interesse vom Publikum gesehen wurden. Dies feuerte sie an, den Tanz mit Lebhaftigkeit zu beenden. Als dies geschehen war, setzten sie sich einige Augenblicke nieder, um auszuruhen, und Hunderte taten sich etwas darauf zugute, sich um die Indianer zu drängen und ihnen die Hände zu reichen. Nur mit großer Schwierigkeit konnte ich die Versammlung dazu bringen, meine Erläuterungen des Kriegstanzes, dessen Bedeutung sowie den Zweck und den Charakter des Kriegsgeschreis, welchen sie eben gehört hatten, anzuhören. Endlich brachte ich sie damit zur Ruhe, dass ich eine weitere Anzahl von Tänzen und andere Belustigungen versprach, die ich sämtlich durch meine Erläuterungen belehrend machen würde und dass ich allen, selbst denen im hintersten Teil des Saales Gelegenheit geben würde, den Indianern die Hände zu reichen, sobald die Belustigungen zu Ende sein würden.

Nachdem meine Erklärungen vorüber waren und sie ihre Pfeife ausgeraucht hatten, erhoben sie sich und gaben den sogenannten Wa-be-no-Tanz zum Besten. Wa-be-no heißt in der Chippewa-Sprache Geheimnis, und ihr Geheimnistanz ist einer ihrer gewähltesten Tänze, der bloß bei geheimnisvollen Festen oder zur Erreichung einer geheimnisvollen Absicht aufgeführt wird. Dieser Tanz ist belustigend und grotesk und veranlasst viel Fröhlichkeit bei der Versammlung. Ich erklärte die Bedeutung desselben gleichfalls. Hierauf gaben die Indianer einige überraschende Darstellungen ihrer Art und Weise, den Ball, mit ihren Ballstöcken in der Hand zu werfen und zu fangen, wie sie dies in ihrer Lieblingsunterhaltung, dem Ballspiel, zu tun gewohnt sind. Die erstaunliche Geschwindigkeit, mit welcher sie den Ball werfen und in ihre Köcher auffangen, erregte ungeheuren Beifall. Hierauf stellten sie den Skalpier-Tanz dar, welcher aufgeführt wird, nachdem eine Abteilung von Kriegern heimkehrt und die Kopfhäute ihrer Feinde, welche als Siegestrophäen aufbewahrt werden, mitbringt. In diesem Tanz halten die Frauen, welche die Mitte einnehmen, die Kopfhäute, die an den Spitzen von kleinen Stangen befestigt sind, in die Höhe, während die Männer, die aus dem Krieg heimgekehrt sind, ihre Waffen schwingen, mit den Zähnen knirschen und den Kriegsruf in den höchsten Tönen, die sie hervorzubringen imstande sind, ausstoßen. Am Schluss dieses erschrecklichen Tanzes, welcher gerade die Spannung der aufgeregten Menge zu befriedigen schien, erhob sich ein ungeheurer Beifallssturm. Mitten im Getöse nahm ein alter Herr eine wunderschöne silberne Tabakdose von getriebener Arbeit aus der Tasche, überreichte sie mir, bat mich, sie dem alten Häuptling zu geben und ihm zu sagen, er möge seinen Tabak darin aufbewahren. Ich übergab sie dem alten Mann, und da derselbe gesehen hatte, von wem das Geschenk gekommen, sprang er auf, als ob er ein Knabe gewesen wäre, streckte seine Hand aus und ergriff, über die Köpfe der Menge hinweg die Hand des ehrwürdigen alten Herrn, welcher ihm sagte, dass es ihn freue, ihn zu sehen und ihm dieses kleine Geschenk zum Andenken überreichen könne!

Der alte Häuptling richtete sich hoch in die Höhe, stellte sich breit auf die Plattform hin, warf seine Büffelhaut über die linke Schulter, zog dieselbe unter dem Arme durch, sie mit der linken Hand haltend und begann mit dem freundlichsten Lächeln, während er die Dose einen Augenblick lang auf allen Seiten betrachtete und sie dann in die linke Hand nahm, folgende Worte zu sprechen: »Meine Freunde! Obwohl ich alt bin, danke ich doch dem großen Geist, dass er mir Kraft gibt, einige Worte zu euch zu sprechen. Sein Auge wachte über uns, als wir auf dem großen Salzsee waren, und er hat uns sicher hierher gebracht, wofür wir alle dankbar sind. Er hat euch alle bewogen, heute Abend hierher zu kommen und so gütig uns gegenüber zu sein, denn wir hatten nichts getan, um euch zum Kommen zu veranlassen. Wir haben schon vor langer Zeit von den Sag-a-noshes gehört, und wir sind gespannt gewesen, zu kommen und sie zu sehen. Wir haben für sie und mit ihnen gefochten, und unsere Väter und Brüder haben für sie geblutet. Es sind viele Sag-a-noshes unter uns, und wir lieben sie. Der große Geist hat auf unser Unternehmen herab gelächelt und hat die Hand meines Bruders geführt, mir dieses Geschenk zu machen. Meine Freunde, mein Herz ist warm und ich bin dankbar. Wir haben jetzt unsere Tänze und Gesänge beendet und bieten euch die Hand in Freundschaft.«

Nun folgte aus allen Teilen des Saales ein Andrang zur Plattform, jedermann wünschte den Indianern die Hände zu reichen, welche sich zu diesem Zweck vorn auf der Plattform niedergesetzt hatten.

Diese Begrüßungen dauerten eine halbe Stunde lang und waren außerordentlich warm. Um sie desto eindringlicher zu machen, drückten verschiedene Personen den Indianern wert volle Schmucksachen und Geld in die Hände, welches sie mit Dank annahmen.

Während der Vorstellung des zweiten Abends trug sich eine äußerst lächerliche Szene zwischen den Indianern und dem aus dem schönen Geschlecht bestehenden Teil der Versammlung zu. Den Lesern im Allgemeinen dürfte die Erzählung derselben vielleicht viel Vergnügen gewähren; der denkende Teil der Leser jedoch wird vielleicht daraus ersehen, dass der indianische Charakter nicht ganz so stoisch und dem Vergnügen wie dem Schmerz gleich unzugänglich ist, als er von vielen bisher geschildert wurde.

Das Zimmer war lange vor dem Erscheinen der Indianer gefüllt. Mitten im Geschrei und in der Verwirrung der Beifallsbezeugungen hörte man vom Ende des Saales den Ruf: »Lasst einige von ihnen hierher kommen. Wir können nicht zu ihnen gelangen. Wir können nicht sagen, ob sie sich bloß in ihrer eigenen Haut oder in fleischfarbenen Kleidern befinden.«

Eine Andere rief aus: »Lasst den hübschen Jungen hierher kommen (sie meinte Samah, der ein sehr hübscher junger Mensch war). Hier ist eine Dame, welche ihn zu küssen wünscht.«

Als ihm dies verdolmetscht wurde, sprang er mitten in den Haufen, als ob er sich in einen Strom stürzen wolle, den er zu durchwaten gedachte, drängte sich durch denselben und hatte seine nackten Arme um ihren Hals geschlungen und sie geküsst, ehe man Zeit zu weiteren Auseinandersetzungen hatte. Die Aufregung, das Geschrei und das Gelächter unter den Frauenzimmern in jenem Teil des Saales machte das Küssen zur Mode, und jede, welche ihre Hände auf seinen Arm oder seine nackten Schultern legte, – und dies taten nicht Wenige – bekam einen Kuss, stieß einen Schrei aus, machte ihm eine Brosche, einen Ring oder sonst ein Andenken zum Geschenk und ging mit einem Streifen von roter Farbe auf dem Gesicht und vielleicht mit einem oder zwei schwarzen oder grünen Flecken auf ihrem Kleid nach Hause. Der galante kleine Geselle drängte sich durch diesen dichten Haufen, Alt und Jung nach allen Seiten hin küssend und kehrte dann zur Plattform zurück, von wo aus er seine Trophäen mit viel Befriedigung zeigte.

Ich hielt es für meine Pflicht, ihn für sein rohes Benehmen zu tadeln, und sagte ihm, dass es nicht passend sei, unter so vielen Leuten die Damen zu küssen, worauf er erwiderte, dass er wüsste, was er zu tun habe.

»Die weißen Damen sind sehr hübsch und sehr süß, und ich gab nur denen meine Küsse, welche sie verlangten.«

Die Antwort im ganzen Haus lautete, dass der gute kleine Mensch recht gehabt und durchaus nichts Unrechtes begangen habe.

Eine Stimme rief: »Nichts Unrechtes, in der Tat; ich küsse ihn noch einmal, den charmanten kleinen Menschen, wenn er herunterkommen will.«

Er war eben im Begriff hinabzuspringen, als Kadotte, der Dolmetscher, ihn beim Arm ergriff und zu seiner Gruppe zurückführte.