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Jacob von Molay, der letzte Templer 37

Franz Theodor Wangenheim
Jacob von Molay, der letzte Templer
Dritter Teil
König Philipp
Verlag von Joh. Fr. Hammerich, Altona, 1838

Zwölftes Kapitel

Im Tempel zu Paris im Audienzsaal harrte man schon lange des Königs. Von allen Rittern und Hofleuten unterschieden sich neue fremde Gesichter. Niemand wusste, woher sie kamen. Wilhelm von Nogaret, der Glaubensinquisitor und ein Greis, im nicht glänzenden Kleid, diese drei allein waren um sie beschäftigt. Ihre Anzüge verkündeten jedoch, dass sie Hospitaliter waren. Die Ungeduld war ihren Gesichtern eingeprägt, denn niemals noch hatten sie in einer Audienz so lange warten müssen. Mit den gleichgültigsten Dingen zwar suchten Nogaret und Wilhelm von Paris sie hinzuhalten; doch vergebene Mühe. Die Ritter kamen immer auf den Hauptgegenstand zurück und sprachen von Besitznahme der Tempelherrengüter.

»Wisset, Herr Kanzler«, sprach der eine, »uns schickt der Meister Fulco von Villaret, die Würdigsten aus dem Orden sendet er dem König Philipp. Mich kennt Ihr, den Generalprokurator Leonard de Thilert, dieser ist Albert l’Allemand de Chateauneuf, Großkomtur, hier der Großprior von Rom, Philipp de Grangana, und jeder von den übrigen Herren bekleidet eine große Ehrenstelle. Ist der König nicht wohl? So mag er die Audienz aufschieben, aber des langen Wartens sind wir überdrüssig. Es ist ja längst entschieden und diese Gesandtschaft kostet nur dem Orden Geld, nicht dem König. Ihm zu Ehren sind wir gesandt worden und denken, eine Ehre wäre wohl der anderen wert.«

»Herr Generalprokurator …« Der Greis führte ihn ein wenig zur Seite. »Nehmt das nicht so genau. Der König ist jetzt nicht so, wie er sein sollte.«

»Wie das?«

»Man trägt sich so … mit sonderbaren Dingen und dann … sprecht nicht so laut hier … man muss die Horcher scheuen … Ihr erinnert Euch doch, was ich an den Meister im letzten Brief geschrieben habe. Molays Hinrichtung und … dass er Papst und König vor Gott gefordert habe …«

»Recht – recht, ich entsinne mich dessen. Der Meister hat mir den Brief gezeigt und erteilte Euch noch großes Lob …«

»Das gehört nicht hieher, Herr Generalprokurator, dass wir wieder auf den König kommen. Der Papst erkrankte nach der Hinrichtung des Molay. Ich glaube, es war zu Carpentras, die Krankheit mergelte ihn ganz aus. Er meinte, die Luft in seiner Vaterstadt würde ihm besser bekommen. Er wollte sich in einer Sänfte nach Bordeaux tragen lassen, allein die Bewegung der Sänfte vermehrte sein Übel. In einem Städtchen an der Rhone starb er … sonderbar genug … gerade vierzig Tage nach dem Tod des Großmeisters.

Nun meint der König …«

»Dass auch er in der bestimmten Zeit sterben würde?«

»Ihr habt es erraten, Herr Generalprokurator, und darum ist der König zuweilen so sonderbar gestimmt.«

Kopfschüttelnd trat der Generalprokurator wieder zurück zu den seinen. Da erschien der Hofmarschall und deutete der Versammlung an, der König würde heute nicht Audienz erteilen.

Während man hier die Köpfe zusammensteckte, sich missmutig wieder aus dem Audienzsaal begab, befand sich König Philipp in einer so freudigen Stimmung, als ob er die Hälfte seines Reiches erobert hätte; denn im Tempel selbst wohnte Margot, die schöne Margot, seit acht Monaten die erklärte Geliebte des Königs Philipp. Was kümmerte Philipp eine Audienz? Was kümmerte ihn eine Gesandtschaft desjenigen Ordens, den man im Concilio zu Vienne in den Besitz des größten Teils der Tempelherrengüter gesetzt hatte? Hier war Margot – hier König Philipp am Ziel seiner Wünsche. Heloise von Malhac war vergessen; ihr Bruder und ein Jahresgehalt die Vergütung für verkaufte Frauenehre. Da saß nun König Philipp auf dem goldbefranzten Kissen, in seinem Arm hielt er Margot, die Tochter des Waffenschmieds von Beziers. Kuss um Kuss wechselten die beiden, der schöne Philipp und die schöne Margot!

Da trat ein Kammerdiener herein, der vertrauteste des Königs.

»Wie magst du hier eindringen? Wie kannst du es wagen, hier einzudringen? Ich lasse dich hängen, wenn nicht ein Hochwichtiges dich hieher getrieben hat!«

»Majestät, der Alte … Eure Majestät kennt ihn ja … der Hospitaliter, der die Ungläubige zum Christentum …«

»Jetzt nicht … nicht jetzt … versichere ihn meiner Gnade … ich weiß schon, was er will … in der Kirche Unserer lieben Frauen soll die Ungläubige heute zum Christentum … ich kann nicht kommen. Er mag zum Kanzler gehen … zu Nogaret … mich dürstet … bringe Wein und Wasser … der Kanzler kann ihn an den Schatzmeister weisen … von allem Sprechen wird einem die Zunge trocken … bringe Wein und Wasser … Bleibe! Höre … der Schatzmeister soll ihm dreißigtausend Livres tournois auszahlen … er hat es verdient … mich dürstet sehr … bringe Wein und Wasser! … Hüte dich aber, hier wieder einzutreten!«

»Eure Majestät, Wein und Wasser?«

»Nichts … gar nichts, … geh mir aus den Augen … Ein König, Margot, ein König ist niemals sich selbst überlassen. Alles drängt sich zu ihm und es ist gerade, als ob er sein eigenes Leben nicht selbst leben sollte … mich dürstet … gib Wein und Wasser, Margot … die Fieberglut … wenn ich bei dir bin, Margot, ich kann sie nicht mehr Liebesglut nennen … die Fieberglut verzehrt mich ganz und gar!«

»Hier! Wein und Wasser, mein Philipp.«

»Ha! Das labt … das labt … und gierig habe ich getrunken, als ob der ausgebrannte Kiesel die Regentropfen aufsaugt.«

»Nicht wahr, mein Philipp«, Margot stand dicht vor ihm, er konnte sie umfangen, »von deiner Margot Hand kredenzt, mundet dir der Becher?«

»Ja … ja … er mundet mir … doch … wie so … sonderbar … Margot … plötzlich zieht es … wie Nebel … sich vor meine Augen …«

»Gib mir den Becher, Philipp; eine Hülle für uns beide …«

»Trink nicht, Margot! Der Wein taugt … nicht … ich fühle es in mir!«

Margot aber hatte getrunken, trat weit hinweg vom König. Mit aller Kraft, deren eine Frau fähig ist, rief sie: »König Philipp! Wir beide haben den Tod getrunken!«

»Den Tod?«

»König Philipp«, sprach sie weiter. Wie begeistert drangen die Worte zu ihm hinüber. »König Philipp! Du hast meinen Vater der Verzweiflung anheimgegeben, dass der Wahnsinn genistet im Hirn des gläubigen Bürgers. Glaubst du, König Philipp, dass Liebe mich zu dir hingezogen hat! Tor! Hier am Rand des Grabes sind wir alle gleich. Gift trägst du in dir, seitdem ich dich zum ersten Mal in meine Arme geschlossen habe!«

»Gift!«, schrie König Philipp.

Da stürzten seine Kammerdiener herein. Erschreckt vom Ausruf schrien sie durch einander: »Gift! Der König – Gift!«

»JA!«, beschied Margot die erbleichten knechtischen Seelen. »Aber auch ich habe Gift! Und werde vollenden.«

Zu beschäftigt um den hinsinkenden König, hatte nicht einer Zeit noch Mut, die Hinausschreitende aufzuhalten.

 

***

 

Meine Leser!

Es verschwindet ja so manches aus dem Tatenstrom des Lebens. Warum sollte nicht auch ein Wildgraf Hugo, Großkomtur des Tempelherrenordens in Deutschland, verschwinden können, da ein so trauriges Geschick einen jeden Übriggebliebenen berechtigt, sich dem Auge der Welt zu entziehen? Man sagt, er sei in den Orden der deutschen Ritter getreten. Möglich das; doch, um die Ehre meines deutschen Vaterlandes, um seine Biederkeit und Redlichkeit, will ich hier des deutschen Großkomturs selbsteigenen Worte vortragen. Es war im Jahr 1310, als man die Tempelherren vor das Konzil in Mainz geladen hatte. Der Wild- und Rheingraf Hugo, von zwanzig Ordensrittern begleitet, wandte sich an den Kurfürsten, der Erzbischof und Präsident des Konzils war.

»Ihr vernehme, dass Ew. Kurfürstliche Gnaden und diejenigen, aus welchen diese Versammlung besteht, im Begriff sind, die Ritter vom Tempelorden heute zu abscheulichen Strafen zu verurteilen. Ihr würdet keine größere Ungerechtigkeit begehen können als diese. Man sagt auch, dass man den Orden dieser tapferen Ritter, die mit ihrem Blut den Tempel des Herrn so lange verteidigt und erhalten haben, die für das gemeine Wesen und für die christliche Kirche von so großem Nutzen sind, abschaffen wolle. Deshalb habe ich mich eingestellt und diese hier, im Namen unserer unterdrückten Brüder, und erklären hiemit, dass Clemens ein ungerechter und barbarischer Tyrann sei! Daher wir an einen künftigen Papst appellieren.«

Deutscher Mund gegen deutschen Mund! Der Papst selbst sandte eine Kommission an das Konzil zu Mainz. Die Ritter waren durch das Urteil des Papstes losgesprochen. Nun reime sich das einer!

 

Ende des dritten Bandes