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Die Gespenster – Zweiter Teil – Achtzehnte Erzählung

Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Zweiter Teil

Achtzehnte Erzählung

Die wunderbaren, nächtlichen Pistolenschüsse

Hr. Wickert, Katechet in Neufriedrichsdorf bei Rathenow, lag im Februar des Jahres 1797 abends um elf Uhr mit seiner Ehefrau im ersten tiefen Schlaf. Beide wurden plötzlich durch einen dicht neben ihnen fallenden Pistolenschuss aufgeschreckt. Man vermutete Einbruch und gewaltsamen Überfall und sprang aus dem Bett, um eilig die zweckmäßigsten Maßregeln dagegen zu ergreifen. Aber, o Wunder! Alles um sie her war ruhig, weder in der Schlafstube noch im Haus überhaupt war irgendeiner, der nicht da sein sollte, und welcher die Pistole abgefeuert haben könnte. Auch außerhalb des Hauses war es ruhig. Keiner von den Nachbarsleuten hatte den Schuss gehört.

Hr. Wickert wusste nicht, was er dazu denken sollte, zumal, da man nicht den geringsten Pulvergeruch verspürte. An der Richtigkeit seiner Wahrnehmung konnte und mochte er indessen nicht zweifeln, weil außer der Frau Wickert auch noch ihre ältesten Kinder den Schuss gehört zu haben versicherten und davon aufgewacht waren.

In der nächstfolgenden Nacht gegen zwölf Uhr hörten sie wieder einen Schuss im Schlafzimmer. Er veranlasste abermals unnötige Unruhen, und man durchsuchte vergebens jeden Winkel des Hauses. Auch außerhalb der Wohnung fand sich am Tag danach keine Spur von Dieben. Man zerbrach sich gedankenvoll die Köpfe, ohne dadurch der Wahrheit nur um einen Schritt näher gekommen zu sein. Die Zuverlässigkeit, womit alle, den Schuss ohne Pulver auch diesmal wieder im Haus selbst gehört zu haben, versicherten, machte Hr. Wickert am meisten zu schaffen. Indessen versuchte er, als ein denkender Mann, sich zu überreden, dass man in Absicht des Ortes, wo ihnen die Schüsse zu fallen schienen, sich dennoch geirrt haben mochte. In dieser Hinsicht traf er rund um seine Wohnung herum am nächsten Abend im Stillen solche Maßregeln, dass er auf jeden Fall eine Spur gefunden haben würde, wenn etwa ein außerhalb seiner Wohnung befindliches Gespenst mit Händen und Füßen in der dritten Nacht wiederkommen sollte, um ihn irre zu leiten.

Der knallende Unsichtbare kam wirklich in der nächstfolgenden Mitternacht zum dritten Mal und tat einen Schuss, noch lauter als die beiden vorigen. Hr. Wickert wollte dem neckenden Gespenst anfangs den Willen nicht tun und sich beunruhigen lassen. Er blieb ruhig im Bett liegen. Jedoch der Wunsch, endlich den Ursprung des Knalles zu entdecken, erwachte zu lebhaft in ihm. Er sprang unwillig auf, um zu untersuchen, ob die Fenster, Fensterladen und Türen noch genau in dem Zustand wären, in welchen er sie beim Schlafengehen gesetzt hatte. Alles war, wie er es verlassen hatte. Nirgends fand sich eine Öffnung, durch welche ein neckender Betrüger die Mündung eines Schießgewehrs hätte in das Haus hineinhalten und das Letztere dann abschießen können. Dennoch setzte er nun seine einzige Hoffnung, einen genügenden Aufschluss über das anscheinende Wunder zu erhalten, in den mit Sand und Asche bestreuten, breiten Umkreis um das ganze Haus. Er ging hinaus, um mithilfe des Vollmondes hier die Spur eines Gespenstes zu entdecken. Aber auch diese Hoffnung schlug ihm fehl. Der ganze Umkreis war glatt und so unbetreten, wie er gestern Abend zubereitet worden war.

Jetzt wollten kleinmütige Zweifel in ihm darüber erwachen, dass und ob er die Natur des anscheinenden Gespenstes jemals näher kennenzulernen Gelegenheit haben werde. Allein er unterdrückte sie wie ein Mann von Erfahrung und Einsicht. Der Frau Wickert zwar schauderte die Haut in dieser dritten Nacht heftiger als je zuvor; allein wenn sie von beunruhigenden Ahnungen sprach, so sprach er vom unentdeckten Zufall.

»Was wir noch nicht gefunden haben«, meinte er sehr richtig, »ist darum noch nicht unentdeckbar. Die Zeit und das Ungefähre klären so manches Dunkel auf. Vielleicht sind sie auch uns noch einmal günstig.«

Wirklich ließ dieser Glaube ihn nicht zu Schande werden. Schon am nächsten Morgen, wo er zum Überfluss nochmals alles durchsuchte, entdeckte er das Gespenst in der an drei verschiedenen Stellen eingerissenen … Stubentürzarge seines neu gebauten Hauses. Die Ausdünstungen der Schulkinder und die in den damals sehr kalten Nächten des Februars erfolgende Abkühlung der bei Tag stark erhitzten Stube, verbunden mit dem vielleicht zur unrechten Zeit gefällten Zargenholz, hatten unstreitig die Risse veranlasst, welche vor wenigen Tagen im Holz noch nicht gewesen waren. Einer derselben war merklich länger als die beiden übrigen und hatte vermutlich den stärksten Knall der dritten Nacht verursacht. Dass aber die vermeinten Pistolenschüsse in der Tat einzig und allein durch das Aufreißen des Holzes hervorgebracht worden waren, das war auch nicht dem kleinsten vernünftigen Zweifel unterworfen; denn als Hr. Wickert einige Tage danach des Morgens beim Frühstücken mit den seinen um einen Tisch neben jener Türzarge saß, geschah vor ihren Augen zum vierten Mal ein solcher Schuss, wodurch in der Zarge ein vierter Riss entstanden war.