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Hexen- und Gespenstergeschichten 4

Hexen-und-Gespenster-GeschichtenHexen- und Gespenstergeschichten
Ein geschriebenes Lesebuch aus dem Jahr 1806

An Hexen und Gespenster
glaubt kein gescheiter Mann.
Nur in verrückten Köpfen
trifft man noch sowas an.

I. Hexengeschichten
4. Eine Schatzgräbergeschichte

In einem kleinen Dorf am Rhein … wie es heißt, fällt mir sogleich nicht ein, war ein gewisser Bauer, Siegmund Hagen, dem ging es vor noch nicht vielen Tagen, wie es dem, der wenig Hirn im Kopfe trägt, gemeiniglich zu gehen pflegt.

Wie ging’s ihm denn? Geduld, erst muss ich euch noch sagen:

Es hatte dieser Siegmund Hagen

zwei Stunden lang den schönsten Strich am Rhein

voll Äcker, Felder, Wiesen, Wein,

und soviel Geld dazu, dass er – ich wette –

mit manchem Grafen sich nicht leicht gemessen hätte.

Und gleichwohl war – (Ihr selber wisst,

dass Geld und Habsucht oft beisammen ist),

der Mann dem Geize so ergeben,

dass er seit seinem ehelichen Leben

nichts als Erdäpfelknödel aß;

dass er beim Kohlenfeuer im strengsten Winter saß;

dass er die Steuern nie, als bis die Vögte

ihn exekutierten, zu erlegen pflegte.

Zu diesem Geizhals Sigmund Hagen

trat jüngst, es war noch in den kurzen Tagen

um Lichtmess rum, ein fremder Mann,

der hatt’ ein schönes Kleid und einen Degen an.

»Komm ich hier recht«, sprach er, »zum Herren Hagen,

um ein recht großes Glück ihm anzutragen?

Hab ich den Weg aus Spanien gemacht.

Ihm ist ein großer Schatz vom Himmel zugedacht.«

»Ein Schatz? Ja Herr! ich bin’s, nach dem Sie fragen.

Ich bin der Bauer Sigmund Hagen.

So hätte denn in dieser teuren Zeit

Gott auch an mich gedacht, er sei gebenedeit!

Gern will ich nun die Leidenden beglücken,

die Nackten kleiden, Hungrige erquicken.

So sprach der Schalksknecht. »Darf ich fragen«,

erwiderte dann Sigmund Hagen.

»Wie groß er ist? Wie groß er ist?«

»So groß, dass man das Geld mit Scheffeln misst.«

»Noch eins«, sprach nun der Gast, »muss ich vor allen Dingen

bei diesem Schatz mir ausbedingen.

Es hatte sich der Graf, dem dieser Schatz gehört,

vor seinem Tode nicht bekehrt.

Auch fordert noch an unbezahlten Schulden

das Kloster Sankt Sylvester tausend Gulden.

Wem sollte nicht ein solches Glück behagen?

Nicht wahr, ihr hättet’s auch nicht ausgeschlagen?«

Nur eins hierbei störte dem Edelmann,

der Vorschuss stand ihm gar nicht an.

Wohl hundert Mal schob er die Pudelmütze

vom Wirbel bis zur Nasenspitze,

verbiss die Nägel, kratzte sich das Ohr

und schützte seine Not und Armut vor.

Indessen, als die Nacht hereingetreten,

hat unser Gast sich Urlaub ausgebeten,

um, sprach er, einen Gang ins Geisterreich zu geh’n

und mit dem Nötigen sich zu verseh’n.

Nach einer Stunde kam er wieder,

ging schweigend zwölfmal auf und nieder,

empfahl hierauf dem Wirt, getrost zu sein,

und ging mit ihm zur Kellertür hinein.

»Hier«, sprach er, »muss er mäuschenstille stehen,

nicht sprechen, husten, auch nicht vorwärts sehen.

Tut er ein Husten nur, so schlägt bei meiner Treu

der böse Feind ihm das Genick entzwei.«

So sprach der Mann und ging mit stolzem Schritte

im Keller fort bis in die Mitte.

Da ließ sich bald ein blaues Flämmlein seh’n,

das schien, als lebt es, hin und her zu geh’n.

Auch hörte man gleich Klagetönen

tief aus der Erd ein grausenvolles Stöhnen.

Und ein, so schien es, kohlschwarzer Hahn

fing fürchterlich zu krähen an.

Dies war des Geisterbanners rechte Stunde,

denn jetzo ging er dreimal in die Runde.

Schwang seinen Zauberstab; der schwarze Hahn verschwand

und winkte jetzt dem armen Sigmund mit der Hand.

Er folgte mit so bangem Schritte,

als folgte ihm der Tod bei jedem Tritte.

Der Fremde war ein ausgelernter Schelm:

Er hatte nämlich einen blanken Helm

in Hagens Keller heimlich hingetragen,

in dem, so schien’s, viel alte Taler lagen.

Als unser Kauz die blanken Schätze da

vor seinen Augen liegen sah,

verließ ihn augenblicklich alles Zagen.

Neugierig wollt er schon nach dem Gepräge fragen,

und hielt bereits in frohem Sinn

die Hand zum Talerklumpen hin.

Allein der Fremde führt ihn plötzlich aus dem Keller.

»Nähm er«, so sprach er, »einen roten Heller

von diesem Klumpen, lieber Mann,

so wär’s um seinen Schatz getan.

Jetzt«, fuhr er fort, »will ich die Tür verriegeln

und sie zur Sicherheit versiegeln,

bis ich in der zukünst’gen Nacht

des Schatzes Geist vollkommen zahm gemacht.

Dann ist er sein, beglückter Hagen,

kann ihn in Säcken aus dem Keller tragen.

Doch, aprohos! Wie stets um Kapital

für Sankt Sylvester? Noch hat er die Wahl

Ob er …«

»Ach gern«, so unterbrach behände

der Geizhals ihn und drückt ihm beide Hände.

»Gern geb ich zu des Grafen Seelenruh

das nöt’ge Kapital, und ihnen eins dazu.«

Hier trippelte der Schelm, der kurz vorher vor Jammer

vergehen wollte, mit dem Gast in eine Kammer

und zahlt ihm da aus einem Kästchen in der Wand

Vierhundert Karolinen in die Hand.

Versprach ihm überdies noch tausend Stück Dukaten,

tracktiert ihn königlich mit Wein und Braten.

Wies ihm darauf ein weiches Bette zu

und wünscht ihm recht vergnügte Ruh.

Vom Schlaf genossen Wirt und Gast nur wenig.

Dem Ersten ging’s wie manchem König,

der Tag und Nacht an neue Schätze denkt.

Dem Zweiten war’s bekannt, dass man die Schelme henkt.

Kaum war demnach der Morgen angebrochen,

als beide schon aus ihren Federn krochen.

Der Gast traf seinen Wirt beim Keller an.

»So eilig geht’s noch nicht, mein bester Herzensmann!«,

sprach er, »erst trag ich tausend Gulden

dem Kloster Sankt Sylvest – des Geistes Schulden.

Der Weg dahin ist bloße Kleinigkeit,

und bis zur Geisterstunde ist’s noch Zeit.

Nur eins, Herr Hagen, muss ich ihm empfehlen.

Lass er mir’s nicht an großen Säcken fehlen.

Auch schaff er unterdess’ sich starke Schlösser an,

dass er den Schatz verwahren kann.

Jetzt, lieber Mann, will ich zum Kloster gehen.

Lebt wohl, bis wir uns wiedersehen.«

Der Fremde ging, allein der Wirt rief in zurück.

»Ach«, rief er, »warten Sie doch einen Augenblick.

Mein Gaul muss ohnehin im Stalle stehen,

Sie möchten sich zu Schanden gehen.

Dann wär’s vielleicht um meinen Schatz getan,

und ich wär ein geschlag’ner armer Mann.«

Der Fremde ließ sich das von unsrem Hagen,

wie leicht zu denken, nicht noch einmal sagen.

Er stieg aufs Pferd, schob seinen Hut fein krum’

und sah zu guter Letzt sich noch mal um:

»Dank, Dank, Herr Hagen! Dank für alle Pflege!«

»Adieu! Adieu! Viel Glück zu Ihrem Wege!«,

rief unser Wirt, so lang er ihn noch sah.

Weg war er und ist  – noch nicht wieder da.

Im Keller – denn ihr werdet mich nun fragen,

was wohl im Keller – fand der betrog’ne Hagen.

Den Helm zwar, und die Taler auch dabei.

Dach jener war nur Blech, und diese nichts als Blei.

Wie ihn zumute war. ist leicht zu denken,

Schon sucht er einen Strick, sich zu erhenken.

Da sah er an der inn’ren Kellertür

ein großes Blatt beschriebenes Papier.

»Bald«, rief er, »wär ich auch ein rechter Narr gewesen,

vielleicht ist hier die wahre Kunst zu lesen,

wie ich den Schatz gewinnen kann.

Der Fremde war ja gar ein guter Mann,

und ohne Not ist er gewiss nicht ausgeblieben.

Lass seh’n, was hat er dann geschrieben?«

Erwartungsvoll setzt er die Brille auf,

Und las und las und … hing sich auf.

Er las? Ei nun, was ist es denn gewesen?

Hier ist’s! Ihr könnt es selber lesen!

Freund! Sollst du arm und hungrig sein,

So sprich in diesem Dörflein ein

und geh zu Sigmund Hagen,

der gibt dir Geld und Speis und Ruh,

auch wohl noch einen Gaul dazu,

dich in die Welt zu tragen.